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30. August 2022

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Heiliger Mist

Obwohl seit 1998 mit Artikel 62a des Gewässerschutzgesetzes substanzielle Mittel in Massnahmen der Landwirtschaft zur Senkung von übermässigen Gewässerbelastungen durch Nitrat, Phosphor und Pflanzenschutzmittel fliessen, ist die Verunreinigung des Grundwassers mit Nährstoffen kaum zurückgegangen. Gleichzeitig werden alle konkreten Massnahmen, die den Einsatz von Gülle und Dünger reduzieren wollen, im Parlament torpediert.

Der aktuelle Bericht des BAFU «Gewässer in der Schweiz» ist ernüchternd: Vor allem das Grundwasser im dicht besiedelten Mittelland ist weiterhin grossflächig mit Nitrat und Pestizidmetaboliten belastet. In überwiegend von Acker- und Gemüsebau geprägten Gebieten wird der Grenzwert an über der Hälfte der Messstellen überschritten. Der Bericht bestätigt einmal mehr, dass die Belastung des Grundwassers auf die intensive Landwirtschaft zurückzuführen ist.

Seit über 20 Jahren versucht der Gesetzgeber, die Landwirtschaft mit einem finanziellen Anreizsystem dazu zu bewegen, ihre Nährstoffverluste zu reduzieren und die gesetzlichen Vorgaben zur Nitratbelastung des Grundwassers einzuhalten. Wie es aussieht leider mit wenig Erfolg. Gülle und Dünger scheinen in der Schweiz heilig zu sein. Konkrete Massnahmen und quantifizierte Ziele zur Reduktion der Nährstoffverluste werden im Parlament konsequent bekämpft. Während sich bei der Verabschiedung der Pa. Iv. 19.475 «Das Risiko beim Pestizideinsatz reduzieren» das Parlament noch einig war, dass auch für Nährstoffverluste ein Absenkpfad nötig ist, wird der konkrete und aus Sicht des SVGW wenig ambitionierte Vorschlag des Bundesrates (minus 20% bis 2030 für Nitrat) nun mit einer Motion bekämpft, obschon auch dieses Ziel wiederum über freiwillige Massnahmen erreicht werden soll, die zudem mit Direktzahlungen subventioniert werden.

Damit die Wasserversorger die Bevölkerung und die Wirtschaft – darin eingeschlossen die Landwirtschaft – auch künftig mit genügend und qualitativ einwandfreiem Trinkwasser versorgen können, müssen wir unseren Wasserressourcen Sorge tragen. Dazu braucht es auf allen Ebenen ein Umdenken. So wie bei Trockenheit von der Bevölkerung verlangt wird, mit Trinkwasser sorgsam umzugehen, darf auch von der Landwirtschaft erwartet werden, sich für den Schutz der Gewässer einzusetzen. Es darf nicht sein, dass der Ertrag auf Kosten unserer natürlichen Ressourcen maximiert wird, denn ohne eine intakte Umwelt ist auch keine Landwirtschaft möglich. Nur wenn die Landwirtinnen und Landwirte ihre Verantwortung wahrnehmen, werden nachfolgende Generationen von weitgehend unbelasteten Ressourcen profitieren können.

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Kommentare (4)

Marianne Bodenmann am 09.09 2022 um 08:40

Kommentare Schellenberg und Kamer

Oh je! Die Agronomen und Tierschutzorganisationen sind Schuld! Ich bin Agronomin, gehöre also zu den Schuldigen. Was hier von den Herren Schellenberg und Kamer vertreten wird, das hat ab und zu einen Kern Wahrheit, ist aber gespickt mit Lobbyarbeit (konventionelle Landwirtschaft und Trinkwasser) und gibt den Blick nicht frei für die heutige Lage der Schweizer Landwirtschaft und der Landwirtschaft im Rest der Welt - für Lösungen, die zukunftsfähig sind. Die landwirtschaftliche Produktion existiert nicht für sich allein, sondern ist angewiesen auf eine gesunde Umwelt und gesunde Tiere. Die Verschmutzung der Gewässer und des Grundwassers ist nur ein Problem und es ist dringend nötig, dass wir all diese Probleme angehen, und zwar nicht in ferner Zukunft oder am Nimmerlingstag, sondern sofort. Wie Martin Sager schreibt, werden konkrete Massnahmen im Parlament torpediert. Das muss sich ändern!!!!

Dieter Schellenberg am 06.09 2022 um 11:26

Trinkwasserschutz vs Landwirtschaft vs Konsumgesellschaft

Zu einfach und zu kurzsichtig ist es, die Schuld immer der Landwirtschaft zuzuschieben. Natürlich ist sie es, die direkt mit den Belastungen verbunden ist. Produziert wird aber, was konsumiert wird und im Bereich der Bio-Produkte befindet sich der Absatz noch immer im tiefen zweistelligen, je nach Produkt sogar im einstelligen Prozent-Bereich. Weiter sind ja auch die Direktzahlungen einem Grossteil der Bevölkerung ein Dorn im Auge und dürfen nicht erhöht, sondern müssten stark reduziert oder ganz gestrichen werden. Aber richtig, sauberes Wasser ist lebenswichtig! Es ist ein Spagat, den Volk, Politik und (Land-)Wirtschaft vollbringen müssen. Wenn aber Grossbanken, Airlines u.w. sogenannt Systemrelevant oder "to big to fail" sind und mit Millionen oder Milliarden gestützt werden müssen, warum ist es dann nicht auch die landeseigene Grundversorgung mit Lebensmitteln? Die eigene Landwirtschaft weiter einschränken, deren Produktivität senken ohne reelle Alternativen oder Änderungen im Konsumverhalten heisst, mehr Importe aus dem Ausland. Somit ergibt sich lediglich eine geografische Verschiebung des Problems. Zum Glück sind da die Produktionsbedingungen aber nicht mehr unser Problem, wir trinken ja nicht deren Wasser. In der (überall hör- und lesbar) bevorstehenden Krisenzeiten müsste doch eigentlich ein grundsätzlicher Wandel spürbar werden. Leider sind wir aber immer noch blind unterwegs...
Heiri Kamer am 06.09 2022 um 15:20

Landwirtschaft Gülle Dünger

Geschätzter Hr. Schellenberg Sie haben im Grundsatz recht. Es sind nicht die Bauern Schuld sondern die Agronomen und Tierschutzorganisationen. Diese Maßnahmen und Forderungen haben dazu geführt, dass Schweizweit bald 90% der Tiere in Freiställen lebt. Dass diese Haltung Stress für die Tiere ist und extrem viel Gülle produziert ist fakt. So müssen sich Landwirte mit Ihrem Anbinde System , welche auch die Tiere in den Auslauf lassen und eben Mist produziert (analog Kompost, welcher ja fehlt für die Humus pflege) immer mehr rechtfertigen für Ihre Stallhaltung . Die Agronomen haben und es wird immer noch an den Landw. Schulen eingetrichtert, die Gülle forciert und ebenso den Synthetischen Dünger hochgepriesen, welches die Wiesen immer mehr auslaugt und die Humusschicht verringert ! Die Humusschicht, welche wie ein Filter wirkt hat in den letzten Jahren bis zu 25% abgenommen. Aber welches Amt hat nun den Mut dies zu korrigieren? Es gibt Bauern die wollen zum Mist umkehren, können aber die Investition welche mittels Laufställen angefallen ist, nicht schon wieder tätigen! Wann hört die Einmischung in die Landwirtschaft auf ? Wann lassen wir die Bauern wieder Ihren Job machen, welchen Sie gerne mit der Natur machen? Nur schon der Blödsinn die Gülle mit dem Schleppschlauchsystem auszubringen, gibt mehr Bodendruck und zermalmt den Humus noch mehr. Wer Mist ausbringt, das weiß auch der Gemüsegärtner, der kann Ernten! Der Mist hätte gefördert werden müssen und nicht die Gülle!

Hanspeter Reber am 05.09 2022 um 13:48

Trinkwasserschutz

Es wird eine Zeit kommen,da wird sauberes Trinkwasser ähnliche Preissteigerungen erfahren wie heute beim Strom.Grund: Eine Mehrheit der Menschen ist blind und sieht nicht,dass das Wasser besser geschützt werden müsste. Bedenkt, ohne sauberes Wasser KEIN LEBEN.

Marianne Bodenmann am 05.09 2022 um 10:06

Grundwasser/Trinkwasserschutz

Vielen Dank Herr Sager, dass Sie Klartext kommunizieren. Es ist unglaublich wie stark und erfolgreich die Landwirtschaftslobby ist und wie wenig unsere Ressourcen geschützt sind. Wäre es wieder einmal an der Zeit, diese Informationen nicht nur im "Blog" des SVGW, sondern auch in den Medien zu verbreiten?

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