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17. Dezember 2018

Interview

«Der Wasserverbrauch geht nicht weiter zurück»

Nun sind sie da, die «Statistischen Erhebungen der Wasserversorgungen in der Schweiz im Betriebsjahr 2017». Die Daten dafür ausgewertet hat auch dieses Jahr Matthias Freiburghaus, Technischer Berater Wasser beim SVGW. Wir unterhielten uns mit ihm über Zahlen, Tabellen und die Grenzen der Statistik.

Was sind die wesentlichsten Erkenntnisse des Jahres 2017? Hatten auch das Wetter oder die klimatischen Verhältnisse einen Einfluss auf die Zahlen?

Ja, im Jahr 2017 war es gegenüber dem Durchschnitt erneut zu warm in der Schweiz.  Mit einem Wärmeüberschuss von 0,7 Grad Celsius gehörte auch 2017 zu den zehn wärmsten Jahren seit Messbeginn. Insbesondere hat sich das Jahr durch einen überaus schneearmen Winter 2016/17 und eine trockene Herbstmitte hervorgehoben.

Übers Jahr gesehen ist in der Schweiz zudem eher wenig Niederschlag gefallen. Besonders trocken war es auf der Alpennordseite und in den Walliser Südtälern, wo im Vergleich zur Norm der Jahre 1981 bis 2010 verbreitet nur 60 bis 90 Prozent der Niederschläge gefallen sind. Nur am zentralen und östlichen Alpennordhang sind die Niederschläge leicht überdurchschnittlich gewesen.

Dies hatte auch Auswirkungen auf die Wassergewinnung?

Ja, mit einem Anteil an der Gesamtgewinnung von 37.7% stand 2017 im Vergleich zu den vorangehenden Jahren etwas weniger Quellwasser zur Verfügung. Kompensiert wurde dieser Minderertrag durch Grundwasser mit 42.6% und Seewasser mit 19.7%. Im langjährigen Mittel werden für die Trinkwassergewinnung etwa 40% Quellwasser, 40% Grundwasser und 20% Seewasser genutzt.

Und wie entwickelte sich der Wasserverbrauch?

Seit Mitte der 1980-er Jahre ist der Wasserverbrauch – mit Ausnahme der Jahre 1994, 2003, 2006 und 2015 – stetig zurückgegangen und dies trotz steigender Wohnbevölkerung. Die gesamte Wasserabgabe pro Person und Tag war 2017 mit 299,5 Litern gleich wie 2016. Der seit bald 40 Jahren rückläufige Trend beim Trinkwasserverbrauch in der Schweiz hat sich vorerst also nicht fortgesetzt.

Der maximale Tagesverbrauch von 462 Litern pro Person im Jahr 2017 kam jedoch nicht an den hohen Spitzenverbrauch von 512 Litern im Jahre 2015 heran. 2017 haben die Wasserversorger insgesamt 930,5 Mio. Kubikmeter Trinkwasser bereitgestellt, darunter rund 10 Mio. Kubikmeter Brauchwasser für die Industrie.

Haben Sie Vergleiche? 930, 5 Mio. Kubikmeter ist eine kaum vorstellbare Zahl?

Ja, die 930 Kubikmeter entsprechen in etwa dem Inhalt des Bielersees.

Der SVGW gibt nun seit bald einmal 120 Jahren eine «Trinkwasserstatistik» für die ganze Schweiz heraus: wie kam es dazu?

Die Trinkwasserstatistik des SVGW wurde erstmals vor beinahe 120 Jahren veröffentlicht – dies auf Anregung der damaligen Leiter der verschiedenen Wasserwerke. Für das Betriebsjahr 1900 wurden insgesamt über vierzig Wasserversorgungen erfasst. Am Anfang war alles noch rudimentär und mehrheitlich waren städtische Wasserversorger dabei. Kleinere ländliche Werke, also die grosse Mehrheit unter den Wasserversorgungen, wurden noch kaum erfasst.

Wie ging es dann weiter? Heute sind es ja wesentlich mehr Wasserversorger, die Ihre Daten zur Verfügung stellen.

Genau! Rund ein Vierteljahrhundert später, im Jahr 1925, entschloss man sich dann, jedes fünfte Jahr eine Wasserstatistik in erweiterter Form herauszugeben: Diese sollte neben der Wassergewinnung und dem Wasserverbrauch auch andere relevante Betriebsdaten ausweisen. Anfänglich wurden jedoch lediglich die Werte der einzelnen Wasserversorgungen veröffentlicht. Aufgrund der wachsenden Teilnehmerzahl erfolgte dann 1976 erstmals eine Hochrechnung auf der Grundlage von 220 Datensätzen, die es erlaubte, aus den erfassten Daten gesamtschweizerische Kennzahlen zur Trinkwasserbranche abzuleiten.

Und heute?

Seit vier Jahren fliessen in die Hochrechnungen des SVGW auch Datensätze von Wasserversorgungen aus der Ostschweiz ein, die nicht Mitglied des SVGW sind. Dies im Zuge der harmonisierten statistischen Erhebung mit zehn Kantonen aus der Ostschweiz sowie dem Fürstentum Liechtenstein. Dadurch besteht nun in der Kategorie der kleinen Wasserversorgungen eine viel bessere Datengrundlage. Rund 350 der erfassten Wasserversorgungen versorgen weniger als 5'000 Einwohner. Diese breite Basis erlaubt heute viel bessere Auswertungen.

Was erfährt man denn konkret?

Herzstück der Statistikpublikation ist die Übersicht der hochgerechneten Branchenkennzahlen bezüglich Wassergewinnung, -speicherung, -abgabe und -verteilung sowie einige Daten und Fakten zu Finanzen, Personal, Energie und Schäden, die am Versorgungsnetz auftreten.

Die wichtigsten Strukturdaten der einzelnen Wasserversorgungen sind im Anhang der Publikation ersichtlich. Dies erklärt auch den heute grösseren Umfang von 90 Seiten, resp. von über 400 Seiten bei der erweiterten Ausgabe alle fünf Jahre.

Aber es sind ja nicht bloss reine Zahlen und Tabellen, die präsentiert werden. Auch optisch oder von der Darstellung der Zahlen her wurde die SVGW-Publikation im Laufe der Jahre immer gehaltvoller

Ja, im Laufe der Zeit ergänzte man die Publikation mit Grafiken und Tabellen, was den Informationsgehalt noch einmal verbesserte. Somit liegt heute nicht nur eine wertvolle Planungsgrundlage vor, sondern auch ein Werk, das für die Verantwortlichen der verschiedenen Wasserversorgungen ein nützliches Instrument ist, um ihren Betrieb mit der gesamten Branche zu vergleichen. Dazu steht den Werken auf der Webseite für die Datenerfassung seit drei Jahren ein einfaches Vergleichs-Tool für diverse betriebliche Kennzahlen zur Verfügung.

Und wie viele Wasserversorger machen nun heute mit?

Insgesamt stellten für 2017 über 640 Versorgungsbetriebe ihre Daten zur Verfügung, darunter 171 mehrheitlich kleine Wasserversorgungen, die nicht Mitglied des SVGW sind. Die in der Statistik erfassten Wasserversorgungen belieferten dabei 68 Prozent der Bevölkerung der Schweiz und Liechtensteins mit Trinkwasser. Heute haben wir für die meisten Kennzahlen eine sehr robuste Wasserstatistik!

Sie befassen sich beim SVGW seit acht Jahren mit der Statistik der Trinkwasserversorgungen in der Schweiz: eine intensive Arbeit, die Sie ganz schön auf Trab hält?

Ja, ich bin fast das ganze Jahr über mehr oder weniger intensiv mit der Wasserstatistik beschäftigt: Im Februar bereite ich den Versand der Fragebögen an unsere Mitglieder vor, anschliessend beginnt die Plausibilisierung der Daten, was zahlreiche Rückfragen bei den Werken erfordert. Ich prüfe dabei, dass die Datenreihen konsistent sind und bei der Eingabe keine groben Fehler passiert sind.

Im Herbst kommen die bereits kontrollierten zusätzlichen Daten aus der Ostschweiz hinzu, und dann geht es an den interessanten Teil – die Hochrechnung der diversen Kennzahlen auf die ganze Schweiz und die Erstellung der Inhalte für die neue Statistik-Publikation. Insgesamt müssen für die kleine Statistik rund eine Viertelmillion Zahlen kontrolliert werden. Insgesamt beschäftigt mich die Wasserstatistik etwa 400 Arbeitsstunden pro Jahr.

Da braucht es auch eine gewisse Begeisterung für Zahlen?

Bestimmt! Ich bin froh, dass ich keine Abneigung gegenüber Zahlen habe. Allerdings kann die Datenplausibilisierung, die sich über Wochen erstreckt, schon intensiv werden. Würde man aber die Daten unkontrolliert verwenden, kämen keine seriösen Ergebnisse heraus.

 

 

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