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11. Februar 2020

ARA Rhein

Geruchsbegehungen

2014 traten zeitweise starke Faulgerüche aus der ARA Rhein in Pratteln aus. Die Anwohner in der näheren Umgebung fühlten sich davon belästigt. Durch verschiedene Massnahmen, darunter eine 2016 in Betrieb genommene Abluftreinigungsanlage, liessen sich die Geruchsprobleme lösen. 2018 bestätigte eine Beurteilung der Geruchsimmissionen in der Umgebung die Zuverlässigkeit der Massnahmen. Die Beurteilung erfolgte durch die standardisierte Methode der Geruchsbegehung mit Probanden.
Roger Hurschler, Peter Müller, 

Auf einer Abwasserreinigungsanlage (ARA) entstehen bei vielen Prozessen kleine und kleinste Mengen chemischer Stoffe, die von der menschlichen Nase wahrgenommen werden, sobald sie in die Umgebungsluft gelangen. Erreichen unangenehme Gerüche die umliegenden Wohngebiete, fühlt sich die Anwohnerschaft belästigt. Klagen bei den Behörden, eine negative Medienberichterstattung und ein Reputationsverlust der ARA sind schnell die Folge. So geschehen auch in Pratteln zwischen Juni und Dezember 2014: Faulprozesse im Betrieb der ARA Rhein verursachten in der angrenzenden Umgebung zeitweise einen starken Gestank, der bei der Bevölkerung und den zuständigen Behörden heftige Reaktionen auslöste. Um die Faulgerüche zu eliminieren, setzte die ARA Rhein umgehend verschiedene Massnahmen um. Im Zentrum stand dabei die Ende 2016 in Betrieb genommene Abluftreinigungsanlage, welche die Geruchsstoffe thermisch oxidiert.

Beurteilung der Massnahmen

Aufgrund einer Erhebung zwischen Mai und November 2018 beurteilte das Institut für Umwelt und Verfahrenstechnik (UMTEC) der Fachhochschule für Technik in Rapperswil (HSR-FHO) die Geruchs-immissionen in der Umgebung der ARA Rhein. Dadurch sollte die Zuverlässigkeit der Massnahmen aufgezeigt werden [1].
In diesen sechs Monaten führten Probanden Geruchsanalysen nach einem standardisierten Verfahren des Bundesamts für Umwelt (BAFU) [2] und der VDI-Richtlinie 3940 [3] durch. Dabei bestimmten die Probanden auf sogenannten Geruchsbegehungen in der Umgebung, ob die Geruchsemissionen, die weiterhin von der ARA Rhein ausgehen, gemäss Schweizerischer Luftreinhalte-Verordnung [4] allenfalls als «übermässig» zu beurteilen sind.

Einteilung in drei Zonen

Gemäss Geruchsempfehlung des BAFU [2] wurde das Gebiet rund um die ARA Rhein in drei Zonen eingeteilt: Wohnzonen, Misch- und Landwirtschaftszone sowie Industriezone. Die höchstzulässige Anzahl positiver Einzelmessungen pro Messpunkt variierten von Zone zu Zone (s. Tab. 1 und Fig. 1). Bei Überschreitungen war davon auszugehen, dass die Immissionen von einem wesentlichen Teil der Bevölkerung oder beim Personal der benachbarten Betriebe als erheblich störend empfunden würden und damit nach [4] als «übermässig» zu bezeichnen wären.

Zone nach Baugesetzgebung

Beurteilungswert
Zone I: Wohnzonen
Zonen, in denen keine störenden Betriebe zugelassen sind, namentlich
Wohnzonen sowie Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen
10%
Zone II: Misch- und Landwirtschaftszonen
Zonen, in denen mässig störende Betriebe zugelassen sind, namentlich
in Wohn- und Gewerbezonen (Mischzonen) sowie Landwirtschaftszonen
und Wald
15%
Zone III: Industriezonen
Zonen, in denen stark störende Betriebe zugelassen sind, namentlich
in Industriezonen
20%

Tab. 1 Zoneneinteilung und Beurteilungswert: Höchstzulässige Anzahl positiver Einzelmessungen pro Messpunkt in Prozent aller an diesem Messpunkt vorgenommenen Einzelmessungen.

Auswahl der Probanden

Für die Geruchsbegehungen in Pratteln wurden per Inserat unabhängige Freiwillige aus der Region gesucht. In einem Test hatten die angehenden Probanden zu beweisen, dass sie über einen durchschnittlichen, normalen Geruchssinn verfügen. In einem zweiten Schritt mussten sie relevante Gerüche – von Klärschlamm über Lösungsmittel bis Schokolade – unterscheiden und zuordnen können. Letztlich verfügte das Projektteam über zehn Freiwillige, die es für die Begehungen einsetzte.

Methodik

Bei einer Geruchsbegehung nach Geruchsempfehlung des BAFU [2] und der VDI-Richtlinie 3940 [3] bestimmen geschulte Probanden an definierten Mess­punkten während eines Messzeitintervalls von zehn Minuten die Zeitabschnitte mit Geruchserkennung (Geruchszeitanteil). Sie unterscheiden zudem an jedem Messpunkt die wahrgenommenen Gerüche, um sie dem Emissionsort zuzuordnen (Geruchsqualität).
In der Untersuchung rund um die ARA Rhein wurden zwei verschiedene Rundgänge mit jeweils acht Messpunkten definiert (Fig. 2). Ausgangspunkt und Kontrolle war jeweils die ARA Rhein. Eine Smartphone-App führte die Probanden durch die Begehung und forderte sie jeweils an den Messpunkten auf, ihre Beurteilung abzugeben. Während zehn Minuten gaben die Probanden in Intervallen von zehn Sekunden (also 60 Einzelwerte pro Messpunkt) eine positive oder negative Geruchserkennung ein und unterschieden zwischen vorgegebenen Geruchsqualitäten.
Zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober 2018 fanden auf den beiden Routen insgesamt 108 Geruchstouren statt. Sie waren gleichmässig auf alle Wochentage sowie Tageszeiten verteilt.

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Resultate und Beurteilung

In die Beurteilung der Immissionen der ARA Rhein wurden drei für Kläranlagen spezifische Gerüche einbezogen: Klärschlamm, kommunales Abwasser und Industrieabwasser. Erwartungsgemäss nahmen die Probanden diese Gerüche auf dem Areal der ARA Rhein am häufigsten wahr (28%). Dieser hohe Wert ist für die Belästigung der Anwohnenden jedoch nicht relevant, bestätigt jedoch, dass die Probanden den richtigen Geruch erfasst haben (Positivkontrolle).
In Figur 3 sind die ermittelten Häufigkeiten für die von der ARA Rhein emittierten Gerüche zusammengefasst. Selbst unter Berücksichtigung der Messunsicherheit von +/–25% gemäss [2] lagen die ermittelten Geruchshäufigkeiten bei allen Messpunkten unterhalb des Beurteilungswertes und sind somit als «nicht übermässig» gemäss [4] einzustufen. Dieses Resultat zeigt, dass die Massnahmen der ARA Rhein zur Eliminierung von Geruchs­emissionen die angestrebte Wirkung erzielen.

Bibliographie

[1] Stoll, J.-M.; Hänggeli, F. (2019): ARA Rhein, Beurteilung der Geruchsimmissionen, Geruchsbegehung vom Mai bis November 2018; Hochschule für Technik Rapperswil, Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik
[2] Bundesamt für Umweltschutz (BAFU) (2015): Empfehlung zur Beurteilung von Gerüchen (Geruchsempfehlung), Entwurf Dezember 2015
[3] Technisches Komitee CEN/TC 264 «Luftbeschaffenheit» (2016): Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen, Teil 1: Raster-messung
[4] Schweizerische Eidgenossenschaft (2019): Luftreinhalte-Verordnung (LRV); 814.318.142.1; Artikel 2, Absatz 5

Die ARA Rhein AG

Die ARA Rhein reinigt seit 1975 in einem mehrstufigen Verfahren kommunale Abwässer der Gemeinden Arisdorf, Augst, Giebenach, Kaiseraugst, Olsberg und Pratteln sowie Industrieabwässer der produzierenden Betriebe aus dem Gebiet Muttenz–Schweizer­halle–Pratteln. Die Anlage ist eine der grössten Abwasserreinigungsbetriebe der Schweiz; sie verarbeitet rund sechs Millionen Kubikmeter Abwasser pro Jahr. Die Reinigungsleistung liegt über den gesetzlichen Auflagen; die Anlagen entsprechen dem aktuellen Stand der Technik. Der anfallende Schlamm wird in einer werksinternen Anlage verbrannt und die gewonnene Wärmeenergie in den Wärmeverbund «Grüssen» eingespeist. Die verbleibende Schlacke wird in einem separaten Kompartiment der kantonalen Deponie Elbisgraben für eine zukünftige Phosphor-Rückgewinnung gelagert. Rauchgas und Abluft der ARA Rhein werden gereinigt, bevor sie in die Umwelt gelangen. Das Unternehmen beschäftigt 34 Mitarbeitende.

www.ararhein.ch

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