Im Rahmen der Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr erfährt Wasserstoff (H2) als Energieträger zunehmend Bedeutung. Die grösste Herausforderung bei der Umsetzung besteht in der Herstellung von CO2-neutralem Wasserstoff, dem sogenannt grünen Wasserstoff, der ausschliesslich mit erneuerbaren Energien erzeugt wird.
Pionierarbeit wird derzeit im Kanton Jura geleistet. Dort ist nicht nur eine Anlage zur Produktion von grĂĽnem Wasserstoff geplant, auch die erste Niederdruck-Wasserstoff-Pipline wird dort verlegt. Sie wird ab Mitte 2026 die H2-Produktionsanlage mit den Industrieverbrauchern verbinden (Fig. 1).
Die im Juni 2021 gegrĂĽndete Firma H2 Bois SA, ein Gemeinschaftsunternehmen der Groupe Corbat und des BĂĽros Planair, strebt im Jura die Realisierung der ersten Anlage zur Produktion von grĂĽnem Wasserstoff aus Holz in der Schweiz an (Fig. 2 und 3). Das zugrundeliegende Prinzip besteht in der Aufspaltung von Holz in Kohlenstoff- und WasserstoffmolekĂĽle mittels eines Thermolyse-Prozesses.
Dieser lokal und nachhaltig produzierte grüne Wasserstoff stösst bei den regionalen Akteuren – insbesondere bei der Industrie – auf grosses Interesse. Bisher stand lediglich grauer Wasserstoff mit stark negativer CO2-Bilanz zur Verfügung.
Seit Anfang 2025 ist die Romande Energie als Minderheitsaktionärin an der H2 Bois SA beteiligt. Die Energieversorgerin verfolgt das Ziel, wichtige Akteurin der Dekarbonisierung zu werden.
Die Herstellung von grünem Wasserstoff mit Abfallprodukten aus der Forst- und Holzwirtschaft kann einen wertvollen Beitrag leisten, um das gesetzte Netto-Null-Ziel des Bundes zu erreichen (Fig. 3). In den Schweizer Wäldern gibt es gegenwärtig einen Überschuss an Holz. Dieser besteht hauptsächlich aus minderwertigem Holz, das in den Sägewerken nicht verwertet werden kann. Langfristig könnte das Verfahren auch Altholz wie alte Bahnschwellen verwerten [1].
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Aufgrund ihrer 50-jährigen Expertise im Bereich des Rohrleitungs- und Anlagenbaus sowie ihrer neuen strategischen Ausrichtung als H2-Systemintegrator wurde die Schweizer Firma INRAG AG mit der Planung und Realisierung des Wasserstoffverteilungsnetzes im Jura beauftragt.
Von der geplanten Anlage zu den Verbrauchern im Industriegebiet verläuft die Wasserstoffrohrleitung teilweise parallel zur Bahnlinie. Um die daraus resultierende Problematik vagabundierender Bahnströme einfach zu lösen, hat sich INRAG für eine Ausführung in Kunststoff entschieden – Metallrohre hätten eine galvanische Trennung bedingt. Zusammen mit dem Partner Soluforce [2] wurde ein 400 m langes Teilstück der ersten PE-Wasserstoff-Leitung in der Schweiz im November 2024 erfolgreich im Erdreich verlegt. Im Endausbau wird die Rohrleitung eine Länge von 1200 m haben und Wasserstoff mit einem Druck von 5 bar transportieren. Die verwendeten PE-Rohre (4 Zoll, DN 100) in hoher Wandstärke sind zertifiziert und bieten folgende Vorteile:
Die Verteilerbauwerke aus Beton (Fig. 4) wurden bereits im Erdreich errichtet. Der 400-m-Abstand zwischen den Bauwerken entspricht exakt der Länge der PE-Rohrleitung auf einer angelieferten Trommel (Fig. 5). Die H2-Rohrleitung kann folglich ohne Verbindungsstellen (wartungsfrei) im Erdreich verlegt werden. Die Bauwerke sind ausreichend dimensioniert, um Abzweigungen (Fig. 6) zu den zukünftigen Verbrauchern und Armaturen aufzunehmen. Diese werden dann in vorgeschriebenen Wartungsintervallen durch eine einfache Begehung kontrolliert.
Mit zum Auftrag der INRAG AG gehören die Steuerungstechnik sowie sämtliche sicherheitsrelevante Bauteile.
Die Fertigstellung dieser ersten H2-PE-Rohrleitung in der Schweiz wird parallel zum Bau der Holz-Pyrolyse-Anlage zur Wasserstoffproduktion erfolgen. Bei diesem letzten Bauabschnitt werden auch die Armaturen und das gesamte Automationssystem mit der dazugehörigen Software installiert und in Betrieb genommen.
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