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22. März 2019

Berner Wassertag

Berner Pilotanlage zeigt: Kohle filtert Problem-Stoffe aus Abwasser

(sda) Kläranlagen filtern einen Grossteil problematischer Spurenstoffe wie etwa Medikamentenrückstände aus dem Abwasser, wenn sie eine zusätzliche Reinigungsstufe aufweisen. Das zeigt sich in der bisher einzigen Abwasserreinigungsanlage (ARA) im Kanton Bern mit vierter Reinigungsstufe, der ARA Thunersee. Und doch ist ein wirksamer Ressourcenschutz von grösster Wichtigkeit und muss intensiviert werden.

Geschäftsführer Bruno Bangerter sagte am Donnerstag am 9. Berner Wassertag in Bern, dank dieser vierten Reinigungsstufe entferne die Anlage über 80 Prozent der organischen Spurenstoffe aus dem Abwasser. Die ARA Thunersee setzt auf das sogenannte "Ulmer Verfahren".

Das heisst, dass in der im Sommer 2018 eingeweihten vierten Reinigungsstufe dem Abwasser Aktivkohle in Pulverform beigemischt wird. Die Kohle verhält sich wie kleine Schwämmchen, so Bangerter. Sie schwillt im Wasser auf, so dass ein Gramm Kohle dank innerer Verästelungen eine Oberfläche von tausend Quadratmeter erreicht.

An dieser Oberfläche setzen sich die Spurenstoffe an. Es reicht, das Wasser in dieser vierten Reinigungsstufe etwas umzurühren, und schon sinken die mit Schadstoffen "angereicherten" Kohle-Stückchen zu Boden. Danach kann dieser Rest als Klärschlamm verbrannt werden.

Untersuchungen in Baden-Württemberg haben laut Bangerter gezeigt, dass die Biodiversität in den Flüssen steigt, wenn diese sich im Gebiet einer ARA mit vierter Reinigungsstufe befinden. 75 Tonnen organische Stoffe wird die ARA Thunersee dank der neuen Reinigungsstufe pro Jahr aus dem Abwasser holen können.

4. Stufe für zehn Berner Anlagen

Der Bund hat vor ein paar Jahren festgelegt, dass hundert Kläranlagen in der Schweiz eine vierte Reinigungsstufe einbauen müssen. Betroffen sind die Kläranlagen in grossen Siedlungsgebieten und in Einzugsgebieten von Seen und Flüssen. Die Kantone können bestimmen, welche Anlagen aufgerüstet werden müssen.

Im Kanton Bern sind zehn Anlagen bezeichnet worden, die bis spätestens 2035 eine vierte Reinigungsstufe aufweisen sollen. In der ARA der Region Bern sollte es bis 2030 so weit sein. Das geht aus dem Grundlagenbericht zum Massnahmenprogramm 2017-22, Teilbereich Siedlungsentwässerung, der Berner Regierung hervor.

Mikroverunreinigungen im Abwasser bekämpft der Bund, weil man heute davon ausgeht, dass solche Spurenstoffe Kleinstlebewesen gefährden - und damit die Biodiversität. Nicht mehr im Abwasser will der Bund beispielsweise Entzündungshemmer und Psychopharmaka. Auch Reste von Korrosionsschutzmittel und Antibiotika sollen raus.

Claudia Minkowsi, die Leiterin des Gewässer- und Bodenschutzlabors im Kanton Bern, sagte am Wassertag, zu den Verursachern unerwünschter Mikroverunreinigungen gehörten auch die Landwirtschaft mit ihren Pestiziden und der Verkehr.

In der Aare bei Murgenthal AG habe man bei Untersuchungen über 16 Kilogramm Mikroverunreinigungen pro Tag festgestellt. Nicht in grossen Gewässern sei allerdings im Allgemeinen die Konzentration solcher Stoffe ein Problem, sondern in kleinen.

Klein-ARAs für Spitäler?

Andreas Hirt plädierte am Anlass im Stade de Suisse dafür, das Problem an der Wurzel zu packen. Das sei besser, als für viel Geld technische Lösungen aufzubauen.

Hirt ist Geschäftsleitungsmitglied beim Bieler Energie- und Trinkwasserlieferanten Energie Service Biel (ESB). Er zeigte auf, mit welchem Aufwand sein Unternehmen Mikroverunreinigungen aus der Trinkwasserquelle Bielersee eliminiert. Ein wirksamerer Ressourcenschutz fordert deshalb auch der Trinkwasserverband SVGW immer wieder, bei dem Hirt im Vorstand sitzt. Das beeinhaltet eine Reduktion der Pflanzenschutzmitteleinträge der Landwirtschaft und Privatgärten, Nutzungseinschränkungen im Einflussbereich von Wasserfassungen und der Einträge der Nährstoffe aus der Landwirtschaft.

Spitäler könnten über eigene Abwasserreinigungsanlagen verfügen, sagte Hirt. Und Patienten, die zu Hause den Urin testen, könnten dazu gebracht werden, Urin und Fläschchen wieder ins Spital zu bringen. Dies mit Hilfe eines Pfands auf dem Urinfläschchen. AmGurtenfestival funktioniere ein Pfandsystem auf Essgeschirr ja auch.

Die rasche Entlassung von Patienten aus Spitälern führe dazu, dass Medikamentenrückstände im Abwasser dezentral anfielen, sagte Bangerter dazu. Das spreche für eine "End-of-pipe"-Lösung wie eben vierte Abwasserreinigungsstufen in Kläranlagen.

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