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30. November 2020

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Probleme anpacken oder aufschieben und auf andere zeigen?

Die Politik beschäftigt sich mit zwei auf dem Mist des Bauernverbandes gewachsenen Motionen: Einerseits sollen neu alle rund 740 ARA Massnahmen zur Elimination von Mikroverunreinigungen treffen müssen. Andererseits soll die «Problematik» der Stickstoffeinträge aus ARA rasch angegangen und Massnahmen zu deren Reduktion getroffen werden. Wasserfachleute reiben sich verwundert die Augen.
Stefan Hasler 

Bereits Ende der 1980er Jahre formulierte die Politik das Ziel, die Stickstoffeinträge bei der Abwasserreinigung um 50% gegenüber 1985 zu reduzieren. Deshalb wurden in der Folge viele grosse ARA auf Nitrifikation/Denitrifikation ausgebaut. Heute beträgt die auf allen ARA behandelte Stickstofffracht rund 40'000 Tonnen pro Jahr [t/a], wovon rund 20'000 t/a eliminiert werden. Die gesetzlichen Anforderungen werden nachweislich gut eingehalten, das politische Ziel der Frachtreduktion ist erreicht. Problem gelöst.

Anders die Landwirtschaft: Die Stickstoffverluste aus der Landwirtschaft konnten in den 1990er Jahren von rund 130'000 t/a auf rund 110'000 t/a reduziert werden, wo sie seither stagnieren. Sowohl von den Etappenzielen als auch vom langfristigen Ziel der 50%-Reduktion ist man meilenweit entfernt. Die Nitrat-Anforderungen der Gewässerschutzverordnung sind im Ackerland bei mehr als 40% aller Grundwassermessstellen überschritten. Das Problem ist für viele Wasserversorger seit Jahren ungelöst.

Dito beim Stickstoff «Luft»: Die Stickoxide, die hauptsächlich aus Verkehr und Heizungen stammen, sanken zwischen 1985 und 2016 um 60 % und betragen heute unter 20'000 t/a. Die Ammoniakemissionen, die fast ausschliesslich aus der Landwirtschaft stammen, wurden nur um etwa 15% reduziert und verharren seit den 1990er Jahren auf über 50'000 t/a und damit um Faktor zwei über dem vor 30 Jahren festgelegten Ziel. Handlungsbedarf besteht also vor allem bei der Landwirtschaft.

Dito bei den Mikroverunreinigungen: Mit dem laufenden ARA-Ausbau werden sowohl die besonders belasteten resp. sensiblen Gewässer gezielt entlastet als auch die Fracht um mehr als 50% reduziert. Die auf ARA zurückzuführenden Gewässerschutzdefizite werden effizient gelöst. Nicht gelöst werden die Grenzwertüberschreitungen im Grundwasser und in den kleinen Fliessgewässern. Diese Probleme können nur durch Massnahmen in der Landwirtschaft gelöst werden.

Der VSA begrüsst grundsätzliche jede Reduktion von Stoffeinträgen und ist deshalb einverstanden, dass die ARA optimiert und deren Stickstoffeinträge weiter reduziert werden. Der VSA ist auch einverstanden, zusätzliche ARA mit einer MV-Stufe auszubauen, falls die im April 2020 neu festgelegten numerischen Anforderungen für Pestizide und Arzneimittelauf nicht überall eingehalten werden. Gleichzeitig erwartet der VSA, dass die Landwirtschaft nachzieht und sich endlich zu konkreten Absenkpfaden bekennt.

Der VSA kontaktiert ausgewählte Politiker und schreibt alle Nationalrät/innen an, auf dass das Parlament die beiden Motionen als das entlarvt, was sie sind: Durchsichtige Ablenkungsmanöver des Bauernverbandes von den eigenen Problemen. Gleichzeitig regt der VSA den Nationalrat an, sowohl die Nährstoff- als auch die Pestizidproblematik im Rahmen der parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» zu lösen, indem er die ursprüngliche (und unverwässerte) Version der Ständeratskommission wieder aufnimmt.

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