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Fachartikel
29. Februar 2024

Tagung «Verbrennungsforschung in der Schweiz»

Verbrennung neu gedacht

Verbrennungsprozesse werden gern mit schmutzigen Abgasen assoziiert, und seit der Klimadiskussion auch noch mit schädlichen Treibhausgas-Emissionen. Dabei gibt es durchaus auch saubere und klimaneutrale Verbrennungsvorgänge. Die Forschung arbeitet gegenwärtig fieberhaft an zukunftsweisenden Lösungen. Das zeigte die diesjährige Tagung zur Schweizer Verbrennungsforschung Anfang Februar in Zürich.
Benedikt Vogel 

Die Luftfahrt steht wegen ihrer Treibhausgas-Emissionen im Fokus der Klimadebatte. Als Ausweg wird der Ersatz des fossilen Energieträgers Kerosin beispielsweise durch Wasserstoff diskutiert. Diesem Zweck dient unter anderem das von der Europäischen Union mit 80 Mio. Euro geförderte Projekt HYDEA. Das Konsortium will die Realisierbarkeit des Wasserstoffantriebs an einem Flugzeugtriebwerk in einem kompakten Zeitrahmen (2023–2026) bis hin zum Bodentest umfassend demonstrieren. Dafür sollen die Gasturbinen, die die Flugzeuge bisher antreiben, mit Wasserstoff anstelle von Kerosin befeuert werden. Der Wasserstoff, so die Idee, kann mit erneuerbarem Strom mittels Elektrolyse gewonnen werden. Damit kämen die Flugzeuge zukünftig ohne fossile Treibstoffe aus.

An HYDEA sind Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz beteiligt. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich sind am Lehrstuhl von Professor Nicolas Noiray zwei Projekte in Arbeit. Das eine zielt darauf ab, dass der sehr reaktive Wasserstoff (H2) kontrolliert und ohne Instabilitäten zu verursachen verbrennt. Das zweite will beim Verbrennungsprozess den Ausstoss von Stickoxiden (NOx) minimieren.

Wasserstoff in Gaskraftwerken

Der Energieträger Wasserstoff und sein Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung standen im Zentrum der diesjährigen Tagung zur Schweizer Verbrennungsforschung. Die Veranstaltung findet alle zwei Jahre mit BFE-Unterstützung an der ETH Zürich statt. Erneuerbarer Wasserstoff soll nicht nur den Flugverkehr klimafreundlich machen, er könnte künftig auch in der Stromproduktion und der Industrie eingesetzt werden. In der Schweiz ist zu diesem Zweck eine nationale Wasserstoffstrategie in Arbeit, die der Bundesrat noch in diesem Jahr beschliessen will.

Deutschland diskutiert zur Sicherung der Energieversorgung den Bau neuer Gaskraftwerke, die mit Wasserstoff betrieben werden können. Im Gespräch ist ein Kraftwerkpark mit einer Leistung in der Grössenordnung von mehreren Kernkraftwerken. Auch wenn gegenwärtig noch nichts beschlossen ist, so könnten solche Kraftwerke doch einen wichtigen Schritt in Richtung Dekarbonisierung darstellen. Die Kraftwerkbranche setzt alles daran, der politischen Erwartungshaltung gerecht zu werden, indem sie wasserstofffähige Gaskraftwerke entwickelt. «Aktuell können unsere einstufigen Gasturbinen Erdgas mit einem Anteil von 40% Wasserstoff nutzen, unsere zweistufige GT36 sogar bis zu 70%», sagte Andrea Ciani, Wasserstoff-Experte beim italienischen Kraftwerkskonzern Ansaldo Energia (Standort Baden). «Wir arbeiten in einem von der Schweiz und der EU geförderten Forschungsprojekt darauf hin, einen Prototypen der sequenziellen zweistufigen GT36-Brennkammer bis 2026 mit reinem Wasserstoff betreiben zu können.»

Wasserstoff soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schrittweise das bisher eingesetzte Erdgas (Methan, CH4) als Brennstoff ablösen. Daher müssen die Hersteller Gasturbinen entwickeln, die mit 0 bis 100% Wasserstoff betrieben werden können. «Um unsere Gasturbinen für Wasserstoff fit zu machen, ist die Zusammenarbeit mit akademischen Verbrennungsforschern sehr wichtig», betonte Layal Hakim, Verbrennungsexpertin bei GE Vernova, der verselbständigten Energiesparte des US-Konzerns General Electric. Die Verbrennungsforschung widmet sich einem Bündel von Fragestellungen rund um die Stabilität der Verbrennung oder die Vermeidung von Flammrückschlägen des überaus reaktiven Wasserstoffs. Gefragt sind experimentelle Daten und Modelle, die die Verbrennungsprozesse adäquat beschreiben.

«Meistunterschätzter» Energieträger DME

Wasserstoff ist in aller Munde – aber längst nicht der einzige Kandidat für eine nachhaltige Treibstoff-Versorgung. Potenzial haben auch Methan, Methanol, Ammoniak und DME (Dimethylether, CH3-O-CH3). Patrik Soltic und sein Team forschen an der Empa zusammen mit dem Industriepartner FPT Motorenforschung AG an einem effizienten und sehr schadstoffarmen Motor für DME. Für Soltic ist DME der «politisch und ökonomisch möglicherweise meistunterschätzte Energieträger». Obwohl wenig bekannt, habe er zahlreiche Vorzüge: Anders als Wasserstoff muss er für Lagerung und Transport nicht tiefgekühlt werden und er hat eine höhere Energiedichte. DME könne, so führte Soltic aus, an windreichen oder sonnigen Standorten hergestellt, in die Schweiz transportiert und hier (direkt oder rückverwandelt in Wasserstoff) energetisch genutzt werden.
Ein weiterer möglicher Treibstoff der Zukunft ist Ammoniak (NH3). Dieser wird in der Schweiz unter anderem in Windisch an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erforscht. Wie DME lässt sich Ammoniak relativ einfach transportieren, es kann erneuerbar hergestellt werden und enthält keinen Kohlenstoff. FHNW-Professor Kai Herrmann berichtete in Zürich über die Versuche am optischen Prüfstand Flex-OeCoS. Diese zielen unter anderem darauf ab, durch Zugabe geringer Mengen von Wasserstoff (über einen Reformer direkt aus NH3 gewinnbar) die Zündwilligkeit und Reaktivität des vergleichsweise trägen Stoffs zu beschleunigen. Ein weiteres Forschungsziel besteht in der Verminderung von klimaschädlichen Emissionen von Lachgas (N2O) im Zuge der Verbrennung.

Entwickler stehen unter Zeitdruck

Der Kampf gegen den Klimawandel ist dringend. Die Öffentlichkeit wartet auf Lösungen, und dies möglichst schnell. German Weisser von der Schiffsmotoren-Entwicklerin WinGD (Winterthur) machte in Zürich deutlich, dass Motoren unter grossem Zeitdruck entwickelt werden müssen. «Durch neue regulatorische Vorgaben und durch die Nachfrage unserer Kunden stehen wir unter grossem Druck, in kürzester Zeit Schiffsmotoren zu entwickeln, die mit nachhaltigen Treibstoffen wie Methanol oder Ammoniak betrieben werden können», so Weisser.
So gross der politische Druck auch sein mag: Forschung braucht Zeit, denn es gilt, mitunter komplexe Fragestellungen rund um Verbrennungsprozesse zu lösen, wie die Zürcher Tagung an exemplarischen Fragestellungen zeigte. Empa-Doktorand Michelangelo Balmelli berichtete über seine Forschung zu Brennverfahren für effiziente Wasserstoffmotoren. Er stellte anschaulich dar, dass sich ein Wasserstoff-Strahl an der Peripherie anzünden und anschliessend diffusionsgesteuert, ähnlich einem Dieselstrahl, verbrennen lässt. Professor Oliver Kröcher, um ein zweites Beispiel zu geben, erarbeitet am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen Grundlagen für die spätere Entwicklung eines Abgasreinigungssystems für Ammoniak-Motoren. Er setzt die Stoffgruppe der Zeolithen ein, um das klimaschädliche Lachgas (N2O) sowie Stickoxide (NOx) aus dem Verbrennungsgas zu entfernen.

Grosse Bedeutung neben der Elektrifizierung

Die Erforschung nachhaltiger Brenn- und Treibstoffe bringt viele Ansätze hervor, die bei der Dekarbonisierung des Verkehrs in der Luft, auf dem Wasser und zu Land beitragen könnten. «Neben der Elektrifizierung des Verkehrs dürften in Zukunft nachhaltige Brenn- und Treibstoffe eine grosse Bedeutung haben, auch wenn die Einsatzgebiete heute noch nicht im Einzelnen absehbar sind», erklärte Stephan Renz, der das BFE-Forschungsprogramm «Verbrennungsbasierte Energiesysteme» leitet.

Informationen zum BFE-Forschungsprogramm «Verbrennungsbasierte Energiesysteme»

Auskünfte zu den BFE-geförderten Forschungsprojekten erteilt Stephan Renz (info@renzconsulting.ch), externer Leiter des BFE-Forschungsprogramms Verbrennungsbasierte Energiesysteme.

Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Verbrennung sind unter
www.bfe.admin.ch/ec-verbrennung zu finden.

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