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06. Mai 2024

Versorgungssicherheit

Saisonale Gasspeicher in der Schweiz

Als einziges Land in Mitteleuropa verfügt die Schweiz über keine saisonalen Gasspeicher. Die Realisierung von grossen inländischen Gaslagerstätten würde nicht nur die Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern auch die Gasbeschaffungsportfolios optimieren und für eine schnelle Netzstabilisierung sorgen. Gaznat begann bereits 2007, mögliche Standorte zum Bau von so genannten LRC-Speichern - unterirdisch ausgekleidete Felskavernen - zu suchen.
Tom  Kober, René Bautz, Evangelos Panos, Yi Wan, Russel McKenna, Alexander Fuchs, Turhan Demiray, 

2022 trat die Verordnung über die Sicherstellung der Lieferkapazitäten bei einer schweren Mangellage in der Erdgaslieferung in Kraft. Diese verpflichtet die Schweizer Gasindustrie dazu, 15% des Jahresverbrauchs (derzeit etwa 6 TWh) zu speichern. Aber da die Schweiz, als einziges Land in Mitteleuropa, über keine saisonale Gasspeicher verfügt, müssen einige Versorgungsunternehmen Kapazitäten im Ausland erwerben. Zudem müssen erhebliche Kapazitäten auf den Gasimport gebucht werden, um die gesamte Flexibilität, die die Verbraucher benötigen, zu transportieren.

Versorgungssicherheit mit saisonalem Gasspeicher

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Bundesamtes für Energie über den Aufbau von Speicherkapazitäten in der Schweiz [1] zeigt, dass saisonale Speicher die Versorgungssicherheit massgeblich erhöhen könnten. Bevor solche Anlagen realisiert werden, müssen die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geklärt werden. Insbesondere der letzte Punkt wird in dieser Studie, die als assozierte Fallstudie des SWEET-SURE-Projektes durchgeführt wurde, angesprochen. Die Realisierung von Felskavernen (Fig. 1) in den Alpen bietet neben dem unbestreitbaren Beitrag zur Versorgungssicherheit des Landes auch den Vorteil, die Gasbeschaffungsportfolios zu optimieren, die Entwicklung von Power-to-Gas-Anlagen zu unterstützen und die Stabilität der Transportnetze durch die schnelle Bereitstellung von Intraday-Regelenergie mitzutragen.

Die Gasspeicherung in einer unterirdisch ausgekleideten Felskaverne (LRC, Lined Rock Cavern) wäre auch für eine spätere Umwandlung der Kavernen für die Nutzung von Wasserstoff oder Druckluft nützlich. Ein solcher kommerziell genutzter Speicher existiert bereits im schwedischen Skallen. Ebenfalls in Schweden wird derzeit eine Speicherkaverne für Wasserstoff gebaut. Diese soll ein Unternehmen der Metallindustrie bei der Dekarbonisierung unterstützen.

Studien zur Realisierung

Die Gastransport- und -versorgungsunternehmen der Schweiz führen seit vielen Jahren verschiedene Studien und Untersuchungen durch, ob die Realisierung eines saisonalen Gasspeichers auch in der Schweiz möglich ist. 2007 begann Gaznat mit ersten Untersuchungen zum Bau von Speichern in Felskavernen, die auf der LRC-Technologie basieren.

Gaznat identifizierte drei Standorte, deren unterirdische Geologie fĂĽr die Errichtung eines solchen Bauwerks geeignet ist: Collonges (VS), Innertkirchen (BE) und Oberwald (VS).

Verschiedene Erkundungsbohrungen wurden durchgeführt und schliesslich wurde Oberwald aufgrund der Qualität des Felsmassivs (Aaremassiv), das am Nordhang der Rhone angetroffen wurde, als potenzieller Standort ausgewählt.

ZENTRALE ANNAHMEN DER MODELLBASIERTEN ANALYSE

Im Zentrum der Untersuchung steht die Rolle grosser, vorwiegend saisonal genutzter Gasspeicher (im TWh-Bereich) für das Schweizer Energiesystem unter Berücksichtigung der Schweizer Energiestrategie und der Klimaziele sowie der Versorgungssicherheitsziele. Mittels einer modellbasierten, quantitativen Szenarioanalyse bis ins Jahr 2050 konzentriert sich die Studie insbesondere auf potenziell neue inländische Gas-speicheroptionen für die Schweiz, wie z. B. LRC-Speicher und Flüssiggasspeicher (Liquefied Natural Gas (LNG)-Speicher). Um Gasspeicher im Kontext langfristiger Entwicklungen des schweizerischen Energiesystems zu evaluieren, wurde das Schweizer TIMES-Energiesystemmodell (STEM) des Labors für Energiesystemanalysen des Paul Scherrer Instituts verwendet und durch ein dynamisches Gasflussmodell des Schweizer Hochdruckgasnetzes unter Verwendung des FlexECO-Modellierungsrahmens der Forschungsstelle für Energienetze der ETH Zürich ergänzt. Detaillierte Beschreibungen der verwendeten Modelle und der getroffenen Annahmen finden sich in [2–4].

Charakteristika grosser Gasspeicher

FĂĽr die Speicherung grosser Gasmengen werden in dieser Studie im Wesentlichen folgende Speicheroptionen (Hauptmerkmale in Tabelle 1) berĂĽcksichtigt:

  • LRC-Speicher im Oberwallis
  • LNG-Speicher mit Hafenanschluss am Rhein
  • LNG-Speicher angeschlossen an die Transitgaspipeline
  • Nutzung unterirdischer Gasspeicher im benachbarten Ausland
  LRC Oberwallis LNG am Rhein LNG an der Transitpipeline Speicherung im Ausland
Speichervolumen (TWh) 1,43 0,328 1,5 6
Einspeicherrate (GWh/Tag) 65 1,63 12,5 64
Ausspeicherrate (GWh/Tag) 130 32,5 72 60
Investitionen (CAPEX)1 (CHF/MWh) 291 3632 333 -

Tab. 1 Technisch-wirtschaftliche Charakterisierung der betrachteten grossen Gasspeicheroptionen (basierend auf [2]). 1 Bezogen auf das Arbeitsgasvolumen des Speichers; 2 exklusive CAPEX für zusätzliche Hafenanlagen.


LRC- und LNG-Speicher

Unter den potenziellen inländischen grossen Gasspeicheroptionen verfügen LRC-Speicher mit ihrem modularen Aufbau (4 Kavernen im Projekt in Oberwald) nicht nur über ein grosses Speichervolumen, sondern auch über vergleichsweise grosse Ein- und Ausspeichergeschwindigkeiten. Im Fall von LNG-Speichern stellen die Anlagen zur Wiedervergasung bzw. im Fall der Speicherung von Gas bezogen aus dem Pipelinenetz auch die Verflüssigungsanlagen einen erheblichen Bau- und Kostenaufwand dar, was sich auch auf die realisierbaren Ein- und Ausspeichergeschwindigkeiten auswirken kann. Beim Bezug von LNG mittels Binnenschifffahrt von einem Hochseeimporthafen (z. B. Rotterdam) ergaben die Recherchen, dass sich die schiffbaren LNG-Mengen auf dem Rhein sowie die Entladekapazität des Rheinhafens in der Schweiz beschränkend auf die Liefermengen auswirken können.

Gasspeicher im Ausland

Hinsichtlich der Nutzung von Gasspeichern im Ausland wie bspw. in Frankreich geht diese Studie von einer maximalen Speichermenge von bis zu 6 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr aus. Diese Menge ist doppelt so gross, wie die bis 2030 zwischenstaatlich garantierte Speichermenge in Frankreich [1, 5].

Diese Speicheroptionen wurden in STEM mit ihren technischen und kostenseitigen Parametern integriert, wobei die Entscheidung zum Zubau und zur Art und Weise des Betriebs unter der Prämisse bestimmt wurden, die Energieversorgung in Zukunft zu möglichst geringen Kosten zu gewährleisten.

Szenarien und Marktbedingungen

Die Perspektiven fĂĽr grosse Gasspeicher werden anhand von zwei Szenariofamilien analysiert, die unterschiedliche Pfade der Systemtransformation und Klimaziele bis 2050 darstellen. Die Grundlage fĂĽr diese Szenariofamilien sind zwei sogenannte SURE Pathway Scenarios (SPS), die im SWEET-SURE-Szenariorahmen [6] festgelegt wurden:

Team Sprint (SPS1)

Bei diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die Welt allmählich die Strategien für eine umweltverträgliche Wirtschaft umsetzt bei gleichzeitiger Forcierung integrierter Märkte und internationaler Zusammenarbeit. Für die Schweiz wird in diesem Szenario die CO₂-Neutralität des Energiesektors und der Industrie bis 2050 mit verschiedenen Instrumenten angestrebt, z. B. mit Energiestandards für Gebäude, Emissionsnormen für Fahrzeuge und einem Emissionshandelssystem, das mit dem europäischen Emissionshandelssystem gekoppelt ist.

Walk and Talk (SPS4)

Dieses Szenario stellt eine Business-as-usual-Entwicklung mit einer Fortsetzung der derzeit beobachteten Trends der Energieversorgung dar. Es wird davon ausgegangen, dass die energie- und klimapolitischen Massnahmen in der Schweiz in der Zeit nach 2030 weniger ambitioniert umgesetzt werden, so dass sich lediglich die in der Vergangenheit beobachteten CO2-Emissionsminderungstrends fortsetzen.

Die wichtigsten sozioökonomischen Indikatoren werden in beiden Szenariofamilien als gleich angenommen, was sich insbesondere auf die Bevölkerungszunahme der Schweiz auf 10,4 Mio. Menschen bis 2050 und ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,6% im Zeitraum 2020 bis 2050 bezieht. Auch die technologische Leistungsfähigkeit und die Technologiekosten unterscheiden sich nicht zwischen «Team Sprint» und «Walk and Talk», ebenso wie die angenommene Lebensdauer der bestehenden Kernkraftwerke in der Schweiz von 60 Jahren und das Verbot neuer Kernkraftwerkstechnologien.

Die fĂĽr die Zukunft angenommenen Weltmarktpreise fĂĽr Brennstoffe basieren auf dem World Energy Outlook, der Internationalen Energieagentur [7], wobei unterstellt ist, dass sich aufgrund der weltweiten Anstrengungen zum Klimaschutz in SPS1 ein niedrigeres Preisniveau als in SPS 4 einstellt.

Beide Szenarien werden durch eine Reihe von Paramatervariationen ergänzt. Diese berücksichtigen verschiedene Unsicherheiten, die für den Einsatz grosser Gasspeicher in der Schweiz relevant sind. Diese Parametervariationen betreffen folgende Aspekte:

  • Volatilität der Gasimportpreise
  • VerfĂĽgbarkeit von Gasspeichern im Ausland
  • Auftreten eines disruptiven Ereignisses (Krisenereignins im Jahr 2050, d. h. Unterbruch der Gasimporte und plötzlicher Anstieg der Gasnachfrage im Winter).
Volatilität der Gasimportpreise

Hinsichtlich der Volatilität der Preise für Methanimporte (Erdgas und Biomethan) wurden neben der Standardvolatilität drei Varianten entwickelt, wozu die historischen Gaspreisschwankungen des Spotmarktes der European Energy Exchange von 2013 bis 2020 herangezogen wurden. Die Bandbreite der untersuchten Variabilitäten erstreckt sich von durchschnittlichen saisonalen Abweichungen vom Jahresmittel von +/–10% (Standardvolatilität) bis hin zu +50%/–40% (hohe Volatilität) [2].

Gasspeicher im Ausland

Bei den Varianten zu Gasspeichern im Ausland geht es um die Analyse der systemischen Auswirkungen im Fall der Verfügbarkeit bzw. Nichtverfügbarkeit kostengünstiger ausländischer Methanspeichern nach 2030.

Disruptives Ereignis

Die Varianten, die ein disruptives Ereignis im Gassektor widerspiegeln, befassen sich mit der Frage der Widerstandsfähigkeit des Energiesystem in Zukunft. So geht das in diesen Varianten entwickelte Störereignis nicht nur von einem Unterbruch der Gasimporte für etwa eine Woche im Winter aus, sondern auch von einer verschärften Situation auf der Gasnachfrageseite mit dem Betrieb von etwa 300 bis 600 MW (je nach Verbrauch der jeweiligen Szenarien) gasbasierten Reservekraftwerken aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Stromimporten in derselben Woche und der Notwendigkeit, eine ausreichend stabile Stromversorgung zur Befriedigung der Stromnachfrage sicherzustellen. In der Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Nachfrage nach Energiedienstleistungen von der Störung unberührt bleibt, was bedeutet, dass die Verbraucher ihren Energiebedarf in der Woche der Importknappheit nicht beeinträchtigen.

Ergebnisse der modellbasierten Analyse 

Gas auch in Zukunft im Energiemix

Die Analyseergebnisse für die untersuchten Szenarien zeigen, dass gasförmige Brennstoffe (fossile, biogene, synthetische Gase sowie Wasserstoff) auch im zukünftigen Schweizer Energiesystem eine Rolle spielen (Fig. 2), vorausgesetzt, es bestehen keine regulatorischen Rahmenbedingungen, die die entsprechenden Gastechnologien verbieten. Die Modellierungsergebnisse zeigen auch, dass die Ambitionen zur Eindämmung des Klimawandels Auswirkungen auf die Höhe des Gasverbrauchs und die Diversität der gasförmigen Brennstoffe haben, die zu einer kostenoptimalen Energieversorgungsstruktur beitragen können. Je ehrgeiziger die Klimaziele sind, desto höher ist der Bedarf an inländischer Produktion von Biogas, Biomethan und Wasserstoff. Zusammen mit Importen gasförmiger Kohlenwasserstoffe können die inländisch produzierten Gase unter CO₂-Neutralitätsbedingungen bis 2050 (SPS1) ein Niveau erreichen, das leicht unter dem heutigen Gasverbrauch liegt. Bei weniger ehrgeizigen nationalen Klimaschutzmassnahmen (SPS4) könnte der Gasverbrauch steigen, insbesondere wenn Gaskraftwerke dazu beitragen, den Ausstieg aus der Kernkraft zu kompensieren.

Gasspeicher in der Schweiz: Vorteile überwiegen
Speicherstätte im Ausland: geringere Kosten

In Anbetracht der Kostenstruktur grosser Gasspeicher im Ausland (insbesondere in Frankreich und Deutschland) und der in der Schweiz potenziell verfügbaren Optionen (LRC-Speicher und LNG-Speicher) kann der Schluss gezogen werden, dass der Zugang zu Speicherstätten im Ausland zu vergleichsweise geringeren Kosten erfolgen kann. Die Perspektiven für den Einsatz grosser inländischer Speicher hängen davon ab, wie intensiv in Zukunft auf ausländische Speicher zugegriffen werden kann.

 

Speicherstätte im Inland: systemische Bedeutung

Wenn die Verfügbarkeit von Gasspeichern im Ausland begrenzt ist und die Volatilität der Gaspreise auf einem Niveau bleibt, wie es in den letzten Jahren zu beobachten war, wäre der Einsatz inländischer Gasspeicher von systemischer Bedeutung, um die Kosten des Energiesystems auf einem Minimum zu halten und Gas zu niedrigeren Kosten zu liefern. Bei einem weiterhin hohen Gasverbrauch könnten inländische Speicher in der Grösse von 1,3 TWh (entspricht vier Kavernen des LRC-Speicherprojekts im Oberwallis) bei durchschnittlichen Speicherkosten von rund 15 Fr./MWh dem Schweizer Energiesystem zwischen 2030 und 2050 kumulierte Kosteneinsparungen von bis zu 600 Mio.Franken bringen. Im Hinblick auf die Klimaneutralität bis 2050 sollten grosse Gasspeicher «wasserstoffbereit» (hydrogen ready) gebaut werden, da mehrere Szenarien auf saisonale Verschiebungen von Wasserstoff von mehr als 1 TWh im Jahr 2050 hindeuten (Fig. 3 und Tab. 2).

Versorgungssicherheit und Gasnetzstabilität Im Krisenfall

Aus der Perspektive der Versorgungssicherheit zeigt die modellgestützte Analyse die Vorteile eines inländischen grossen Gasspeichers für das Schweizer Energiesystem. Geht man von einem disruptiven Ereignis aus, der dem Ausfall der Gasimporte für eine Woche im Winter entspricht, und stellt gleichzeitig die unverminderte Gasversorgung der Verbraucher während dieser Zeit sicher, so würde ein inländischer Grossspeicher von 1,3 TWh dazu beitragen, eine solche Krisensituation auf kosteneffiziente Weise zu bewältigen. Gemäss der vorliegenden Analyse kann die Gestaltung des Energiesystems mit alternativen technischen Massnahmen, wie z. B. alternativen Energiespeichern oder verstärkten Energiesparmassnahmen, zur Vermeidung der Auswirkungen eines solchen Störereignisses, die Gesamtsystemkosten im Vergleich zu einem inländischen Gasspeicher erheblich erhöhen.

Mit Blick auf die eher kurzfristige Stabilisierung des Gasnetzes untermauert die technische Gasnetzanalyse des westlichen Teils des Schweizer Gasnetzes den Wert von Speichern im Falle von Störereignissen, wie z. B. einem schnellen Nachfrageanstieg. Auslöser dafür könnte neben einer hohen Verbrauchssituation auch das Hochfahren eines Gaskraftwerks (300 MWe mit einem Gasbedarf von rund 80 000 Nm3/h) sein, das beispielhaft für die Untersuchung des Netzbetriebs und der Netzstabilität herangezogen wurde. Hinsichtlich der Platzierung in der Netztopologie zeigt sich, dass grosse Gasspeicher vorzugsweise an die Transitgas-Pipeline oder nahe von Knoten mit plötzlicher Nachfrageänderung angeschlossen werden sollten, um ihren maximalen systemischen Nutzen zu entfalten. Die Auswirkungen von Druckabfällen im Gasnetz, die durch einen schnellen Nachfrageanstieg verursacht werden, können durch die Einspeisung von Gas aus Grossspeichern erheblich gedämpft werden. Figur 4 zeigt exemplarisch für drei Knotenpunkte die Pipelinedruckveränderungen bei einem plötzlichen Gasverbrauchsanstieg sowie die Auswirkungen von Gegenmassnahmen unterschiedlicher Reaktionsdauer, wobei angenommen wird, dass ein Gasspeicher innert 15 Minuten verfügbar ist und zusätzliche Gasmengen durch Zukäufe auf dem Gasmarkt etwa drei Stunden bis zur Verfügbarkeit benötigen. Die Annahme von Zukäufen nach drei Stunden ist dabei als optimistisch einzuschätzen. In der Praxis kann es in Abhängigkeit von der Marktliquidität auch länger dauern. Zudem wird in Figur  4 der Druckverlauf mit dem Referenzdruck ohne Störung dem Druckverlauf ohne Gegenmassnahmen gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass eine schnelle Reaktion, zum Beispiel durch Gasspeicher, notwendig ist, um die Netzsicherheit zu gewährleisten.

Es liegt auf der Hand, dass die Druckänderungsrate mit der Grösse der Kraftwerke skaliert, was bedeutet, dass Grossspeicher mit zunehmendem Einsatz von Gaskraftwerken als Reservekraftwerke noch mehr an Bedeutung gewinnen. Die Analyse eines Gaskraftwerks spiegelt auch die Herausforderungen wider, die bei künftigen Power-to-Gas-Anlagen auftreten können. Ein plötzlicher Produktionsstopp, z. B. durch eine geringere Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien, würde das Gleichgewicht des Gasversorgungssystems stören. Umgekehrt muss auch ein plötzliches Anlaufen der Gasproduktion ausgeglichen werden. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, ist eine schnelle Flexibilität (z. B. durch Gasspeicher) erforderlich. Obwohl dieser Fall nicht gesondert simuliert wurde, wären die Herausforderungen, Zeitkonstanten und Ergebnisse bei einer hohen angelegten Produktion mit Power-to-Gas-Einheiten, die in das Gaznat-Netz einspeisen, sehr ähnlich. Da Änderungen der Gasflüsse aufgrund von Störereignissen nicht vorhersehbar sind und Importe oft nicht schnell genug geplant werden können, kann die Flexibilität eines grossen Gasspeichers in der Schweiz den Betrieb und die Versorgungssicherheit des Gasnetzes erheblich verbessern.

Schlussbetrachtung

Vor dem Hintergrund möglicher Transformationspfade für das gesamte Schweizer Energiesystem bis Mitte dieses Jahrhunderts befasst sich diese Forschungsarbeit mit Aspekten der Energiesicherheit im Gassektor. Die quantitative Analyse auf Basis eines Energiesystemmodells und eines Gasnetzmodels zeigt einerseits den generellen Wert von Gasspeichern in Zukunft, insbesondere bei einer Zunahme der Preisvolatilität und zur Gewährleistung einer stabilen Versorgung. Grosse Gasspeicher im benachbarten Ausland stellen eine kostengünstige Option dar, wobei tatsächliche physische Speicher und Liefermengen im Krisenfall abzusichern sind. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit kann die Inlandsspeicherung hilfreich sein: a) wenn aus dem einen oder anderen Grund keine internationalen Abkommen zur gesicherten Gasspeicherung bestehen; b) wenn die Transportleitungskapazität nicht zur Verfügung steht, um das im Ausland gespeicherte Gas in die Schweiz zu transportieren. Obwohl neue inländische grosse Speicher eine im Vergleich zur Nutzung ausländischer Gasspeicher kostenintensivere Option darstellen, können allerdings auch inländische Speicher unter bestimmten Marktbedingungen, wie hoch volatilen Gaspreisen bzw. Versorgungsengpässen, einen systemischen Nutzen im Schweizer Energiesystem entfalten. Unter den analysierten einheimischen Grossspeichern kann die LRC-Technologie Gas zu den geringsten Kosten speichern. Um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden, sind wasserstofftaugliche Gasspeicher bei moderaten Zusatzkosten empfehlenswert. Diesbezüglich ist die Bedeutung der Integration der Schweiz in den europäischen Gassektor nicht nur für Methan, sondern auch für Wasserstoff zu unterstreichen, inklusive einer koordinierten Infrastrukturplanung und dem ungehinderten Marktzugang.

Weiterer Forschungsbedarf richtet sich an Verhaltenseffekte der Verbraucher in Krisensituationen bei der Gasversorgung, die in dieser Untersuchung vernachlässigt wurden. Ausserdem gilt es, die Gasinfrastruktur in der Schweiz unter expliziter Berücksichtigung von Gasverteilnetzen und detaillierteren Gasverbrauchsmustern weiter zu erforschen sowie die Umrüstung der Gastransportinfrastruktur für steigende Wasserstoffanteile.

 

Bibliographie

[1] Bundesamt für Energie (2022): Aufbau von Gasspeicherkapazitäten in der Schweiz und alternative Optionen für eine inländische Gasversorgung. Bericht zuhanden des Bundesrates.

[2] T. Kober, T. et al. (2024): Long-term integration of large-scale gas storage in Switzerland, Research Report associated to the SWEET-SURE research project.

[3] E. Panos, E. et al. (2023): An assessment of energy system transformation pathways to achieve net-zero carbon dioxide emissions in Switzerland, Commun. Earth Environ., Bd. 4, Nr. 1, S. 157.

[4] Fuchs, A.; Demiray, T. (2022): Report on energy grid modeling, SWEET-SURE Deliverable 6.1.

[5] Bundesamt für Energie (2009): Briefwechsel vom 27. Januar/26. Februar 2009 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die gegenseitige Versorgungssicherheit mit Erdgas. AS 2009 3125

[6] Panos, E. et al. (2022): 1st scenario protocol capturing the definition of pathway and shock scenarios, SWEET-SURE Deliverable 2.1.

[7] International Energy Agency (2022): World Energy Outlook 2022, Paris.

Verdankung

Die diesem Artikel zugrundeliegende Forschungsarbeit wurde von Gaznat SA finanziell unterstützt und ist mit dem Projekt SWEET-SURE assoziiert, das im Rahmen des SWEET-Programms des Bundesamtes für Energie durchgeführt wird. Die Autoren danken beiden Organisationen für die freundliche Unterstützung. Die Autoren tragen die alleinige Verantwortung für die in dieser Veröffentlichung dargestellten Schlussfolgerungen und Ergebnisse.

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