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Fachartikel
10. November 2025

Current Magnetometry Inspection

Wirkungsnachweis des kathodischen Korrosionsschutzes mit neuem Verfahren

Dank der systematischen Anwendung des kathodischen Korrosionsschutzes ist ein dauerhafter und sicherer Betrieb von Rohrleitungen möglich. Mit der Current Magnetometry Inspection (CMI) ist neu ein Verfahren verfügbar, das die Wirksamkeit des Korrosionsschutzes weiterführend zu bewerten vermag. Damit können teure Freilegungen verhindert und die Sicherheit der Rohrleitungen erhöht werden.
Markus Büchler 

Erdverlegte Rohrleitungen werden üblicherweise mit einem Aussenkorrosionsschutz, bestehend aus einer Kombination von Aussenumhüllung und einem kathodischen Korrosionsschutz (KKS), vor integritätsrelevanten Wandstärkenminderungen geschützt. Die Wirksamkeit dieses KKS ist gemäss den Vorgaben der SN EN ISO 15589-1 in Bezug auf das Schutzpotenzial (Ep) in regelmässigen Abständen basierend auf der Messung des IR-freien Potenzials (EIR-frei) nachzuweisen. Dieser Nachweis der Wirksamkeit ist erbracht, wenn Gleichung (1) für jede Umhüllungsfehlstelle der Rohrleitung erfüllt ist, wobei Ep bei normalen Bedingungen einen Wert von -0,85 VCSE aufweist.

EIR-frei < Ep    (Gl. 1)

Die Problematik in Bezug auf die Umsetzung der normativen Vorgaben besteht nun darin, dass die Erfassung des EIR-frei auf modernen Rohrleitungen aufgrund der hochwertigen Umhüllungsqualität oft nicht möglich ist, da der fliessende Strom und die daraus resultierenden Spannungsgradienten im Boden zu gering sind. Zusätzlich erschwert wird der Wirkungsnachweis durch die – gerade bei modernen Rohrleitungen – oft erhöhte Wechselspannungsbeeinflussung sowie durch die zusätzliche Streustrombeeinflussung [1]. Angesichts dieser Schwierigkeiten wird zum Wirkungsnachweis oft eine Fehlstellenortung basierend auf einer Gleichstrom-Spannungsgradienten-Messung (Direct Current Voltage Gradient, DCVG) durchgeführt. Durch Freilegung und Nachumhüllung wird dabei ein direkter Nachweis des Korrosionszustands und die Wiederherstellung der lokalen Fehlstellenfreiheit erreicht. In Ermangelung eines Wirkungsnachweises des KKS nach Gleichung (1) wird dabei eine möglichst fehlstellenfreie Umhüllung angestrebt. Dieser Ansatz ist sehr konservativ, da bisher nur in wenigen Fällen eine Freilegung aus betrieblicher Sicht tatsächlich erforderlich war. In den meisten Fällen war der KKS wirksam. Daher wird die Bewertung der Rohrleitungsintegrität oft mittels Inline-Inspektionen (ILI) mit sogenannten Magnetflussmolchen durchgeführt. Diese messen direkt die Wandstärkenminderung als Folge von unwirksamem KKS. Dieses Vorgehen reduziert die Anzahl unnötiger Freilegungen. ILI kann aber nur auf entsprechend ausgelegten Rohrleitungen im Transportnetz angewandt werden. Im Verteilnetz bestehen daher bis heute keine alternativen Verfahren zur Fehlstellenortung und Freilegung.

Im Rahmen eines DVGW-Forschungsvorhabens werden aktuell neue Methoden für den Wirkungsnachweis des KKS untersucht. Dabei hat insbesondere die Technologie zur Bewertung der Rohrleitungsintegrität basierend auf Current Magnetometry Inspection (CMI) bereits sehr vielversprechende Ergebnisse geliefert [2]. Das neue Verfahren kann die Messung des EIR-frei deutlich verbessern. Ausserdem hat es das Potenzial, den Korrosionsschutz auch an kleinsten Umhüllungsfehlstellen zu bewerten, was erstmals eine umfassende Bewertung des Korrosionsschutzes, der Rohrleitungsintegrität und damit der Betriebssicherheit von erdverlegten Rohrleitungen ermöglichen kann [3]. Die Grundlagen von CMI und die Konsequenzen für die Betreiber in Bezug auf den Wirkungsnachweis des KKS werden im Folgenden diskutiert.

Der kathodische Korrosionsschutz

Für die Diskussion von neuen Methoden für den Wirkungsnachweis des KKS ist es unerlässlich, die zugehörigen Mechanismen kurz darzulegen. Der durch den KKS erzwungene Stromeintritt in die Stahloberfläche von Umhüllungsfehlstellen bewirkt eine Erhöhung des pH-Werts [4, 5]. Insbesondere bei guter Bettung der Rohrleitung im Boden oder Sand führen bereits geringe Schutzstromdichten zur Bildung von Deckschichten, die den weiteren Korrosionsprozess stark begrenzen. Dieser Prozess ist schematisch in Figur 1dargestellt. Mit dem Einschalten des KKS senkt sich das EIR-frei (roter Punkt) entlang der grünen Linie auf Werte kathodisch der Wasserstoffentwicklung ab. Der kathodische Strom führt zur Bildung von Lauge, die im Laufe der Zeit den pH-Wert an der Stahloberfläche erhöht. In der Folge verschiebt sich das EIR-frei entlang der Wasserstoffentwicklung sowohl in negativer Richtung als auch hin zu höheren pH-Werten. Sobald der pH-Wert höher als 9 ist, sind die Voraussetzung für Passivität und damit für einen wirksamen Korrosionsschutz erreicht [6]. In Figur 1 ist erkennbar, dass an diesem Punkt ebenfalls das EIR-frei das Ep von –0,85 VCSE unterschreitet. Dieser Zusammenhang verdeutlicht die Wirkungsweise des KKS sowie die Plausibilität von Ep und die Richtigkeit der normativen Vorgaben. Aus Figur 1 folgt aber sofort auch die grundsätzliche Problematik des Wirkungsnachweises basierend auf dem EIR-frei. Die Bedingung für wirksamen KKS gemäss Gleichung (1) ermöglicht den Wirkungsnachweis für alle Umhüllungsfehlstellen, die sich in Bezug auf pH-Wert und Potenzial innerhalb des orangen Bereichs in Figur 1 befinden (EIR-frei < –0,85 VCSE). Nun ist aber bekannt [4], dass Stahl auch innerhalb des roten Bereichs in Figur 1 wirksam vor Korrosion geschützt ist, obwohl dort die Bedingung gemäss Gleichung (1) nicht erfüllt ist (EIR-frei > –0,85 VCSE). Insbesondere in hochohmigen gut belüfteten Böden ist es oft nicht möglich, den Sauerstoff zu entfernen und das Potenzial bis zur Wasserstoffentwicklungslinie abzusenken. In der Folge liegen die Potenziale oft im roten Bereich. Dies führt zum irrtümlichen Schluss, dass kein wirksamer KKS vorliegt. Folglich werden zahlreiche Freilegungen vorgenommen, die betrieblich nicht notwendig sind und somit lediglich hohe Kosten verursachen, aber keinen Gewinn an Sicherheit ergeben. Gemäss [7] beträgt der Anteil dieser unnötigen Freilegungen 95%. Die Einführung eines ergänzenden Kriteriums für den Wirkungsnachweis ist somit aus betriebs- sowie volkswirtschaftlicher Sicht dringend erforderlich.

Messtechnische Erfassung

Generelles

Die Bewertung der Wirksamkeit des KKS erfordert die Messung des EIR-frei an jeder Umhüllungsfehlstelle der Rohrleitung. Voraussetzung für den Wirkungsnachweis ist somit die vorgängige Lokalisierung sämtlicher Umhüllungsfehlstellen. Bisher wurde die Ortung der Umhüllungsfehlstellen sowie die Ermittlung des EIR-frei mit Hilfe der sogenannten Intensivmessung (IM) vorgenommen. Es wurde im Rahmen eines DVGW-Forschungsvorhabens nachgewiesen [3], dass CMI in Bezug auf die Ortung von Umhüllungsfehlstellen als auch in Bezug auf den Wirkungsnachweis deutlich zuverlässigere Ergebnisse liefert. Die Gründe für die verbesserten Ergebnisse mit CMI wurden in [8] diskutiert. Die beiden Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Die Intensivmessung

Die Messanordnung der IM ist in Figur 2 dargestellt. Zusätzlich zur Erfassung des Spannungsgradienten UDC bei angeschlossenem und abgetrenntem Schutzstromgerät wird zeitgleich das Eon respektive das Eoff der Rohrleitung bei getaktetem Schutzstrom erfasst. Üblicherweise wird der Potenzialanschluss an die Rohrleitung mitgezogen, damit die zeitgleiche Erfassung des Rohrleitungspotenzials und des Spannungsgradienten bei ein- (UDC,on) und ausgeschaltetem Schutzstrom (UDC,off) vereinfacht ist. Damit ist es mit der Intensivmessung möglich, über die Differenz von UDC,on und UDC,off die Lage von Fehlstellen zu detektieren und das zugehörige EIR-frei zu ermitteln. Für einen zuverlässigen Wirkungsnachweis muss aber UDC,on in der Regel grösser als 100 mV sein, was die Anwendung des Verfahrens auf ältere Rohrleitungen mit grösseren Umhüllungsfehlstellen beschränkt [8].

Curren Magnetometry Inspection

Im Gegensatz zu IM basiert CMI nicht nur auf der Messung von Spannungsgradienten im Erdreich, die durch den KKS im Nahbereich von Fehlstellen erzeugt werden. Vielmehr wird zusätzlich zum Schutzstrom ein Wechselstrom auf die Rohrleitung aufgebracht (Fig. 3). Die Stärke des Wechselstroms lässt sich über das resultierende elektromagnetische Feld mit Hilfe von Sensoren entlang der Rohrleitung erfassen [2]. Bei Fehlstellen kommt es zu Stromdurchtritt ins Erdreich und damit zu einer Abschwächung des Wechselstroms in der Rohrleitung. Dieses Verfahren wird daher als Stromabschwächungsmessung (SAM) bezeichnet. Im Falle von CMI wird die SAM zusätzlich ergänzt durch die Messung des Wechselspannungsgradienten UAC zwischen zwei auf der Erdoberfläche aufgesetzten Elektroden (Fig. 3). Diese Wechselspannungsgradientenmessung wird üblicherweise als ACVG (Alternating Current Voltage Gradient) bezeichnet. Da der KKS während der CMI unter Normalbetrieb bleibt, tritt an jeder Fehlstelle zusätzlich auch ein Gleichspannungsgradient auf, der als UDC,on erfasst wird.

Basierend auf diesen Daten ergeben sich neue, wesentliche Bewertungsmöglichkeiten, die im Folgenden kurz ausgeführt werden: Mit Hilfe der Rohrlängsimpedanz und dem ermittelten Wechselstrom IAC lässt sich ausgehend von den kontinuierlich erfassten Werten das EAC an der jeweiligen Position der Bezugselektroden entlang der Rohrleitung ermitteln. Basierend auf dem aus der Rohrleitung austretenden Wechselstroms IAC kann der Ausbreitungswiderstand jeder detektierten Fehlstelle entlang der Rohrleitung ermittelt werden. Weiter sind aufgrund der Frequenzabhängigkeit des Ausbreitungswiderstands Rückschlüsse in Bezug auf die Bildung oder aber auf das Fehlen von korrosionsschützenden Deckschichten möglich. Auf Basis dieser Daten und in Kombination mit den ermittelten Werten von UAC lässt sich der zugehörige Bodenwiderstand jeder Fehlstelle berechnen. Abschliessend kann aus den Werten von UAC, UDC, EAC und Eon zusätzlich das EIR-frei selbst bei kleineren Fehlstellen ermittelt werden.

Mit CMI ist es somit möglich, sowohl Fehlstellen mit sehr hoher Genauigkeit zu detektieren als auch den Wirkungsnachweis basierend auf dem EIR-frei gemäss SN EN 15589-1 zu erbringen. Im Gegensatz zur IM hat CMI einen wesentlichen Vorteil: KKS kann während der Messung konstant beim üblichen Eon betrieben werden. Denn bei CMI erfolgt die Ortung der Fehlstelle zusätzlich auch mit ACVG. Durch Erhöhung der Wechselspannung wird die Ortung von Umhüllungsfehlstellen stark verbessert, ohne deren Polarisation relevant zu verändern. Damit ist es mit CMI erstmals möglich, in einem Messdurchgang sowohl den Nachweis der Fehlstellenfreiheit als auch den Wirkungsnachweis selbst an kleineren Fehlstellen zu erbringen.

Schlussfolgerung

Durch Kombination mehrerer Messverfahren erreicht CMI gegenüber der IM eine verbesserte Auflösung – sowohl in Bezug auf die Detektion von Umhüllungsfehlstellen als auch auf den Wirkungsnachweis basierend auf dem EIR-frei –, was in Kombination zu einer deutlich verbesserten Bewertung der Wirksamkeit des KKS führt. Die Gründe für die höhere Zuverlässigkeit gemäss [2] und [8] lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Durch kontrolliertes Aufbringen und Erfassen von Gleich- und Wechselströmen mit definierter Frequenz und Phasenlage kann jeder Messwert mit einem entsprechenden Anregungssignal in Bezug auf Stärke und Phase korreliert werden.

b) Die Potenzialverteilung und Spannungsgradienten entlang der Rohrleitung werden mit hoher geometrischer Auflösung von unter einem Meter in Bezug auf Stärke und Phase erfasst.

c) Die hohe Anzahl an Magnetfeldsensoren, die das elektromagnetische Feld der aufgeprägten Ströme in allen drei Raumrichtungen erfassen, erlaubt die Modellierung der Feldverteilung, die exakte Ortung der Rohrleitung und die Berechnung des Rohrstroms sowie auch des Leckstroms für jeden Zentimeter der Leitung.

d) Durch Kombination der Messwerte in a), b) und c) kann die Plausibilität der Ergebnisse validiert werden, da ein lokaler UAC zwingend auch einen lokalen Stromdurchtritt IAC und einen UDC,on aufweisen muss.

Die Kombination von SAM, ACVG und DCVG sowie die zugehörige numerische Modellierung und die kausale Verknüpfung sämtlicher Daten ermöglicht eine deutlich verbesserte Auflösung und Genauigkeit von CMI in Bezug auf die Detektion von Umhüllungsfehlstellen, den Wirkungsnachweis basierend auf EIR-frei sowie die weiterführende Bewertung basierend auf der Deckschichtbildung.

 

Erfahrungen aus Freilegungen 

Zur Validierung wurden die IM und CMI auf Rohrleitungen angewandt (Fig. 4). Basierend auf den Freilegungen und der zugehörigen Untersuchung der Stahloberfläche wurde eine direkte Bewertung der verschiedenen Verfahren ermöglicht. Typische Befunde werden im Folgenden anhand von Freilegungen des Schweizer Projektpartners vorgestellt. Allen Beispielen ist gemeinsam, dass die Rohrleitungen in den frühen Siebzigerjahren mit einer Polyethylen-Aussenumhüllung erstellt wurden. Auch nach mehr als 50 Jahren Betrieb ist die Aussenumhüllung in gutem Zustand und der Schutzstrombedarf noch immer sehr gering. Aufgrund der hervorragenden Werks- sowie Schweissnahtnachumhüllung liegen auf diesen Rohrleitungen keine Umhüllungsfehlstellen vor, die eine Erfassung vonEIR-frei und somit einen Wirkungsnachweis entsprechend SN EN ISO 15589-1 ermöglichen. Für sämtliche nicht molchbaren Leitungsabschnitte, wie zum Bespiel die Stationsverrohrung, ist somit mit IM kein Nachweis der Wirksamkeit des Korrosionsschutzes sowie der Rohrleitungsintegrität möglich.

Beispiel 1

Auf der Leitung 1 wurde mit der IM zunächst kein Spannungsgradient und somit keine Umhüllungsfehlstelle identifiziert. Nach der Identifikation einer Fehlstelle mit CMI wurde mit der IM eine erneute Messung bei deutlich erhöhtem Schutzstrom (Überschutzbedingungen) durchgeführt. Der Spannungsgradient in der Grössenordnung von 0,1 mV bestätigte die Position der von CMI identifizierten Fehlstelle. Aufgrund des sehr geringen Spannungsgradienten war es weder mit CMI noch mit IM möglich, ein EIR-frei für die Umhüllungsfehlstelle zu ermitteln. Basierend auf CMI wurde aber auf eine gewisse, wenn auch geringe Deckschichtbildung von ca. 4,5% geschlossen.

Die Freilegung zeigte eine Umhüllungsfehlstelle mit einer Fläche von ca. 1 cm2 in der PE-Umhüllung, die in feinem Sand gebettet war (Fig. 5). Die Fehlstelle entstand vermutlich durch mechanische Einwirkung während des Rohrleitungsbaus. Die pH-Messung ergab einen Wert von ca. 9, und die weiterführende Prüfung zeigte das Vorhandensein einer Kalkdeckschicht in der Umhüllungsfehlstelle. Sowohl der erhöhte pH-Wert als auch die Verkalkung sind charakteristisch für einen wirksamen KKS gemäss [4]. Aufgrund dieser Ergebnisse kann geschlossen werden, dass ein wirksamer KKS an der Umhüllungsfehlstelle vorlag und die Bewertung mit CMI korrekt war.

Beispiel 2

Auf der stark wechselspannungsbeeinflussten Leitung 2 zeigte CMI eine Umhüllungsfehlstelle mit einer Deckschichtbildung von 41% an einer Stelle an, die bereits im Jahr 1999 aufgrund eines Wechselstromkorrosionsangriffs freigelegt und instandgesetzt worden ist. Auf dem betroffenen Leitungsabschnitt ist es nicht möglich, eine IM durchzuführen, da aufgrund der starken Wechselspannungsbeeinflussung die Abgrenzeinheiten und die Erdungsanlagen aus Gründen des Personenschutzes nicht von der Rohrleitung getrennt werden dürfen. Mit CMI kann auch ohne Unterbrechen des Schutzstroms und ohne Abtrennen von Erdungsanlagen eine Messung für den Wirkungsnachweis vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall war basierend auf CMI mit einer Deckschichtbildung und somit mit einem wirksamen KKS zu rechnen. Figur 6 zeigt die freigelegte Umhüllung. Visuell war keine Fehlstelle zu erkennen und auch die Hochspannungsprüfung bestätigte die Porenfreiheit der Nachumhüllung der Reparaturstelle von 1999. Beim Abschälen der Nachumhüllung wurde aber festgestellt, dass die Oberflächenvorbereitung des Rohrs vor der Applikation des Bandsystems nicht ausreichend war. In der Folge ist Wasser unter die Nachumhüllung eingedrungen und an die Stahloberfläche gelangt. Der pH-Wert zwischen dem Stahl und der enganliegenden Nachumhüllung war deutlich erhöht. Auszumachen waren nur lokal geringfügige Korrosionserscheinungen ohne messbare Querschnittsminderung. Die Freilegung bestätigte somit die mit Hilfe von CMI festgestellte Wirksamkeit des KKS.

Beispiel 3

Bei der Leitung 3 wurden mit CMI drei Umhüllungsfehlstellen in einem asphaltierten Streckenabschnitt erfasst. Die Spannungsgradienten der Fehlstellen waren ausreichend, um EIR-frei zu berechnen. Im Gegensatz dazu konnten mit IM auf diesem Abschnitt keine Umhüllungsfehlstellen detektiert werden.

Die Bewertung der Fehlstellen mit CMI hat ergeben, dass Gleichung (1) für alle Fehlstellen erfüllt und somit die Wirksamkeit des KKS gemäss SN EN ISO 15589-1 gegeben ist. Bei dem kleinsten Spannungsgradienten wurde aber keine Deckschicht (<1%) gefunden, was basierend auf den bisherigen Erfahrungen als fehlende Wirksamkeit des KKS interpretiert werden muss. Daher wurde die Fehlstelle für weiterführende Untersuchungen freigelegt. Dabei wurde festgestellt, dass in 12-Uhr-Position ein Riss in der PE-Umhüllung direkt angrenzend an eine Schweissnaht-Nachumhüllung vorlag. Am Grund dieses Risses haben sich als Folge des wirksamen KKS und dem erhöhten pH-Wert Kalkablagerungen gebildet, was zu keinerlei Korrosionserscheinungen in der Fehlstelle geführt hat. Es wurde somit geschlossen, dass das berechnete EIR-frei von –0,93 VCSE den wirksamen KKS im Bereich des Risses anzeigt. Beim Entfernen der Schweissnaht-Nachumhüllung wurde aber festgestellt, dass ausgehend vom Riss ein Wasserzutritt unter die Umhüllung erfolgte. In den Falten der Schweissnaht-Nachumhüllung sammelte sich Wasser an, und es kam zu Korrosion mit maximalen Tiefen von etwas mehr als 1 mm. Es darf daher angenommen werden, dass diese Situation durch das Ergebnis «fehlende Deckschicht» ebenfalls korrekt angezeigt wurde. Aufgrund der vorliegenden Informationen zeigt sich, dass CMI den fehlenden Korrosionsschutz unter der nicht enganliegenden und somit nicht formstabilen Schweissnaht-Nachumhüllung, trotz Erfüllen der Bedingung gemäss Gleichung (1), detektiert hat.

Fazit der Freilegungen

Mit Hilfe der Freilegungen wurden die von CMI detektierten Umhüllungsfehlstellen bestätigt. Die bisherigen Verfahren zur Fehlstellenortung waren hingegen nicht in der Lage, diese Fehlstellen unter normalen Betriebsbedingungen des KKS zu lokalisieren. Nebst der Ortung der Fehlstellen und der Berechnung der EIR-frei ermöglichte CMI eine weiterführende Bewertung des Korrosionsschutzes basierend auf der Deckschichtbildung. Damit sind weiterführende Bewertungen der Wirksamkeit des KKS möglich, welche die Anzahl an betrieblich unnötigen Freilegungen deutlich reduzieren kann.

Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen kann geschlossen werden, dass CMI beispielsweise in der Lage sein kann, enthaftete Umhüllung zu orten sowie die Wirksamkeit des KKS unter abschirmenden Umhüllungen zu bewerten. Wie in [9] beschrieben, ist enthaftete Umhüllung korrosionstechnisch irrelevant, solange die Umhüllung eng anliegt und formstabil ist. Dies entspricht der im Beispiel 2 gefundenen Situation mit wirksamem KKS. Demgegenüber wird bei unsachgemässer Applikation der Nachumhüllung wie in Beispiel 3 Faltenbildung beobachtet, was in der Folge zu Ansammlung von Wasser und lokaler Korrosion führte. Mit Hilfe von CMI konnte diese Korrosion im vorliegenden Fall identifiziert werden. CMI ist bisher das einzige Verfahren, das eine Erfassung und weiterführende Beurteilung des Korrosionsschutzes unter abschirmenden Bedingungen ermöglicht.

Schlussfolgerungen 

Für die Sicherstellung der Betriebssicherheit von erdverlegten Rohrleitungen ist der Nachweis der Wirksamkeit des KKS von zentraler Bedeutung. Dies trifft insbesondere auf nicht molchbare Leitungen zu, die nicht mit ILI bewertet werden können. Derartige Leitungen liegen teilweise auch im Transportnetz, vor allem aber im Verteilnetz in urbaner Umgebung und auf Stationen vor. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass CMI neue Möglichkeiten eröffnet, um den Korrosionsschutz auf derartigen Leitungen nachzuweisen und folglich die Rohrleitungsintegrität in Bezug auf Wandstärkenminderungen sicherzustellen. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

  • Dank der Kombination von SAM, ACVG und DCVG, der Korrelation der Ergebnisse sowie der numerischen Simulation des gesamten Datensatzes kann eine deutliche Verbesserung der Fehlstellenortung mit CMI erreicht werden. In allen drei Fallbeispielen war die IM nicht in der Lage, die mit CMI erfassten und in der Freilegung bestätigten Umhüllungsfehlstelle zu detektieren.
  • Die hohe Messauflösung und die numerische Bewertung der Ergebnisse ermöglichen eine deutliche Erhöhung der Zuverlässigkeit in Bezug auf den Wirkungsnachweis gemässSN EN ISO 15589-1 basierend auf dem EIR-frei, was durch die vorliegenden Freilegungen auch bei verhältnismassig kleinen Fehlstellen bestätig wurde.
  • Die zusätzliche Beurteilung des Korrosionsschutzes mit Hilfe der Deckschichtbildung auf Umhüllungsfehlstellen ermöglicht eine vertiefte Bewertung der Rohrleitungsintegrität in Ergänzung zum EIR-frei. Damit kann die Anzahl an unnötigen Freilegungen, die bei 95% liegen kann [7], dramatisch reduziert werden.


Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen verbessert CMI durch Kombination von verschiedenen Messverfahren sowie die konsequente Umsetzung der heute verfügbaren Technologien zur Korrelation grosser Datenmengen signifikant die Bewertung der Wirksamkeit des Korrosionsschutzes. Selbst unter anspruchsvollen Bedingungen mit abschirmender Umhüllung konnten in den vorliegenden Beispielen die vorliegenden Bedingungen korrekt bewertet werden. Daraus ergibt sich auch eine verbesserte Einschätzung der Rohrleitungsintegrität und Sicherheit, die bisher nicht möglich war.

 

Bibliographie

[1] Büchler, M. (2020): Wirkungsnachweis des KKS: Vorgehensweise bei hochwertig umhüllten Rohrleitungen unter kombinierter DC- und AC-Beeinflussung basierend auf den verfügbaren Regelwerken. 3R 6, 50

[2] Büchler, M. (2024): Der Wirkungsnachweis des KKS: Neue Erkenntnisse und Methoden. DVGW - energie/wasser-praxis, 72

[3] Büchler, M. et al. (2024): Bewertung des Korrosionsschutzes von erdverlegten Rohrleitungen: Der Einsatz von Current Magnetometry Inspection (CMI). 3R 1-2 2024, 62

[4] Angst, U. et al. (2016): Cathodic protection of soil buried steel pipelines – a critical discussion of protection criteria and threshold values. Materials and Corrosion 11, 9

[5] Peabody, A. W. (2001): Control of Pipeline Corrosion. R. L. Bianchetti, Ed. (Nace, Houston, Texas 77027, ed. 2, 2001)

[6] Schwerdtfeger, W. J.; McDorman, O. N. (1951): Potential and Current Requirements for the Cathodic Protection of Steel in Soils. Journal of Research of the National Bureau of Standards 47, 104

[7] Vimalanandan, A. et al. (2019): Determining the effectiveness of cathodic protection of buried pipelines, in CEOCOR international Congress 2019 Copenhagen, CEOCOR, c/o SYNERGRID, Brussels, Belgium

[8] Büchler, M. (2025): Die Ermittlung des IR-freien Potenzials an Umhüllungsfehlstellen von Rohrleitungen: Über Grundlagen, neue Verfahren, Messtechnik und erforderliche Randbedingungen. 3R 6 2025, 56

[9] Büchler, M. (2019): Effectiveness of cathodic protection under disbonded coatings: On the implications of shielding conditions on the integrity of pipelines, in 15th Pipeline Technology Conference

Verwendete Abkürzungen

ACVG - Alternating Current Voltage Gradient, Wechselspannungsgradientenmessung

CMI - Current Magnetometry Inspection

DCVG - Direct Current Voltage Gradient, Gleichstrom-Spannungsgradientenmessung

EAC - Wechselspannung

EIR-frei - IR-freies Potenzial

Ep - Schutzpotenzial

IAC - Wechselstrom

ILI - Inline-Inspektion

IM - Intensivmessung

KKS - Kathodischer Korrosionsschutz

SAM - Stromabschwächungsmessung

UAC - Wechselspannungsgradient

UDC - Gleichspannungsgradient

Dank

Diese Arbeit war möglich dank der Unterstützung der Swissgas AG.

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