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21. Juni 2017

Interview

«Ein Grundlagendokument»

Obwohl er sich die Leitlinie für eine gute Verfahrens­praxis in Trinkwasserversorgungen (W12) zwanzig Jahre früher gewünscht hätte, begrüsst sie der Leiter des Solothurner Trink- und Badewasserinspektorats, Stephan Christ. Sie könne zu einer Vereinheitlichung der Selbstkontrolle beitragen.
  

Wie reagierten Sie, als Sie erfuhren, dass das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Leitlinie des SVGW akzeptiert hat?
Stephan Christ: Gut, dass das BLV die W12 akzeptiert hat. Diese Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis in Trinkwasserversorgungen ist doch ein gutes Handbuch für die Betreiber von öffentlichen Wasserversorgungen, um die gesetzlichen Vorgaben der Selbstkontrolle zu erfüllen, und für den Vollzug ein weiterer Schritt zur gesamtschweizerischen Harmonisierung.

Wie weit war der Wunsch nach einer Leitlinie bei den Versorgern, aber auch bei Ihnen im Vollzug vorhanden?
Ich hätte mir diese Leitlinie vor 20 Jahren gewünscht, als in der Schweiz die Betreiber von Wasserversorgungen verpflichtet wurden, ihre Selbstkontrolle zu regeln. So hat jeder Kanton selber festgelegt, welche Bereiche im Selbstkontrollkonzept der Wasserversorgungen vorhanden sein müssen. Seitens Wasserversorgungen sind bei uns nur wenige Reaktionen eingegangen.
Bei zukünftiger Überarbeitung des Selbstkontrollkonzepts werden wir die Betreiber von Wasserversorgungen auf jeden Fall auf die W12 hinweisen.

Welches sind die grössten Defizite bei der Selbst­kontrolle der Wasserversorgungen?
Der Teil Gefahrenanalyse ist oft nicht an die konkreten, betrieblichen Risiken der Wasserversorgung angepasst. Das erweiterte Untersuchungsprogramm im Rahmen der Selbstkontrolle wird gemacht, dass es gemacht ist. Die Wasserversorgungen setzen sich aber zu wenig mit der Frage auseinander, was wirklich die Gefahren im Einzugsgebiet einer Wasserversorgung sind. So untersuchen oft Wasserversorger mit Landwirtschaft im Einzugsgebiet immer noch Atrazin im Trinkwasser, obwohl dieses seit Jahren nicht mehr nachgewiesen werden kann, da deren Einsatz verboten ist. Ob andere Herbizide eingesetzt werden, wird dagegen nicht untersucht.

Die Leitlinie umfasst auch Organisation und Kompetenzen. Welcher Handlungsbedarf besteht da?
Gerade in Zweckverbänden sind Organisation und Verantwortlichkeiten zu wenig präzise geregelt. Oft fehlt eine klare Abgrenzung, wer für was verantwortlich ist. In der W12 ist genau beschrieben, welche Bereiche in der Organisation geregelt sein sollten.

Was erwarten Sie, dass die W12 bewirken wird?
Ich stelle mir vor, dass bei einer Überarbeitung des bestehenden Selbstkontrollkonzepts die W12 als Grundlageninstrument eingesetzt wird. Dadurch können bestehende Dokumente präzisiert und qualitätsrelevante Schwachstellen behoben werden.
Die W12 wird ihren Teil dazu beitragen, dass das oberste Gebot für eine Wasserversorgung, ihren Bezügern stets gesundheitlich unbedenkliches, sicheres Trinkwasser zu liefern, auch in Zukunft der Realität entspricht.

Wie erleichtert die W12 für Sie als Vertreter des Vollzugs Ihre Arbeit?
Wir werden die W12 erst einmal in Ruhe studieren und anschliessend entscheiden, ob wir den Betreibern von Wasserversorgungen empfehlen, das Selbstkontrollkonzept nach den Vorgaben der W12 zu aktualisieren. Die detaillierten Checklisten der W12 werden wir zum Beispiel für die Inspektion oder zur Vorprüfung von Bauprojekten als Hilfsmittel beiziehen.

Lange haben Sie ohne eine Leitlinie auskommen müssen. Braucht es jetzt überhaupt noch diese Vereinheitlichung des Vollzugs?
Ja, so muss das Rad nicht in jedem Kanton neu erfunden werden. Ich begrüsse solche Leitlinien. Die Leitlinie bildet den heutigen Stand des Wissens gut ab.

Werden die Versorger Gebrauch von der W12 machen oder ihr eigenes Kontrollsystem beibehalten?
Das ist schwierig vorauszusagen. Wichtig ist mir eine solide Ausbildung der Personen in der Wasserversorgung, die für das Selbstkontrollkonzept verantwortlich sind. Dabei sollten in diesem Bereich nicht nur die Brunnenmeister geschult werden, sondern auch Kurse für die zuständigen Gemeinderäte oder Personen mit ähnlichen Kompetenzen angeboten werden. Denn hier liegt die Verantwortung.

Sehen Sie bereits Themen am Horizont, die in der ersten W12 noch nicht enthalten sind, aber eventuell in einer zukünftigen aufgegriffen werden müssen?
Die gibt es im Bereich des erweiterten Untersuchungsprogrammes. Die Betreiber gerade von kleineren Wasserversorgungen sollten Unterstützung erhalten, welche Parameter abhängig von den Gefahren im Einzugsgebiet einer Wasserversorgung untersucht werden müssen.

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Stephan Christ studierte nach einigen Jahren als Biologielaborant in der Industrie an der Fachhochschule Wädenswil Biotechnologie. 2006 begann er seine Arbeit als Trink- und Badewasserinspektor bei der Lebensmittelkontrolle im Kanton Solothurn. Nach dem Abschluss des Nachdiplomstudiums DAS in Water Safety an der Uni Basel leitet er seit 2013 die Sektion Trink- und Badewasser. Nebst Tätigkeiten in vielen Facharbeitsgruppen ist Christ seit fünf Jahren Delegierter der Schweizer Trink- und Badewasserinspektoren.

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