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20. Juni 2018

«Agrarinfo» zur Trinkwasserinitiative

Die Meinungen sind gemacht, die Lager geteilt

Eigentlich wollte man an der «Agrarinfo»-Veranstaltung von Mitte Juni über «Wasser – Landwirtschaft, Industrie, Tiere und wir» diskutieren. Im Zentrum des Anlasses stand aber die «Trinkwasserinitiative» und ihre Initianten, Befürworter und Gegner.
  

Franziska Herren, Initiantin der «Volksinitiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» stellte noch einmal klar: «Die heutige intensive Landwirtschaft der Schweiz bringt riesige Mengen an Pestiziden, Antibiotika und Düngemitteln direkt in der Landwirtschaft aus und beeinträchtigt damit jeden Tag von Neuem die Qualität unseres Trinkwassers und unserer Nahrung.»

Grenzwerte überschritten

Ziel ihrer Initiative, so Franziska Herren, sei es deshalb Subventionen nur solchen Betrieben zu geben, die pestizidfrei produzieren, die Biodiversität erhalten, keine prophylaktischen Antibiotika einsetzen und einen Tierbestand haben, der mit dem auf dem Hof produzierten Futter ernährt werden kann. Und auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung, Ausbildung sowie Innovationshilfen, so die Initiantin, sollten künftig nur noch finanziell unterstützt werden, wenn sie die neuen Auflagen berücksichtigen. «Denn all dies», so Franziska Herren, «sind die wichtigsten Voraussetzungen, dass die Landwirtschaft sauberes Trinkwasser gewährleisten und gesunde Nahrung für uns produzieren kann.»

Im weiteren Verlauf ihrer Präsentation ging die Initiantin auch auf Ammoniakemissionen, den Verlust der Biodiversität und auf die Pestizide im Trinkwasser ein. In der Schweiz, so war zu erfahren, würden pro Jahr über 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel eingesetzt, über 85 Prozent davon in der Landwirtschaft, der Rest in Verkehrsinfrastrukturen wie zum Beispiel den Geleisen der SBB oder in Haus und Garten. «Seit Jahren», so Franziska Herren, «werden dadurch in vielen Gewässern die gesetzlichen Grenzwerte überschritten, sogar im Grundwasser, aus dem 80 Prozent unseres Trinkwassers stammen!»

Landwirtschaft in Grundfesten erschüttert

Völlige Ablehnung erfährt die «Trinkwasserinitiative» erwartungsgemäss vom Schweizerischen Bauernverband (SBV), wie deren Präsident, CVP-Nationalrat Markus Ritter, einmal mehr an der Veranstaltung in Bern deutlich machte: «Diese Initiative hat nur wenig mit Trinkwasseranliegen, dafür umso mehr mit Agrarpolitik zu tun.» Gesamthaft gesehen werde die Initiative die Landwirtschaft wohl «in ihren Grundfesten erschüttern», aber dies nicht im  positiven Sinne: Die Kosten für Lebensmittel in der Schweiz würden bei einer Annahme der Initiative steigen, die Importe aus dem Ausland zunehmen und eine marktwirtschaftliche Landwirtschaft, wie sie heute existiere, sei nicht mehr möglich. Vieles, das die Initiative fordere, so Markus Ritter weiter, werde heute in der Schweizer Agrarpolitik, zum Beispiel mit dem «Aktionsplan Pflanzenschutz» und seinen über 50 Massnahmen oder dem «Ökologischen Leistungsnachweis» (ÖLN) schon realisiert und vieles werde in Zukunft noch passieren. «Wir nehmen die Anliegen der Trinkwasserinitiative ernst», meinte Markus Ritter, «aber sie ist ganz einfach zu extrem und schiesst über das Ziel hinaus. Viel besser ist es, die Aktionspläne des Bundesrates weiter umzusetzen.»

Mehrheitlich erfüllt

Eher gleicher Meinung wie der SBV ist Olivier Félix, Leiter des Fachbereichs Pflanzenschutz beim Bundesamt für Landwirtschaft: Er ging an der Agrarinfo-Veranstaltung in Bern ebenfalls auf den «Aktionsplan Pflanzenschutzmittel», aber auch auf die Situation rund um das Trinkwasser in der Schweiz ein: «Die gesetzlichen Auflagen und Anforderungen an das Trinkwasser werden grossmehrheitlich schon heute erfüllt», meinte der Experte. Lediglich einzelne Rückstände von Pestiziden würden in Lebensmitteln gefunden. «Doch die gesundheitlichen Risiken sind hier gering», erklärte Olivier Félix. Unter den Verunreinigungen durch Pflanzenschutzmittel zu leiden, hätte viel eher die Umwelt, zum Beispiel kleine Oberflächengewässer, die zum Teil hohe Konzentrationen an Pestiziden und deren Abbauprodukte aufwiesen, die für Kleinorganismen schädlich seien. Neue Vorschriften zur Reduktion der sogenannten Abschwemmung würden hier schon Besserung versprechen und auch die Einträge der Pflanzenschutzmittel in die Oberflächengewässer «vom Hof» habe man im Auge und kotrolliere sie regelmässig. So habe man für ein besseres Monitoring erst kürzlich in der Schweiz über zwei Dutzend neue Langzeitmessstellen eingerichtet.

Geteilter Meinung

Im wahrsten Sinne des Wortes geteilter Meinung über die Trinkwasserinitiative ist man in der Industrie und in Konsumentenkreisen: So unterstützt die Féderation romande des consommateurs (FRC). eine der grössten Verbraucherschutzorganisationen der Westschweiz, das Volksbegehren von Franziska Herren «grundsätzlich», wie Sophie Michaud Gigon, die Geschäftsführerin der FRC bekannt gab: «Die Initiative trägt viel zur Diskussion und zur Debatte um ein gutes und sauberes Trinkwasser in der Schweiz bei und das ist ihr hoch anzurechnen.»

Kritisch steht hingegen der verarbeitende Sektor dem Volksbegehren gegenüber, wie Urs Reinhard, Co-Geschäftsführer der Föderation der Schweizerischen Lebensmittelindustrien (Fial) ausführte: «Der Anbau und die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Gütern würde in der Schweiz bei einer Annahme der Initiative wohl zurückgehen. Und wir als verarbeitende Industrie wären vermehrt auf Importe angewiesen.»

Fair und konstruktiv

«Wir haben zwar offiziell noch keine Parole gefasst», sagte schliesslich Andreas Bosshard, Geschäftsführer des Vereins Vision Landwirtschaft, «doch wir unterstützen die Trinkwasserinitiative schon heute in fachlicher Hinsicht. Sie leistet einen grossen Beitrag an eine grundsätzliche Diskussion rund um die nationale Landwirtschaft.» Der Reformbedarf punkto Agrarpolitik sei sehr gross und die Initiative greife hier viele Punkte auf, die beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz im Argen lägen. «Wir bedauern zudem sehr, dass der Bundesrat weder einen eigenen Gegenvorschlag unterbreitet hat, noch sich wirklich dafür einsetzt, dass im Parlament ein indirekter Gegenvorschlag ausgearbeitet wird», sagte Andreas Bossard: «Ich hoffe, hier finden sich noch Allianzen mit anderen Institutionen und Organisationen, um in dieser Richtung etwas bewirken zu können.»

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