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29. Februar 2024

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Die Schweiz droht den Anschluss zu verlieren

In den Ländern der EU schreitet der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur voran. Mit ambitionierten Zielsetzungen wird der Bau von Transitleitungen forciert, um Wasserstoff vom Süden in den Norden zu transportieren. Aktuell werden die Leitungen aber um unser Land herum geplant. Die Schweiz droht den Anschluss an den Hydrogen Backbone der EU zu verlieren.

Vergleicht man die Einleitung des Berichts zu Wasserstoff des Bundesrates mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung in Deutschland, fällt die Art der Formulierungen ins Auge. Während in der Schweiz nach wie vor im Konjunktiv über die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende gesprochen wird, herrscht im Strategiepapier der Bundesregierung der Indikativ vor. Der Konjunktiv wird auch als Möglichkeitsform bezeichnet. Beim Indikativ spricht man hingegen von der Wirklichkeitsform. Der Konjunktiv mag den Eigenheiten des Sprachgebrauchs in der Schweiz entsprechen. Gewollt oder ungewollt spiegelt die Wahl der Aussageweise – des sogenannten Modus – aber auch eine Haltung wider. So steht im Bericht des Bundesrates zum Thema Wasserstoff: «Zur Erreichung des Klimaziels von Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050 dürfte Wasserstoff im Energiesystem in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen.» Demgegenüber schreibt die Bundesregierung in ihrem Strategiepapier: «Wasserstoff bekommt […] eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende.» Zwar steht in beiden Papieren, dass Wasserstoff für die Energiewende zentral oder zumindest von Bedeutung ist. Allerdings ist dies in Deutschland offenbar eine Tatsache, während in der Schweiz nach wie vor unklar ist, ob das denn tatsächlich so sein dürfte.

Natürlich nehmen unseren Nachbarn von der zögerlichen Haltung unserer Regierung Notiz. Es erstaunt daher wenig, dass die Länder der EU den Umbau ihres Energiesystems ohne unser Land planen. Zwar liegt die Schweiz als Transitland für eine Wasserstoffpipeline vom Süden in den Norden geographisch ideal im Herzen Europas. Dennoch werden aktuell die Leitungen um die Schweiz herum gebaut und wir drohen den Anschluss an den Hydrogen Backbone der EU zu verlieren. Es scheint, dass in der Schweiz die Bedeutung von Wasserstoff nach wie vor unterschätzt wird. So sieht das BFE die Anwendungen hauptsächlich in der Hochseeschifffahrt, in der Stahlindustrie und bei Hochtemperaturprozessen. Nachgelagert kommt Wasserstoff gemäss BFE allenfalls und möglicherweise als saisonaler Speicher und in Langstreckenflügen (Power to X) zum Einsatz. Bereits bei den Hochtemperaturprozessen und im Schwerverkehr komme aber auch eine Elektrifizierung in Frage. Welcher Energieträger in Zukunft tatsächlich «zentral» oder «von Bedeutung» sein wird, kann heute in der Tat niemand mit absoluter Sicherheit vorhersagen. Ohne ein mutiges Bekenntnis zu Wasserstoff und den Willen zu Investitionen, sind aber weder die Industrie noch unsere Nachbarn bereit, mit der Schweiz den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Damit verbauen wir uns für die Zukunft eine vielversprechende Möglichkeit. Es wäre an der Zeit, den Hang der Schweiz zum Konjunktiv in der Frage des Wasserstoffs aufzugeben. Dann werden möglicherweise auch unsere Nachbarn die Schweiz wieder in ihre Energiewende einbeziehen.

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