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Fachartikel
28. November 2022

Gewässer- und Klimaschutz

Voralpen- und Jurarandseen: Veränderungen von Temperatur, Zirkulation und Sauerstoffgehalt

Die untersuchten Voralpen- und Jurarandseen sind über die Jahre sowohl im Oberflächen- wie auch im Tiefenwasser tendenziell wärmer geworden. Zudem hat sich die sommerliche Stagnationsdauer verlängert. Beides hat negative Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Sauerstoff im Tiefenwasser. Dies ist in den Voralpenseen gerade in Phasen mehrjähriger, kontinuierlicher Erwärmung des Tiefenwassers bereits erkennbar. Ohne konsequenten Gewässer- und Klimaschutz werden sich diese Effekte künftig noch deutlich verstärken.
Claudia Minkowski, Kristina Rehberger , Vinzenz Maurer, Katrin Guthruf, Fabian Bärenbold, Martin Schmid, 


Seit Beginn der kontinuierlichen Temperaturerfassung im Jahr 1864 durch das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz hat die bodennahe Lufttemperatur in der Schweiz um 2 °C zugenommen – doppelt so stark wie im weltweiten Durchschnitt (+0,9 °C). Davon fallen 1,3 °C allein auf den Zeitraum von 1992 bis 2021 [1]. Erwiesenermassen sind für die erhöhten Temperaturen die durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Temperaturzunahme führt zu ausgeprägteren und häufigeren Hitzewellen, anhaltenden Trockenperioden und einer Volumenreduktion der Alpengletscher von Jahr zu Jahr. Zudem prägen regelmässige Starkniederschläge das heutige Wettergeschehen, und die Niederschlagsmengen im Winter sind insgesamt gestiegen [1].

Die Folgen der Klimaerwärmung sind auch in den Schweizer Gewässern spürbar. So haben die Wassertemperaturen in Flüssen und Seen in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen [2]. In grösseren Seen dauert dadurch die stabile Wasserschichtung im Sommer länger an. Zudem zirkulieren die Seen seltener vollständig, was sich auf die ökologisch wichtigen Mischungsverhältnisse auswirkt [2]. Anhand ausgewählter Parameter aus dem Seemonitoring des Gewässer- und Bodenschutzlabors (GBL) des Kantons Bern zur Überwachung der Gewässerqualität [3] lässt sich die Entwicklung der Voralpen- und Jurarandseen in den letzten 26 resp. 21 Jahren diesbezüglich dokumentieren.

MONITORING

Seit 26 Jahren werden die drei grossen Berner Seen – Brienzer-, Thuner- (Voralpenseen) und Bielersee (Jurarandsee) – monatlich an der jeweils tiefsten Seestelle beprobt (1996–2021). Die mit dem Bielersee direkt verbundenen beiden anderen Jurarandseen, Neuenburger- und Murtensee, werden auf gleiche Weise in Zusammenarbeit mit den Kantonen Neuenburg, Freiburg und Waadt untersucht. Die Zeitreihe reicht 21 Jahre zurück (2001–2021) [4].

Unter anderem werden mit einer Multiparametersonde (bis 2021 Seabird SBE 19,
danach RBR Maestro) Tiefenprofile aufgezeichnet. Die Sonde wird an einem Drahtseil langsam abgesenkt und misst in schneller Abfolge gleichzeitig Tiefe (Drucksensor), Wassertemperatur, elektrische Leitfähigkeit, Trübung bzw. Lichttransmission, pH, Sauerstoff, Fluoreszenz (Chlorophyll a Äquivalent) sowie PAR (photosynthetisch aktive Strahlung). Für die Auswertung werden die Messwerte pro Tiefenmeter gemittelt. Diese Daten erlauben sehr gute Aussagen über die Schichtung, die Verteilung der Biomasse im See wie auch über die jahreszeitliche Sauerstoffentwicklung entlang des Tiefenprofils [3, 4].

Unter anderem wird anhand der Daten aus dem Seemonitoring des GBL untersucht, wie sich die Temperatur des Oberflächen- und Tiefenwassers der Seen in den letzten Jahren verändert hat. Es wird zudem errechnet, ob sich die Dauer der sommerlichen Wasserschichtung (= Stagnationsphase) verlängert hat. Beides beeinflusst den Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser, der ebenfalls dokumentiert und diskutiert wird.

RESULTATE

Wassertemperatur

Figur 1 zeigt die Temperatur der Seen an ihren tiefsten Stellen über die gesamte Wassersäule. Zwischen den Einzelwerten, die während des monatlichen Monitorings erhoben wurden, wurde für diese Darstellung linear interpoliert (Golden Software Surfer V16). Die Beobachtungen deuten in allen Seen auf einen Trend hin zu wärmeren Temperaturen über die letzten Jahre.

Die Entwicklung ist aber nicht in allen Seen und allen Schichten und auch nicht zu jeder Jahreszeit gleich stark ausgeprägt. Um dies genauer zu betrachten, wurden die Temperaturen (Monitoring-Einzelwerte) in zwei Tiefenschichten separat ausgewertet. Figur 2 zeigt beispielhaft die Temperatur für den Brienzer- und Bielersee in den oberen fünf Metern (nachfolgend als «Oberflächenwasser» bezeichnet) im Sommer (Juli – September) und Winter (Januar – März) sowie in den untersten zehn Metern (nachfolgend als «Tiefenwasser» bezeichnet) über das ganze Jahr. Die Trendlinie wurde über alle Datenpunkte eingezeichnet, es handelt es sich um eine lineare Regressionslinie basierend auf den gleitenden geglätteten Mittelwerten (R-code «geom_smooth(method = 'lm')»). Die Berechnungen für die anderen drei Seen werden nicht dargestellt, wurden aber analog durchgeführt.

Oberflächenwasser

Das Oberflächenwasser (= Epilimnion) wird gerne als der «lebendige» Teil des Sees bezeichnet. Es steht im direkten Einfluss der Sonneneinstrahlung, der Lufttemperatur sowie des Windes und reagiert daher zeitnah auf die Witterung. Die Verhältnisse am Tag und an den Vortagen der Probenahme haben deswegen einen grossen Einfluss auf die gemessenen Temperaturen. Das Oberflächenwasser der oberen fünf Meter hat sich über den ganzen Beobachtungszeitraum in allen Seen, basierend auf der Trendlinie der Sommermonate, um etwa 1–2 °C erwärmt (Beispiele Fig. 2A). In den Wintermonaten ist die Temperaturzunahme deutlich geringer, mit lediglich ca. 0,3 °C in den Aare-gespeisten Seen Brienzer-, Thuner- und Bielersee und mit ca. 1 °C im Murten- und Neuenburgersee. Entsprechend hat sich der saisonale Temperaturunterschied vom Sommer zum Winter im Oberflächenwasser über die Jahre vergrössert.

Tiefenwasser

Das Tiefenwasser (= Hypolimnion) unterliegt deutlich weniger den Wetterverhältnissen als das Oberflächenwasser, was sich auch in den kleineren saisonalen Schwankungen, also kompakteren Box-Plots, für die untersten zehn Meter zeigt (Beispiele Fig. 2C). Aus diesem Grund wurden die Berechnungen der Temperaturentwicklung im Tiefenwasser nicht pro Jahreszeit, sondern für das gesamte Jahr durchgeführt. Da das Tiefenwasser langsamer, jedoch konstanter auf Temperatureinflüsse reagiert, eignet es sich gut, um langfristige, weniger reversible Trends zu betrachten. In den drei Aare-gespeisten Seen Brienzer-, Thuner- und Bielersee beträgt die Temperaturzunahme im Tiefenwasser anhand der Trendlinie über die Zeitspanne von 26 Jahren ca. 0,2–0,3 °C. Im Neuenburger- und Murtensee ist der Trend der Erwärmung über die letzten 21 Jahre betrachtet deutlicher und beträgt ca. 0,6 resp. 1 °C. Die Trendlinien sind hypothetische Linien, die eine Abschätzung der Temperaturentwicklung über den Beobachtungszeitraum ermöglichen. Die Temperaturzunahme erfolgt aber in Wirklichkeit nicht gleichmässig und kann von Jahr zu Jahr variieren, was auch an der Wellenbewegung der Box-Plots erkennbar ist. Dieser Aspekt wurde näher betrachtet, indem die Jahresminima des Tiefenwassers (gemittelter Wert der untersten 10 m) berechnet wurden. In Figur 1 sind die Jahre mit blauen Pfeilen markiert, in denen dieser Wert höher ist als im Vorjahr – also eine Erwärmung stattfand. Häufig sind es die gleichen Jahre bei allen fünf Seen. Zudem fällt auf, dass die Phasen mit kontinuierlicher Erwärmung über mehrere Jahre in der letzten Dekade bei Brienzer-, Thuner-, Neuenburger- und Murtensee zugenommen haben.

Wenngleich es sich bei allen Seen um vermeintlich kleine Temperaturveränderungen handelt, so sollten diese ökologisch nicht unterschätzt werden. Beispielsweise kann die Zirkulationsphase eines Sees erst einsetzen, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser genügend klein resp. das Oberflächenwasser im Winter ausreichend kalt ist. Welchen Einfluss haben also diese Temperaturveränderungen auf die Zirkulation der Seen?

Zirkulationsverhalten

Wasser hat in Abhängigkeit der Wassertemperatur unterschiedliche Dichten. Vereinfacht gesagt, ermöglicht diese Eigenschaft eine vertikale Schichtung der Wassermassen. Die Schichtung bzw. Stagnation beginnt in den fünf hier besprochenen Seen im Frühjahr und dauert bis in den Herbst. Zum Winter hin kühlt das warme Oberflächenwasser ab, die Dichte erhöht sich, das Wasser sinkt ab – der See mischt sich bzw. zirkuliert. Eine vollständige Zirkulation des Wassers bis auf den Grund ist daher unter anderem durch eine einheitliche Temperatur oder Sauerstoffsättigung über die gesamte Wassersäule erkennbar.

Zur Quantifizierung der Dauer der Stagnationsphase wurde auf der Basis der Daten zu Figur 1 (lineare Interpolation zwischen den Messungen, Tagesintervall) eine einfache Berechnung angewendet: Für jeden See wurde die Tagesmitteltemperatur für die oberen fünf Meter (Oberflächenwasser) und die untersten zehn Meter (Tiefenwasser) ermittelt. Als Mass für die Dauer der Stagnationsphase wird die Zeit vom ersten bis zum letzten Tag betrachtet, an dem die Differenz zwischen Oberflächenwasser und Tiefenwasser 1,5 °C überschreitet.

Bei allen Seen ist ein Trend hin zu längeren Stagnationshasen ersichtlich (Fig. 3, Trendlinien nicht dargestellt). Die längeren Stagnationsphasen können dadurch erklärt werden, dass die Stagnation tendenziell immer früher im Jahr beginnt und zu einem späteren Zeitpunkt endet (Daten nicht dargestellt). Erwartungsgemäss liegen die Werte bei allen Seen in einem unterschiedlichen Schwankungsbereich und variieren von Jahr zu Jahr. Beim Thuner- und Bielersee fällt zusätzlich auf, dass in den letzten Jahren die Schwankungen von einem zum anderen Jahr abnahmen. Zudem hat sich die Stagnationsphase in dieser Zeit nicht weiter verlängert. Die anderen Seen scheinen diesem Trend ebenfalls zu folgen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser in den nächsten Jahren fortsetzt. Die kürzeren Stagnationsphasen im letzten Jahr (2021) können durch die starken und langanhaltenden Niederschläge im Frühjahr erklärt werden.

Beim vorliegenden Berechnungsmodell ist zu berücksichtigen, dass die ermittelte Stagnationsdauer durch die lineare Interpolation zwischen den monatlichen Stichproben relativ ungenau ist. In Wirklichkeit folgt die Temperatur eher einer Sinuskurve, die Dauer der Stagnation wird deshalb bei linearer Interpolation tendenziell unterschätzt. Tägliche Temperaturdaten, produziert vom eindimensionalen physikalischen See-Simulationsmodell Simstrat [5], sind daher besser geeignet, um die effektive Stagnationsphasendauer genau zu bestimmen [6]. Aus diesem Grund wurden ergänzend verschiedene Modelle zur Berechnung der Stagnationsdauer erstellt: (I) die kantonalen Profile linear interpoliert, (II) ein Modell über die Periode, für welche kantonale Profile vorliegen, und (III) ein Modell, das nur die Daten an den Tagen berücksichtigt, an denen auch ein kantonales Profil erstellt wurde (Simulationen nicht dargestellt).

Alle Modelle weisen darauf hin, dass die betrachtete Zeitspanne von 21 resp. 26 Jahren für fundierte Aussagen zu kurz ist und monatliche Stichproben eine gewisse Unsicherheit abbilden. Unterschiede entstehen zudem, je nach Datensatz und Grenzwert, die bei der Berechnung verwendet wurden. Nichtsdestotrotz bleibt die Hauptaussage weitestgehend die Gleiche, auch bei der Modellrechnung verlängert sich die Stagnationsphasendauer der Seen über die Jahre. Ob sich der Trend hin zu längeren Stagnationsphasen fortführen wird, bleibt aber vorerst unklar. Da sich sowohl das Oberflächenwasser als auch das Tiefenwasser erwärmen, könnte sich daraus ein neues Gleichgewicht einstellen.

Die aktuell längeren Stagnationsphasen und die Tatsache, dass die Seen heute wärmer werden, haben zur Folge, dass weniger kaltes, sauerstoffreiches Wasser verfügbar ist. Um die Auswirkungen davon im Tiefenwasser der Seen abzuschätzen, wurde in einem nächsten Schritt der Sauerstoffgehalt berechnet.

Sauerstoff

Der Abbau von organischem Material wie beispielsweise Algen führt im Tiefenwasser der Seen zu einer Zehrung des vorhandenen Sauerstoffs. Während der Stagnationsphase findet kein Austausch zwischen den Wasserschichten und somit kein Neueintrag von Sauerstoff statt. Erst durch die (vollständige) Zirkulation im Winter gelangt kühleres, sauerstoffreiches Wasser aus den oberen Schichten in die Tiefe, wodurch das entstandene Sauerstoffdefizit ausgeglichen wird.
Wieviel Algenmasse ein See produziert, hängt unter anderem vom vorhandenen Nährstoffangebot ab. Hohe Phosphor- und Stickstoffgehalte im See fördern die Algenproduktion, was wiederum eine stärkere Zehrung und dadurch tiefere Sauerstoffwerte zur Folge hat. In den vergangenen 50 Jahren wurden zahlreiche Gewässerschutzmassnahmen umgesetzt, um die zu hohen Nährstoffzufuhren aus den Einzugsgebieten zu minimieren und dadurch die Sauerstoffkonzentrationen in den Seen zu erhöhen. Die steigenden Wassertemperaturen wirken dem aus mehreren Gründen wieder entgegen: Höhere Wassertemperaturen bewirken eine geringere Sauerstoff-Löslichkeit und verstärken die Zehrung durch einen beschleunigten mikrobiellen Abbau. Durch die längere Stagnationsphase verlängert sich zudem die verfügbare Zeit für den Sauerstoffabbau. Des Weiteren führt eine unvollständige Zirkulation im Winter zu einem geringeren Nachschub von Sauerstoff ins Tiefenwasser.
Figur 4 zeigt die Sauerstoffmengen im Tiefenwasser der Seen über den ganzen Beobachtungszeitraum (Menge im Volumen der untersten zehn Meter pro See in Tonnen). Dabei ist in den Jurarandseen die deutliche Sauerstoffabnahme während der Stagnationsphase sowie der beschriebene Sauerstoffausgleich während der Zirkulation zu erkennen. Diese Fluktuation entspricht dem zu erwartenden Bild und deutet auf einen jährlich zirkulierenden See hin. Beim Bieler- und Neuenburgersee nehmen die Sauerstoffmengen gemäss Trendlinie (nicht dargestellt) über die betrachtete Zeitspanne leicht zu, im Murtensee scheinen sie gleichbleibend. Es wird aber auch deutlich, dass besonders der Murten- wie auch der Bielersee jedes Jahr extrem niedrige Sauerstoffwerte im Tiefenwasser erreichen. Dank der Bestrebungen im Gewässerschutz wird im Bielersee der in der Gewässerschutzverordnung geforderte Sauerstoff-Grenzwert von 4 mg pro Liter immer seltener unterschritten. Der Sauerstoffgehalt im Murtensee unterschreitet jedoch noch immer regelmässig den Grenzwert, was die Notwendigkeit eines intensiveren Gewässerschutzes unterstreicht.

In den beiden Voralpenseen schwankt die Sauerstoffmenge unregelmässig von Jahr zu Jahr (Fig. 4). Eine gleichförmige Fluktuation wie in den Jurarandseen ist bei den Voralpenseen nicht zu erkennen. Der Brienzersee zeigt zu Beginn des Monitorings die niedrigsten Werte – retrospektiv können diese nicht mehr erklärt werden. Ab ca. 1998 bleiben die Werte meist oberhalb 600 Tonnen und der Sauerstoffgehalt ist für diese Zeitspanne tendenziell leicht rückläufig (Trendlinie nicht dargestellt). Im Thunersee ist die Sauerstofftonnage über den ganzen Beobachtungszeitraum (1996–2021) ebenfalls tendenziell leicht rückläufig. Zudem nimmt die Sauerstoffmenge in der Tiefe bei beiden Seen phasenweise stark ab, beispielsweise im Thunersee von ca. 2012 bis 2017 um ca. 200 Tonnen. Diese Zeitspannen korrelieren mit den Phasen mehrjähriger, kontinuierlicher Erwärmung des Tiefenwassers (Fig. 1, blaue Pfeile). Nebst den beschriebenen Effekten (höhere Temperaturen, längere Stagnation) deutet diese phasenweise Sauerstoffabnahme auch auf eine unvollständige Zirkulation in diesem Zeitraum hin. Folglich haben die Veränderungen der Temperatur wie auch des Zirkulationsverhaltens insbesondere in den beiden Voralpenseen bereits einen Einfluss auf die verfügbare Sauerstoffmenge im Tiefenwasser.

FAZIT UND AUSBLICK

Die dargestellten Daten zeigen auf, dass die Seen über die letzten 26 resp. 21 Jahre tendenziell wärmer geworden sind. Wenngleich die beobachteten Trends je nach Parameter und See variieren, ist die Temperatur heute in allen Seen höher. Zudem verlängert sich die Stagnationsdauer, was teils bereits negative Auswirkungen auf den Sauerstoffvorrat im Tiefenwasser hat. Dies ist in den Voralpenseen gerade in Phasen mehrjähriger, kontinuierlicher Erwärmung des Tiefenwassers besonders erkennbar. Die Bestrebungen im Gewässerschutz hin zu einer Reduktion der Nährstoffeinträge, um Gewässer wie beispielsweise den Bielersee wieder auf seinen ursprünglichen Zustand zurückzuführen und so die Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser zu reduzieren (= Reoligotrophierung), haben in der Vergangenheit Früchte getragen. Sie ermöglichen es, dass der in der Gewässerschutzverordnung geforderte Sauerstoff-Grenzwert von 4 mg pro Liter heute häufiger eingehalten werden kann. Eine Erhöhung der Wassertemperaturen würde jedoch, wie auch in diesem Bericht gezeigt, niedrigere Sauerstoffwerte zur Folge haben. Die Errungenschaften des Gewässerschutzes können so durch ein Fortschreiten der Klimaerwärmung teilweise wieder zunichtegemacht werden. Da der Klimawandel also quasi gegen den Gewässerschutz arbeitet, erfordert dies ein noch konsequenteres und intensiveres Umsetzen der Gewässerschutzmassnahmen.
Wie werden sich diese Effekte in Zukunft weiterentwickeln? Um diese Frage zu beantworten, wurden im Hydro-CH2018-Projekt [2] verschiedene Szenarien für 29 Schweizer Seen, darunter der Brienzersee, für die Jahre 2081 bis 2099 berechnet [7, 8]. Im Fokus standen Temperaturen und Mischungsprozesse, angewendet wurde das eindimensionale physikalische See-Simulationsmodell Simstrat [5]. Dabei zeigt sich, dass die Temperatur im Brienzersee bis Ende des Jahrhunderts (2081–2099) im Vergleich zur Referenzperiode 1982 bis 2010 mit konsequentem Klimaschutz im Oberflächenwasser um rund 1 °C zunehmen wird, im Tiefenwasser um ca. 0,6 °C. Ohne Klimaschutz beträgt die Zunahme 3,5 °C im Oberflächenwasser und 2 °C im Tiefenwasser. Auch die Dauer der Sommerstagnation wird im Brienzersee weiter zunehmen, die Berechnungen sagen mit konsequentem Klimaschutz bis Ende des Jahrhunderts (2081–2099) eine Verlängerung von ca. zehn Tagen voraus, ohne Klimaschutz eine Verlängerung von rund 17 Tagen im Vergleich zur Referenzperiode 1982 bis 2010. Die möglichen Szenarien zeigen also auf, dass sich die Schweizer Gewässer insbesondere ohne Klimaschutz weiter stark erwärmen werden. Gerade in den Sommermonaten werden künftig für Wasserlebewesen kritische Temperaturen häufiger überschritten [9, 10] und das veränderte Mischungsverhalten hat grosse Auswirkungen auf die Seeökosysteme.
Welches Szenario schlussendlich eintreten wird, hängt stark davon ab, wie gut es uns als Gesellschaft gelingen wird, die Treibhausgase weiter zu senken und die Klimaziele schnellstmöglich zu erreichen. Neben dem konsequenten Gewässerschutz braucht es folglich jetzt und in Zukunft auch einen stringenten Klimaschutz.

Bibliographie

[1] National Centre for Climate Services NCCS (2018): Klimaszenarien fĂĽr die Schweiz, verfĂĽgbar unter: https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/klimawandel-und-auswirkungen/schweizer-klimaszenarien/zahlen-und-fakten.html
[2] BAFU (Hrsg.) 2021: Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Gewässer. Hydrologie, Gewässerökologie und Wasser­wirtschaft. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2101: 134 S.
[3] Gewässer- und Bodenschutzlabor des Amts für Wasser und Abfall BE (2019): Gewässermonitoringkonzept für die Fliessgewässer, Seen und Grundwasser im Kanton Bern. Daten verfügbar unter: https://www.bvd.be.ch/de/start/themen/wasser/gewaesserqualitaet.html
[4] Arbeitsgruppe BENEFRI der Gewässerschutzfachstellen der Kantone Bern, Freiburg und Neuenburg zur Überwachung des Bieler-, Murten- und Neuenburgersees. Informationen und Daten verfügbar unter: http://www.die3seen.ch
[5] Gaudard, A. et al. (2019): Toward an open access to high-frequency lake modeling and statistics data for scientists and practitioners–the case of Swiss lakes using Simstrat v2. 1, Geoscientific Model Development, 12(9), p. 3955–3974
[6] Engelhardt, Ch. et al. (2014): Criteria for the onset and breakup of summer lake stratification based on routine temperature measurements, Fundamental and Applied Limnology 184/3, p. 183–194
[7] RĂĄman VinnĂĄ, L. et al. (2021): The vulnerability of lakes to climate change along an altitudinal gradient, Communications Earth & Environment, 2, 35
[8] Michel, A. et al. (2021): Evolution of stream and lake water temperature under climate change. Hydro-CH2018 Project, im Auftrag des Bundesamtes fĂĽr Umwelt BAFU, 3003 Bern, Schweiz
[9] Alexander, T. et al. (2021): Diversity, distribution and community composition of fish in perialpine lakes – «Projet Lac» synthesis report, Eawag: Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology, Kastanienbaum
[10] Seehausen, O. et al. (2022): Einfluss von Umweltfaktoren auf Fischartengemeinschaften, Aqua & Gas, 7+8/22, p. 72–80

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