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Fachartikel
16. Januar 2020

Interview mit Ferdinand Reng

«Besonders Stagnation sollte man vermeiden»!

Hydranten sind bei Bränden wichtige Zapfstellen für Löschwasser, aber im Alltag auch ein wesentlicher Teil der Wasserversorgung. Wir haben uns mit Ferdinand Reng, dem Baselbieter Trink- und Badewasserinspektor, über Probleme und Konflikte im Umgang mit Hydranten unterhalten.
  

Ferdinand Reng, was schätzen Sie: Wie viele Hydranten gibt es in der ganzen Schweiz?

Wie viele es schweizweit sind, ist schwierig zu sagen. Die Feuerwehr Koordination Schweiz (FKS) gibt die Richtlinie «Versorgung mit Löschwasser» heraus und kantonale Fachstellen wie Feuerwehr-Inspektorate machen ebenfalls Vorgaben. Die Richtlinien regeln unter anderem in welchen Abständen und mit welchen Leistungen Hydranten aufgestellt werden müssen. Daraus leitet sich die Anzahl Hydranten ab. Was ich sagen kann: Etwa drei Viertel davon stehen in Städten und rund ein Viertel in ländlichen Regionen.

Was sind da die häufigsten Konflikte und Probleme im Umgang mit Hydranten aus Sicht der Wasserversorger?

Probleme ergeben sich meistens bei unberechtigtem Wasserbezug zu den unterschiedlichsten Zwecken. Hierbei kann es zu Rückstössen in das Versorgungnetz oder gar zu Leitungsbrüchen kommen. Das passiert zwar selten, aber die Folgen sind dann meist für den Brunnenmeister gravierend. Eine Entkoppelung von Brauch- und Trinkwassernutzung wäre aus hygienischer Sicht zwar wünschenswert, ist aber aus technischer und wirtschaftlicher Sicht nicht machbar.  

Wo bestehen denn die Risiken für die öffentliche Wasserversorgung? Haben Sie Beispiele?

Das grösste Risiko für die öffentliche Wasserversorgung geht von der unsachgemässen Handhabung des Hydranten aus, zum Beispiel beim Bezug von Löschwasser- oder Brauchwasser. Besonders kritisch sind der Bezug für die Landwirtschaft oder die Wasserversorgung von Baustellen, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen fehlen. Die W5 des SVGW vom Oktober 2018, die «Richtlinie für Löschwasser», verlangt deshalb bei jedem Bezug ab Hydranten einen Rückflussverhinderer. Dieser muss der Brunnenmeister unmittelbar am Hydranten montieren. Obwohl in den Gemeinden die Reglemente der Wasserversorgung verlangen, dass jeder Bezug ab Hydrant anzumelden ist, sieht die Realität oft anders aus – leider!

Wie erfährt der Trinkwasserinspektor denn von solchen Missständen?

Manchmal nur über Umwege! Trinkwasser wird in der Schweiz nach Lebensmittelrecht sehr streng kontrolliert. Die Wasserversorger haben die Pflicht zur Selbstkontrolle und erheben regelmässig Trinkwasserproben im Versorgungsnetz. Da kann dann schon mal eine unerwünschte Verkeimung auffallen, die vielleicht ursächlich auf einen ungesicherten Bezug ab Hydrant zurückzuführen ist.

Gibt es weitere hygienische Probleme mit Hydranten, an die man nicht sofort denkt?

Ja, klar, das Stagnationswasser in der Anschlussleitung oder Restwasser im Oberflurhydranten erwärmt sich im Sommer sehr stark und es kommt in diesem Bereich zur Aufkeimung. Weitere begünstigende Faktoren für Keimwachstum sind das Spindelfett und die Elastomer-Dichtungen, die mit dem Wasser in Kontakt kommen. Aus diesem Grunde sind Wasserproben ab Hydrant zur Kontrolle der mikrobiologischen Trinkwasserqualität nicht zu empfehlen.

An welche Keime denken sie dabei im Speziellen?

Zu den kritischen Mikroorganismen, die sich gerne in diesen Nischen einnisten, zählt vor allem Pseudomonas aeruginosa. Wir haben dieses Bakterium zum Beispiel im Zusammenhang mit der Beprobung neu verlegter Leitungen und Hydranten nachgewiesen. Pseudomonaden gelten als anspruchslos und als äusserst widerstandsfähige Pfützenkeime. Sie tauchen überall in der Umwelt auf und können bei unsachgemässem Handling in das Versorgungsnetz eingetragen werden. Und haben sich Pseudomonaden in einem Wassersystem erst einmal eingenistet, sind sie nur noch mit grossem Aufwand zu eliminieren, da sie eine hohe Chlorresistenz aufweisen.

Haben Sie Tipps für die Wasserversorger betreffend Umgang mit Hydranten und Hygiene?

Das Sprichwort «Wasser muss fliessen» gilt für alle Bereiche der Wasserversorgung. Stagnation gilt es zu vermeiden! Werden Hydranten regelmässig gespült, gewartet und das Wasser kontrolliert bezogen, gehen von ihnen keine Risiken für die kommunalen Netze der Trinkwasserversorgung aus. Zum Schutz vor unerlaubtem Zugriff bietet auch die Industrie mittlerweile Lösungen im Bereich der Hydrantensicherung an, die gut funktionieren.

Kurzbiographie

Ferdinand Reng ist seit April 2007 Trinkwasserinspektor des Kantons Basel-Landschaft. In dieser Funktion ist er zuständig für die Wasserversorgungen, Schwimmbäder und neuerdings auch für Einrichtungen der Warmwassersysteme im öffentlichen Bereich (Gebrauchsgegenstand Duschwasser nach TBDV). Der heute 57-jährige hat unter anderem eine Ausbildung im Bereich Hygienetechnik und ein Fernstudium als Umweltberater absolviert. Vor seinem Wechsel in die Schweiz hat er 18 Jahre lang im Gesundheitsamt Lörrach im Bereich Infektions- und Gesundheitsschutz gearbeitet.

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Kommentare (1)

Markus Graf, Thürnen BL am 21.01 2020 um 07:32

Interview mit F. Reng, 16.01.2020

Aus dem Interview: " ... Weitere begünstigende Faktoren für Keimwachstum sind das Spindelfett und die Elastomer-Dichtungen, die mit dem Wasser in Kontakt kommen. Aus diesem Grunde sind Wasserproben ab Hydrant zur Kontrolle der mikrobiologischen Trinkwasserqualität nicht zu empfehlen." Meine Fragen dazu: Werden in der Wasserversorgung auch nicht-trinkwassergeeignete Materialien verwendet? Müsste dann nicht erst recht die Wasserqualität überwacht/überprüft werden?

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