Vor ein paar Jahren machten wir uns auf den Weg, mehr Wissen ĂĽber die aktuelle Situation zu Mikroverunreinigungen in Industrieabwässern zu erheben und fĂĽhrten eine schweizweite Situationsanalyse durch. Dabei haben wir festgestellt, dass wenig dazu bekannt ist. Inzwischen hat sich einiges verändert.Â
Mikroverunreinigungen fordern Industrie und GewerbeÂ
Mikroverunreinigungen aus Industrie und Gewerbe rĂĽckten in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus von Ă–ffentlichkeit, Politik und Vollzugsbehörden. DafĂĽr gibt es mehrere GrĂĽnde: Zum einen stiegen die Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und Information stetig an. Das heisst, Unternehmen sehen sich zunehmend mit Erwartungen ihrer Kundschaft konfrontiert, die Transparenz hinsichtlich der verwendeten Stoffe entlang der Lieferkette zu gewährleisten. Zum anderen ermöglichen kontinuierliche Fortschritte in der Messtechnik eine immer präzisere Erfassung von Mikroverunreinigungen in Abwässern und Gewässern. Hinzu kommt das Reduktionsziel der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR), welches eine Fracht-Verringerung dieser Stoffe um 30 % bis zum Jahr 2040 anstrebt – was auch Industrie und Gewerbe in der Schweiz betrifft (siehe Box). Und nicht zuletzt sorgen Verunreinigungen wie diejenigen mit PFAS fĂĽr zusätzliche mediale und politische Aufmerksamkeit. Reduktionsziel der IKSRÂ
Die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR) verfolgt das Ziel, die Stoffeinträge in den Rhein bis 2040 um mindestens 30% im Vergleich zu den Jahren 2016/18 zu reduzieren. Davon betroffen sind Stoffeinträge aus Haushalten, der Landwirtschaft sowie aus Industrie- und Gewerbebetrieben. Die IKSR ĂĽberprĂĽft den Fortschritt laufend mittels Stoffmessungen im Rhein. Aufgrund der Vielzahl der von der Industrie verwendeten Chemikalien ist die rein stoffliche Ăśberwachung limitiert. Deshalb fokussiert die Industriegruppe der IKSR auch auf die von der Industrie ergriffenen Massnahmen, um ihre Stoffemissionen in die Gewässer (und damit in den Rhein) zu reduzieren. Dazu gehören beispielsweise die Umstellung auf eine abwasserfreie Produktion oder die Installation einer Abwasservorbehandlungsanlage.Â
Kooperation aller AkteureÂ
Die eingangs erwähnte schweizweite Situationsanalyse von 2022 priorisierte die Branchen, welche eine Quelle fĂĽr Mikroverunreinigungen in unseren Gewässern darstellen können und identifizierte relevante WissenslĂĽcken. Darauf folgten verschiedenste Projekte, die WissenslĂĽcken schlossen, praxisnahe Hilfestellungen zur VerfĂĽgung stellten und die Sensibilisierung in der Praxis weiter förderten. Beispielsweise hat die Metall-Galvanik-Branche eine Arbeitsgruppe «Mikroverunreinigungen» ins Leben gerufen. Diese konstruktiven Kooperationen sind wichtig, da die komplexe Thematik der Mikroverunreinigungen eine enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure erfordert.Â
Neues Vorgehen zur Untersuchung von IndustrieabwässernÂ
Die Projekte im Industrie- und Gewerbebereich verfolgen die Ziele, die Betriebsabwässer bezĂĽglich Mikroverunreinigungen zu untersuchen und zu beurteilen, wie gut der Stand der Technik diese Stoffe zurĂĽckhält. Dazu entwickelten wir in enger Zusammenarbeit mit der EAWAG und der FHNW ein neuartiges Vorgehen: In einem ersten Schritt erarbeiten wir gemeinsam mit Branchen-Expert/-innen eine Ăśbersicht ĂĽber die Prozesse, welche Abwasser generieren. Darauf aufbauend erstellen wir gemeinsam mit Produkt-Herstellern, beispielsweise von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln, eine Ăśbersicht ĂĽber die Produktinhaltsstoffe, welche in diesen Prozessen zum Einsatz kommen. Diese Stoffe stufen wir ein – u.a. basierend auf ihrer biologischen Abbaubarkeit und ihrer (Ă–ko-)Toxizität – mit einem eigens entwickelten Beurteilungskonzept. Daraus priorisieren wir die relevanten Prozesse, die u.a. schweizweit verbreitet sind, welche wir im Rahmen einer Messkampagne untersuchen. Solche Messkampagnen sind zentral, denn Resultate machen diese abstrakte Thematik konkreter und sensibilisieren Betriebe und Branchen.Â
Pilotprojekt in Gesundheitsbetrieben zu MikroverunreinigungenÂ
Abwässer aus Gesundheitsbetrieben, wie Spitäler, gelten gemäss der Gewässerschutzverordnung auch als Industrieabwässer. Diese Abwässer enthalten neben Arzneimitteln weitere Mikroverunreinigungen, wie Reinigungs- und Desinfektionsmittel, aber auch (multi-)resistente Keime. Diese Keime stellen weltweit eine der grössten Gesundheitsgefahren dar und sollten möglichst nicht in die Umwelt gelangen.Â
Kläranlagen halten (multi-)resistente Keime und Antibiotika mit zunehmendem Ausbaustandard immer besser zurĂĽck – bis 2040 sind rund 80% der Schweizer Spitäler an eine Kläranlage (ARA) mit einer Reinigungsstufe zur Elimination der Mikroverunreinigungen (MV-Stufe) angeschlossen. Es sollte daher auch möglichst kein Abwasser von Gesundheitsbetrieben ungereinigt ĂĽber Mischwasserentlastungen in die Gewässer gelangen. Um dies zu erreichen sind verstärkte Massnahmen bei der Abwasserbewirtschaftung in Spitälern notwendig. Zudem entschärft eine optimierte Kanalnetzbewirtschaftung die Situation weiter. Das CC Industrie und Gewerbe erarbeitet derzeit, mit Beteilung der Plattform, einen Leitfaden und ein interkantonales Merkblatt fĂĽr den Gewässerschutz in Gesundheitsbetrieben.Â
Eine spezifische Kategorie der Arzneimittel sind Kontrastmittel. ARA – auch solche mit einer MV-Stufe – entfernen diese unzureichend. Sie gelangen deshalb in grossen Mengen in die Gewässer. Im Jahr 2022 betrug die Jahresfracht an iodierten Röntgenkontrastmitteln im Rhein bei Basel rund 11 Tonnen. Um die Gewässer von diesen persistenten Stoffen zu entlasten, sind zusätzliche Massnahmen an der Quelle erforderlich. Eine mögliche Massnahme könnten die sogenannten Urinsammelbeutel darstellen, die den Urin – und darin enthaltenes Kontrastmittel – vom Abwasser fernhalten. Die Plattform initiiert derzeit ein entsprechendes Pilotprojekt.Â
Weitere Aktivitäten der PlattformÂ
Mittlerweile betreiben ĂĽber 30 Schweizer ARA eine MV-Stufe. Die praktischen Erfahrungen und die gewonnenen Erkenntnisse nehmen kontinuierlich zu. Unsere Plattform trägt diese laufend zusammen und wertet sie systematisch aus. Ziel ist es, die weitere Umsetzung zu unterstĂĽtzen, insbesondere fĂĽr jene ARA, deren der Ausbau noch bevorsteht. Ebenso wichtig ist die Ăśberwachung der Reinigungsleistung der ARA, um den Erfolg der MV-Stufen fĂĽr den Gewässerschutz zu dokumentieren. Dazu bauen wir aktuell eine schweizweite Datenbank auf mit Messdaten zu Mikroverunreinigungen in Zu- und Abläufen von ARA. Um die Datenlage gezielt zu erweitern, beteiligen wir uns an einem BAFU-finanzierten Projekt der EAWAG, welches die Breitbandwirkung der MV-Stufen anhand von ĂĽber 500 Substanzen untersucht.Â
Als Folge der Motion 20.4262 rĂĽcken auch ARA mit weniger als 10'000 angeschlossenen Personen in den Fokus. Deren Umsetzung wird die Verfahrenstechnik fĂĽr kleine ARA weiterentwickeln. Denn solche Verfahren mĂĽssen nicht nur einfach zu betreiben sein, sondern auch eine hohe Betriebsstabilität aufweisen. Wir begleiten und koordinieren diesen Prozess – in enger Zusammenarbeit mit der Forschung und weiteren beteiligten Akteuren.Â
Mit der Motion 20.4261 gewinnt die Stickstoffelimination auf ARA an Bedeutung. Wir setzen uns deshalb auch vertieft mit dieser Thematik auseinander und sind in verschiedene Aktivitäten involviert. In der zweiten Jahreshälfte veröffentlichen wir eine Sammlung von ARA-Beispielen, die schon heute eine hohe Stickstoffelimination aufweisen.Â
In diesem Sinne freuen wir uns auf die kommende Zeit, sowie auf eine weiterhin spannende und gute Zusammenarbeit mit Ihnen!Â
👉 KontaktÂ
Haben Sie Fragen zu spezifischen Themen?Â
So besuchen Sie entweder die Micropoll-Website oder kontaktieren Sie uns direkt: pascal.wunderlin@vsa.ch, Tel. 058 765 50 37Â
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)