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27. Februar 2023

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Pragmatische Optionen nicht ausschliessen

Der Bundesrat sieht in seiner Wärmestrategie 2050 erneuerbare Gase und synthetische Brennstoffe primär in der Prozesswärme und für die Spitzenlastdeckung vor. Das ist zu hinterfragen, da erneuerbare Gase wie Biogas und Wasserstoff schon heute in der bestehenden Infrastruktur als Ersatz für Erdgas eingesetzt werden könnten. Der Bundesrat verbaut sich ohne Not pragmatische Optionen.

Die Schweiz kann die Klimaziele nur mit der Dekarbonisierung des Wärmebereichs erreichen. 50 Prozent des Energieverbrauchs wird hierzulande für Raum- und Prozesswärme, Warmwasser sowie Klimatisierung und Prozesskälte verwendet, was für über 35 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Wohnungen und Bürogebäude werden heute mehrheitlich mit Öl und Gas beheizt. Der Bundesrat sieht in seiner Energiestrategie 2050 vor, diese Wärme zukünftig fast ausschliesslich mit Fernwärme und elektrisch mittels Wärmepumpen abzudecken. Gelingen soll das einerseits mit einer Reduktion des Energieverbrauchs durch die energetische Sanierung von Gebäuden und andererseits mit einem massiven Ausbau der Fernwärme.

Es ist zu hinterfragen, warum der Bundesrat in seiner Strategie erneuerbare Gase, wie Biogas, Wasserstoff und synthetische Brennstoffe fast ausschliesslich für Hochtemperatur-Prozessen und die Spitzenlastdeckung in Wärmenetzen vorsieht. Begründet wird dies damit, dass das Potential an Biomasse in der Schweiz und im Ausland beschränkt sei und es bei der Herstellung von Wasserstoff und den synthetischen Nachfolgeprodukten zu hohen Umwandlungsverlusten komme. Dabei ist in der Schweiz das Potential zur Nutzung von Biomasse bei weitem nicht ausgeschöpft. So werden heute lediglich 5 Prozent des verfügbaren Hofdüngers energetisch genutzt. Theoretisch könnten pro Jahr bis zu 14 TWh Energie aus Hofdünger nachhaltig produziert werden wovon rund 7,5 TWh realistisch nutzbar wären. Richtig ist, dass bei der Erzeugung von Wasserstoff Umwandlungsverluste zu Buche schlagen. Gleichzeitig birgt die Speicherung von Wasserstoff als molekularer Energieträger ein riesiges Potential, um erneuerbare Energie vom Sommer in den Winter zu übertragen. Wenn Solar und Windkraft im Sommer mehr Strom erzeugen, als benötigt wird, spielen die Umwandlungsverluste nur eine geringe Rolle. Falls sich der Bund dank der günstigen geographischen Lage der Schweiz als Teil des Rückgrates der Wasserstofftransportinfrastruktur in Europa positioniert und dies auch fördert, stehen die Chancen sehr gut, mittelfristig Zugang zu grossen Mengen an Wasserstoff zu erhalten. Heute die Weichen über Einsatzbereiche erneuerbarer Gase zu stellen und dabei Nutzungen explizit auszuschliessen, verbaut uns Chancen im sich entwickelnden erneuerbaren Energiesystems, bei dem heute keiner sagen kann, welche «erneuerbaren» Moleküle und Elektronen in welchen Mengen wann zur Verfügung stehen werden.

Mit Fernwärme und mittels elektrischer Wärmepumpen allein wird die Dekarbonisierung des Wärmebereiches kaum gelingen. Auch Geothermie als Wärmequelle ist nicht überall sinnvoll und birgt zudem ökologische Risiken für das Grundwasser und damit unsere wichtigste Trinkwasserressource. Technologieoffenheit muss das Credo der Stunde sein. Wir werden jeden verfügbaren erneuerbaren Energieträger brauchen – besonders für die Transition in den nächsten 15 - 20 Jahren. Weichen zu stellen und sogar den Rückbau vorhandener und klimaneutral nutzbarer Infrastrukturen zu fördern, ist waghalsig, nicht notwendig und könnte im ungünstigsten Fall zu kritischen Engpässen führen.

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