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Fachartikel
04. Dezember 2025

Die Grundwasserfauna schützen

Im Grundwasser lebt eine einzigartige Vielfalt an mikrobiellen und wirbellosen Organismen. Diese Organismen tragen zum Funktionieren der Grundwasserökosysteme bei. Neue Studien zeigen jedoch folgendes Bild: Menschliche Einflüsse wirken sich auf die Grundwasserfauna aus, zudem ist die Biodiversität im Grundwasser in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten stark verringert. Sowohl beim Schutz als auch bei der Überwachung der Grundwasserorganismen besteht  nach wie vor Handlungsbedarf.
Mara Knüsel, Marjorie  Couton, Roman Alther, Florian Altermatt, 

Das Grundwasser ist eine der bedeutendsten natürlichen Ressourcen der Schweiz. Es deckt ungefähr 80% des Schweizer Trinkwasserbedarfs. Gleichzeitig ist es ein Ökosystem mit einer bislang oft unterschätzten, einzigartigen biologischen Vielfalt. Die dort vorkommenden Organismen reichen von winzigen Mikroben bis zu zentimetergrossen Krebstieren. Die sogenannten «stygobionten» Arten, also echte Grundwasserbewohner, sind in besonderem Masse an die Bedingungen ihres Lebensraums angepasst: permanente Dunkelheit, geringe Nährstoffverfügbarkeit und stabile, niedrige Temperaturen. Typischerweise fehlen ihnen Augen und Farbpigmente, während andere morphologische und physiologische Merkmale wie sehr dünne, lange Körper oder ein verlangsamter Stoffwechsel das Leben unter diesen Bedingungen fördern.

Die biologischen Lebensgemeinschaften tragen zum Funktionieren der Grundwasserökosysteme bei. Eingetragenes organisches Material wird im Grundwasser zunächst von Mikroben abgebaut und anschliessend über das Nahrungsnetz (d. h. höhere Organismen wie Flohkrebse) weiterverwertet. Dadurch sind die Grundwasserorganismen in die natürlichen Reinigungsprozesse des Grundwassers involviert und leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Wasserqualität [1, 2]. Der Schutz dieser Lebensgemeinschaften ist deshalb nicht nur aus Sicht des Naturschutzes, sondern auch für die Trinkwasserversorgung von Bedeutung.

Das Gewässerschutzgesetz (GSchG) schreibt in Art. 1 vor, dass Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen und als natürliche Lebensräume für einheimische Organismen zu erhalten sind. Entsprechend fordert die Gewässerschutzverordnung (GSchV) in Bezug auf Grundwasserökosysteme, dass «die Biozönose unterirdischer Gewässer naturnah und standortgerecht» sowie «typisch für nicht oder nur schwach belastete Gewässer» sein soll. Trotz dieser klaren rechtlichen Vorgaben im Sinn des Vorsorgeprinzips wird die Grundwasserfauna in der Schweiz bis heute nicht als integraler Bestandteil der ökologischen Infrastruktur betrachtet. Es fehlen standardisierte Monitoringprogramme, zudem wird die Biodiversität in den chemisch-physikalischen Monitoringprogrammen des Bundes und der Kantone bisher nicht berücksichtigt. Ausserdem gibt es keine Rote Listen für Grundwasserorganismengruppen, obwohl sich dieses rechtliche Instrument für den Schutz und das ­Management in Oberflächengewässern bewährt und etabliert hat.

Mit zunehmenden Belastungen des Grundwassers durch Verunreinigungen, Klimawandel, geothermische Nutzung und steigendem Wasserbedarf wächst die Dringlichkeit, Grundwasserökosysteme besser zu verstehen und Veränderungen frühzeitig zu erkennen. So forderte eine kürzlich eingereichte Interpellation eine Stellungnahme des Bundesrates zu Erfassung und Schutz der Biodiversität im Grundwasser (24.4555 Candan: «Biodiversität auch im Grundwasser erfassen»). Eine Umsetzung der gesetzlichen Grundlage und bessere Überwachung der Grundwasserbiodiversität wird auch seitens der Forschung gefordert [3].

Innovative Methoden zur systematischen Erfassung 

Das begrenzte Wissen über die Zusammensetzung und Verbreitung der Grundwasserfauna ist vor allem auf den erschwerten Zugang zu unterirdischen Lebensräumen zurückzuführen. In den letzten Jahren wurden jedoch geeignete Methoden für systematische und repräsentative Beprobungen der Biodiversität im Grundwasser getestet [4, 5]. Im Rahmen von umfangreichen Studien konnten zudem für einzelne Gruppen, speziell der Flohkrebse, detaillierte und repräsentative Daten für die Diversität und Verbreitung von Grundwasserorganismen etabliert werden [6–10]. Ein «Fenster» ins Grundwasser bieten dabei die Trinkwasserversorger, die über die ganze Schweiz verteilt Tausende von Quell- und Grundwasserfassungen betreiben.

Vorkommen von Grundwasserfauna dank «Citizen Science»

In Zusammenarbeit mit mehreren Hundert lokalen Wasserversorgern wurde im Rahmen des Projektes AmphiWell1 erstmals ein schweizweit systematischer Datensatz zur Grundwasserfauna erhoben. Die Beprobungen wurden im Rahmen eines partizipativen Ansatzes (Citizen Science) direkt durch die Wasserversorger durchgeführt. Dabei wurden Filternetze an den Einlaufrohren von Quellwasserfassungen montiert und nach einigen Tagen die eingeschwemmten Organismen daraus gesammelt. Zusätzlich wurden die Überlaufbecken mit kleinen Aquarienkeschern abgefischt. Insgesamt konnten so über 900 Quellwasserfassungen auf Grundwassertiere beprobt werden [6, 9, 11]. Die Bestimmung der Tiere erfolgte im Labor an der Eawag mittels morphologischer und teilweise molekularer Methoden und förderte eine erstaunliche Vielfalt zutage. Nebst den stygobionten, also echten Grundwasserorganismen, wurde auch eine Vielfalt weiterer Organismen identifiziert. Letztere können über die Oberfläche und den Boden eingeschwemmt werden, oder sie besiedeln die Übergangszone zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer aktiv (wie zum Beispiel die Larven gewisser Stein- und Eintagsfliegen). Die gefundene Vielfalt an unter- als auch oberirdischen Wirbellosen zeigt auf, dass insbesondere das oberflächennahe Grundwasser eng vernetzt ist mit Ökosystemen an der Oberfläche [12].

1 Website des Projekts «AmphiWell»

Ein besonderer Fokus unserer Studien lag auf den Grundwasserflohkrebsen (s. Titelbild), die in Mitteleuropa zu den grössten und häufigsten Grundwasserorganismen gehören. Im Durchschnitt konnten Grundwasserflohkrebse schweizweit in rund jeder dritten Quellwasserfassung nachgewiesen werden [6] (Fig. 1). Es handelte sich dabei aber nicht nur um eine einzige Art, sondern um 27 verschiedene Arten von Grundwasserflohkrebsen. Einige dieser Arten wurden sogar neu für die Wissenschaft entdeckt und werden in den nächsten Jahren formell wissenschaftlich beschrieben. Anhand der vielen Proben aus Quellwasserfassungen, aber auch dank Funden aus Höhlen, wird die aktuelle Anzahl Grundwasserflohkrebsarten in der Schweiz auf mindestens 40 geschätzt. Die Zahl der bekannten Grundwasserflohkrebse hat sich in den letzten Jahren also praktisch verdoppelt (vgl. [13]). Dies zeigt einerseits die bisherigen Wissenslücken auf, widerspiegelt aber auch die aktive Forschung und Erkenntnisse der letzten Jahre.

Umwelt-DNA als Instrumentn fĂĽr Biomonitoring

Neben dem direkten Sammeln von Organismen in den Wasserfassungen wurde in den letzten Jahren die Umwelt-DNA(e­DNA)-Technologie für ein mögliches Biomonitoring von Grundwasserökosystemen weiterentwickelt. Dabei werden winzige Mengen an Erbgut (DNA) direkt aus Wasserproben isoliert und analysiert [14]. Die Probenahme ist immer eine Wasserprobe (wenige Liter), analog der Probenahme für chemisch-physikalische Parameter. Erst die anschliessende molekularbiologische Auswertung im Labor unterscheidet sich methodisch: Die DNA wird aus dem Filter extrahiert, gereinigt und vervielfältigt. Anschliessend wird die DNA sequenziert, sodass die Abfolge der Basen entschlüsselt wird und die Sequenzen Organismen zugewiesen werden können. Mit der eDNA-Technologie kann die Vielfalt und Zusammensetzung der gesamten Lebensgemeinschaften erfasst werden – sowohl die der Mikro- als auch der Makroorganismen.

Bei Oberflächengewässern wird die eDNA-Technologie zunehmend in Biomonitoringprogramme integriert [15]. Aktuelle Forschungsresultate aus der Schweiz und international zeigen, dass diese Methode auch ein grosses Potenzial für das Bio­monitoring von Grundwasserlebensräumen bietet [4, 5, 16].

Charakteristische Verbreitungsmuster 

Dank des ersten schweizweiten Datensatzes konnte gezeigt werden, dass hierzulande praktisch überall Grundwasserflohkrebse gefunden werden: von den Talsohlen im Mittelland, zu Karsthöhlen im Jura und sogar bis in alpine Grundwasservorkommen auf über 2000 Meter über Meer. Eine hohe Artenvielfalt gibt es insbesondere in Karstgebieten im Jura und entlang der Voralpen, aber zum Beispiel auch im Grundwasser im Einzugsgebiet der Töss [6, 11]. Dabei spielt unter anderem die historische Vergletscherung eine Rolle, deren Einfluss auch heute noch in den Verbreitungsmustern und Artzusammensetzungen der Grundwasser-flohkrebse erkennbar ist. Während einige Arten die letzte Eiszeit nur ausserhalb von vergletscherten Gebieten oder in eisfreien Refugien wie dem Einzugsgebiet der Töss überdauert haben, gibt es Arten, die innerhalb der vergletscherten Gebiete überlebt haben [7, 17]. Genetische Daten deuten darauf hin, dass insbesondere Karstsysteme wichtige Rückzugsräume für Grundwasserorganismen waren [17], was auch in Anbetracht von aktuellen Temperaturveränderungen durch Klimawandel und geothermischer Nutzung relevant ist.

Hoher Anteil endemischer Arten

Während Grundwasserflohkrebse in praktisch allen Schweizer Regionen vorkommen, haben die einzelnen Arten sehr spezifische Verbreitungsgebiete [6]. Zum Beispiel wurde die Art Niphargus auerbachi hauptsächlich im Mittelland gefunden, während die Art Niphargus luchoffmanni vor allem in Karstgebieten entlang der Schweizer Alpennordflanke vorkommt. Diese beiden Arten wurden regelmässig in der jeweiligen biogeografischen Region gefunden. Es gibt aber viele Arten mit nur einzelnen oder sehr kleinräumigen Vorkommen. Dies zeigen die Daten aus den über 900 beprobten Quellwasserfassungen: Rund die Hälfte aller gefundenen Grundwasserflohkrebsarten wurden nur in ein bis drei Wasserfassungen gefunden [6](Fig. 2). Diese Arten haben in der Schweiz also kleine oder räumlich fragmentierte Verbreitungsgebiete, was auch aus anderen Weltregionen (z. B. Balkan) bekannt ist. Zudem gibt es Arten, die vor allem in Höhlen gefunden werden, beispielsweise im Muotathal, Kanton Schwyz. So wurden vor wenigen Jahren im Hölloch-Höhlensystem Grundwasserflohkrebse entdeckt, die sonst nirgends auf der Welt gefunden wurden [18]. Aktuell wird geschätzt, dass rund ein Dutzend der Grundwasserflohkrebs­arten (teil)endemisch sind, das heisst, nur oder praktisch nur in der Schweiz vorkommen. Dies entspräche rund einem Viertel aller aktuell als endemisch eingestuften Tier- und Pflanzenarten (BAFU 2017). Insbesondere bei diesen Arten trägt die Schweiz eine hohe Verantwortung für deren Erhalt und Förderung.

Im Vergleich zu den Flohkrebsen sind viele andere Grundwasserorganismengruppen in der Schweiz weniger gut untersucht. Bisherige Forschungsresultate deuten aber auf ähnliche Verbreitungsmuster hin. Zum Beispiel wurde bei grundwasserlebenden Ringelwürmern der Gattung Haplotaxis früher angenommen, dass es sich um eine einzelne, weitverbreitete Art handelt. Genetische Daten zeigen jedoch, dass es in der Schweiz mindestens sechs verschiedene Arten gibt, mit teils kleinräumigen Vorkommen [19]. Ein weiteres Beispiel sind die Ruderfusskrebse, wovon zwei Arten, Stygepactophanes jurassicus und Gelyella monardi, in der Schweiz als endemisch gelten und auf der Liste der national prioritären Arten geführt sind. Diese Beispiele zeigen auf, dass die Grundwasserfauna vielfältig und regional unterschiedlich ist. Es ist deshalb wichtig, diese Vielfalt angemessen zu schützen.

Landnutzung beeinflusst die Grundwasserfauna im Mittelland 

Die Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA zeigt, dass die Grundwasserqualität in der Schweiz, insbesondere in den inten­siv landwirtschaftlich genutzten Gebieten des Mittellands, durch Nitrat und Rückstande von Pflanzenschutzmitteln belastet ist [20]. Erste Studien haben nun untersucht, wie die Landnutzung mit dem Vorkommen und der Diversität der Grundwasserorganismen korreliert.

Eine Studie mit Umwelt-DNA-Proben aus 20 Brunnenstuben im Tösstal ergab, dass sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Grundwasser deutlich unterscheidet, abhängig von der Landnutzung rund um die Quellwasserfassung [5]. Dabei war die Zusammensetzung der mikrobiellen Vielfalt in Wasserfassungen im intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiet deutlich anders und über fünfmal tiefer als in Fassungen in bewaldeten Gebieten (Fig. 3).

 

In einer weiteren Studie wurde das Vorkommen von Grundwasserflohkrebsen im gesamten Schweizer Mittelland in Bezug auf die oberirdische Landnutzung untersucht. Die Analyse der Citizen-Science-Daten aus 484 Quellwasserfassungen zeigt, dass in Wasserfassungen mitten im Wald signifikant häufiger Flohkrebse gefunden werden als in Wasserfassungen, die von intensiver Landwirtschaft umgeben sind [8]. Zudem war das Grundwasser an ackernahen Standorten signifikant stärker mit Nitrat belastet – ein Muster, das auch in der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA festgestellt wird [20]. Der negative Einfluss von intensiver Landwirtschaft auf das Vorkommen resp. Fehlen der Grundwasserflohkrebse war auch klar erkennbar, wenn die Landnutzung im grösseren Umkreis berücksichtigt wurde: Landnutzungseffekte waren in einem Umkreis von 600 bis 1000 m um die Quellwasserfassungen feststellbar(Fig. 4A). Das heisst, dass die oberirdische Landnutzung, im Speziellen intensive landwirtschaftliche Nutzung, die Grundwasserbiodiversität im Bereich von bis zu wenigen Kilometern negativ beeinflussen dürfte. Dieses räumliche Signal übertrifft deutlich die Ausdehnung aktueller Grundwasserschutzzonen um die Quellwasserfassungen und entspricht in der räumlichen Ausdehnung wohl eher dem Zuströmbereich (Fig. 4B).

Die Resultate zeigen, dass ökologische Parameter zusätzliche Informationen liefern können, um chemische und physikalische Messungen zu ergänzen. So lässt sich der Zustand des Grundwassers umfassender beurteilen, was auch dem Trinkwasserschutz zugutekommen kann. Bei Oberflächengewässern (v.a. Fliessgewässern) sind biologische Parameter bereits heute ein fester Bestandteil in der Gewässerzustandsbeurteilung. Die Ergebnisse zeigen ausserdem, dass die Landnutzung nicht nur in der direkten Umgebung auf Grundwasserorganismen wirkt, sondern auch in einem deutlich grösseren Gebiet. Diese räumliche Dimension hat nicht nur in Bezug auf den Trinkwasserschutz Relevanz (vgl. Motion 20.3625 Zanetti: «Wirksamer Trinkwasserschutz durch Bestimmung der Zuströmbereiche»), sondern ist auch für den Schutz der Grundwasserfauna insgesamt entscheidend – unabhängig davon, ob sich der Standort in der Nähe einer Trinkwasserfassung befindet oder nicht.

Fazit und Ausblick 

Die umfassenden Forschungsarbeiten zur Schweizer Grundwasserfauna zeigen, dass die unterirdische Artenvielfalt deutlich höher ist als bisher angenommen. Viele Arten kommen nur in kleinen, räumlich begrenzten Verbreitungsgebieten vor, und bei einigen Arten beschränkt sich das gesamte weltweite Vorkommen natürlicherweise auf die Schweiz. Die Resultate liefern Einblicke in die Vergangenheit der Organismen, etwa ihr Überdauern in Rückzugsräumen während der letzten Eiszeit, und verdeutlichen zugleich ihre Verletzlichkeit gegenüber aktuellen Umweltveränderungen. Damit wird klar: Grundwasserökosysteme sind ein wichtiger Bestandteil der ökologischen Infrastruktur. Ein besseres Verständnis der Ökologie im Grundwasser könnte im Sinne des Vorsorgeprinzips nicht nur dem Schutz dieser Organismen, sondern auch der Trinkwasserversorgung zugutekommen. Umgekehrt dienen Massnahmen zum Trinkwasserschutz auch der Grundwasserfauna, wie zum Beispiel die Verringerung von Stoffeinträgen im Zuströmbereich. Insbesondere zwei Werkzeuge sind in Bezug auf die Grundwasserfauna hervorzuheben:

Monitoring der Grundwasserfauna

Für die Zukunft braucht es geeignete Werkzeuge, um den Zustand der Grundwasserlebensräume systematisch zu erfassen und Veränderungen frühzeitig erkennen zu können. Dazu gehören standardisierte biologische Monitoringprogramme, die klassische faunistische Untersuchungen oder auch moderne molekulare Methoden wie eDNA integrieren könnten. Die bisherige Grundlagenarbeit zu eDNA in Kombination mit dem bestehenden NAQUA-Monitoringprogramm zum chemisch-physikalischen Zustand des Grundwassers ist eine ideale Ausgangslage. So könnten Synergien genutzt werden und ein ökologisches Monitoring relativ effizient in das bestehende, nationale Grundwassermonitoringprogramm integriert werden.

Aktuell gibt es auch gezielte Bestrebungen, um biologische Indikatoren für die Gewässerbeurteilung im Grundwasser zu entwickeln. Dies geschieht in der Schweiz im Rahmen eines vom Nationalen Forschungsprogramms NFP82 geförderten Projektes.

Auch international wird verstärkt daran geforscht, zum Beispiel im Forschungsprojekt gwTriade². Aufbauend auf bereits etabliertem Wissen und bestehender Expertise wäre es realistisch, diese Forschung in praxistaugliche Monitoringprogramme zu integrieren und damit auch mit europäischen wie globalen Bestrebungen Schritt zu halten.

2 Ökologisches und ökotoxikologisches Grundwasserqualitätsmonitoring auf Basis eines integrativen Triade-Ansatzes.

Rote Listen zur Bewertung des Gefährdungspotenzials

Nebst einem langfristigen Monitoring wären Rote Listen ein wertvolles Werkzeug zum Schutz der Grundwasserfauna. Rote Listen sind standarisierte und anerkannte wissenschaftliche Gutachten, die den Gefährdungsgrad von Arten darstellen. Sie eignen sich somit insbesondere in der Praxis und Umsetzung von Schutz- und Managementmassnahmen. Bisher fehlen Rote Listen für Grundwasserökosysteme. Speziell bei den Grundwasserflohkrebsen wurden jedoch in der Schweiz in den letzten zehn Jahren entscheidende Grundlagen erarbeitet, die eine Erstellung von Roten Listen ermöglichen. Mit dem umfassenden Datensatz aus Schweizer Quellwasserfassungen besteht ein europaweit einzigartiger und standardisierter Datensatz. Anhand dieses fundierten Verständnisses von Verbreitung und Taxonomie der Flohkrebse wäre es nun erstmals realistisch, für den Lebensraum Grundwasser eine Organismengruppe mittels einer Roten Liste zu bewerten.

Angesichts der anstehenden Herausforderungen wie Klimawandel sowie stofflichen und thermischen Belastungen sind aus wissenschaftlicher Sicht die oben genannten Ansätze für den Schutz der Grundwasserökosysteme dringend erforderlich. Denn nur mit Monitoring und einer Roten Liste können Zustand und Veränderungen der Biodiversität im Grundwasser erfasst, verstanden und bei Bedarf geeignete Massnahmen abgeleitet werden.

 

Bibliographie

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[2] Schmidt, S. I. et al. (2025): Quantifying the effect of groundwater fauna and temperature on the ecosystem service of microbial carbon degradation. bioRxiv

[3] Altermatt, F.; Alther, R. (2024): Die einzigartige Biodiversität des Grundwassers braucht mehr Beachtung. Carte Blanche SCNAT.

[4] Couton, M. et al. (2023): Integrating citizen science and environmental DNA metabarcoding to study biodiversity of groundwater amphipods in Switzerland. Scientific Reports 13: 18097

[5] Couton, M. et al. (2023): Groundwater environmental DNA metabarcoding reveals hidden diversity and reflects land-use and geology. Molecular Ecology 32(13): 3497–512

[6] Knüsel, M. et al. (2024): Systematic and highly resolved modelling of biodiversity in inherently rare groundwater amphipods. Journal of Biogeography 51: 2094–108

[7] KnĂĽsel, M. et al. (2024): Pronounced changes of subterranean biodiversity patterns along a Late Pleistocene glaciation gradient. Ecography: e07321

[8] KnĂĽsel, M. et al. (2024): Terrestrial land use signals on groundwater fauna beyond current protection buffers. Ecological Applications 34(8): e3040

[9] Alther, R. et al. (2020): Reiche Grundwasserfauna: Pilotstudie fördert Artenvielfalt zutage. Aqua & Gas 100(7): 36–42

[10] Alther, R. et al. (2021): Citizen science approach reveals groundwater fauna in Switzerland and a new species of Niphargus (Amphipoda, Niphargidae). Subterranean Biology 39: 1–31

[11] Studer, A. et al. (2022): Erfassung der Grundwasserflohkrebse. Studie zur Artenvielfalt und Verbreitung im Einzugsgebiet der Töss. Aqua & Gas 102(4): 14–9

[12] Schneider, A. S. et al. (2024): Grundwasserbiodiversität: Makroinvertebraten in Schweizer Grundwasserökosystemen – Vorkommen, Vielfalt und Biomasse. Aqua & Gas 104(3): 16–21

[13] Altermatt, F. et al. (2019): Amphipoda (Flohkrebse) der Schweiz: Fauna Helvetica 32, info fauna CSCF & SEG, Neuchâtel

[14] Altermatt, F. et al. (2025): Utilizing aquatic environmental DNA to address global biodiversity targets. Nature Reviews Biodiversity 1(5): 332–46

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[17] Couton, M. et al. (2025): The Importance of Karstic Aquifers for the Past and Future Survival of Groundwater Amphipods. Diversity and Distributions 31(9)

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[19] Martin, P. et al. (2023): Haplotaxis gordioides (Hartmann in Oken, 1819) (Annelida, Clitellata) as a sub-cosmopolitan species: a commonly held view challenged by DNA barcoding. Zoosymposia 23

[20] BAFU (2019): Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, Stand 2016. Bundesamt fĂĽr Umwelt (BAFU): Umwelt- Zustand Nr. 1901

 

Dank

Dieser Artikel basiert auf jüngsten Studien der Forschungsgruppe um Florian Altermatt an der Eawag und der Universität Zürich. Unser Dank geht an alle, die zu diesen Studien beigetragen haben, insbesondere:

  • den involvierten Wasserversorgern,
  • den Studierenden und PraktikantInnen, die am Projekt mitgearbeitet haben,
  • dem Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU, dem Schweizerischen Nationalfonds SNF, der Eawag, der Universität ZĂĽrich und dem SVGW fĂĽr die finanzielle UnterstĂĽtzung.

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