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03. Juni 2025

Aktuelles aus dem Projekt Schwammstadt

Das Netzwerk Schwammstadt – ein engagiertes Orchester für die Wassermusik

Für viele Fachleute wurde in der ersten Phase des Projekts Schwammstadt klar, dass Regenwasser als eines der Leitmotive in der Siedlungsentwicklung verankert werden muss. Entsprechend engagieren sie viele weiterhin in der lancierten 2. Projektphase. Der Fokus wird in den nächsten Jahren auf die Verstärkung der Tätigkeiten im Bereich bestehender Bauten und Sensibilisierung weiterer Berufsgruppen wie der Architekt/-innen liegen. Eine neue Checkliste für nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung in Quartieren» enthält wertvolle Hinweise, Fragestellungen und konkrete Indikatoren zur Regenwasserbewirtschaftung. Fachleute haben zudem die Möglichkeit, mit der neuen Ausbildung «Koordinator/-in Schwammstadt» sich fundiert weiterzubilden und wichtige Kompetenzen zu erwerben.
Silvia Oppliger 

Wie es für die Aufführung von Händels Wassermusik engagierte Musiker unterschiedlicher Gattung braucht, so braucht es für die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips auf allen Planungsstufen und in allen Bereichen engagierte Fachleute. Das Echo auf den Abschluss der ersten Phase des Projektes und die Bereitschaft, sich für eine zweite Phase im Netzwerk Schwammstadt zu engagieren, zeigt, wie gross die Motivation in der Schweiz ist, Regenwasser als eines der Leitmotive in der Siedlungs­entwicklung zu verankern.

Die Netzwerkmitglieder als treibende Kraft und Multiplikatoren

Die Präsentationen an der Fachtagung zum Abschluss der ersten Projektphase, welche im Rahmen der Mitgliederversammlung des VSA in Freiburg stattfand (ein zusammenfassender Artikel der Fachtagung folgt in der A&G-Ausgabe 7/8-2025) zeigt, wie vielfältig und engagiert die verschiedenen Akteur\-innen das Thema Schwammstadt in die Umsetzung bringen. Dank der Bereitschaft der Mitglieder, sich auf andere Sichtweisen einzulassen, Fachpersonen aus anderen Disziplinen als Referent/-innen an eigene Fachveranstaltungen und Workshops einzuladen, sich bei Veranstaltungen anderer Mitglieder einzubringen und innerhalb ihrer angestammten Organisationen neue Netzwerke zu bilden, wird das Bewusstsein für die Notwendig­keit der frühzeitigen, interdisziplinären Arbeit geschärft und die Hemmschwelle gesenkt. Dieser Mehrwert macht sich auch in der Anzahl Kooperationen zur Bereitstellung von unterstützenden Werkzeugen für die Planung bemerkbar.

Areale, die passende Ebene fĂĽr eine umfassende Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips

Die neuste Publikation aus dem Netzwerk Schwammstadt ist als Gemeinschaftsprojekt des VSA mit der «Antenne nachhaltige Quartiere» des Kantons Freiburg entstanden und steht sinnbildlich für diese fachübergreifende Zusammenarbeit. Die daraus entstandene «Checkliste für nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung in Quartieren» enthält wertvolle Hinweise, Fragestellungen und konkrete Indikatoren zur Regenwasserbewirtschaftung. Sie dient als unterstützendes Werkzeug um Planer\-innen von neuen Arealen bei der Konzeption einer nachhaltigen Regenwasserbewirtschaf­tung zu begleiten. Die Arealstufe ist eine ideale Planungsstufe für die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips, weil auf dieser Stufe eine übergeordnete Betrachtung möglich ist, welche die gesamte Regenwasserkaskade vom Dach hin zur Landschaft mitdenkt. Die in der Checkliste enthaltenen Fragestellungen und Indikatoren können aber auch als Denkstützen und Leitfragen für kleinere Projekte wie z.B. Anpassungen an Bestandesbauten, angewendet werden. Mehrere Anwendungs­beispiele veranschaulichen die vorgeschlagenen Instrumente.

Multifunktionale Umgebungsgestaltung bietet kostengünstigen Schutz vor Oberflächenabfluss

Eines der Beispiele aus der neuen Checkliste ist das Écoquartier ancienne papeterie in Marly, das erste mit dem SEED-Label zertifizierte Quartier im Kanton Freiburg. Dieses Label wurde vom Schweizer Verein für nachhaltige Quartiere entwickelt und legt besonders Wert auf blau-grüne Infrastrukturen und die Förderung der Biodiversität. Es fordert einen nachhaltigen Umgang mit dem Regenwasser und schreibt unter anderem vor, dass 70% der Fläche der Retention von Regenwasser dienen müssen und einen Anteil nicht unterbauter Flächen von mind. 45%. Dieses Quartier zeigt exemplarisch, wie eine frühzeitige Betrachtung des Umgangs mit dem Regenwasser und der Zusammenarbeit von Landschaftsarchitekt/-innen, Ingenieur/-innen und Fachspezialist/-innen der Gebäude­versicherung zur Umsetzung einer multifunktionalen und naturnahen Umgebungsgestaltung führen können, welche nicht nur der Bewirtschaftung der gängigen Regenereignisse dient, sondern auch Schutz vor Oberflächenabfluss bei Starkregen bietet (siehe Box).

Anpassungen im Bestand und Vernetzung mit Architekt/-innen

Herausfordernder ist die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips bei Bestandesbauten, weil in diesem Fall viele bestehende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden und Eigentümer zum Handeln aufgefordert werden müssen. Der Fokus des Netzwerks Schwammstadt wird somit in den nächsten Jahren auf die Verstärkung der Tätigkeiten in diesem Bereich liegen mit der Durchführung eines nationalen Erfahrungsaustauschs zum Thema und der Sensibilisierung derjenigen Akteure, welche insb. im Bereich der Gebäudesanierungen erste Schritte umsetzen können (Berater/-innen für energetische Sanierungen, Architekt/-innen, u.ä.).

Neue Ausbildung «Koordinator/-in Schwammstadt»

Interdisziplinäre Planung bedeutet auch, Zielkonflikte auszudiskutieren und gemeinsam Lösungen und Zielbilder zu entwickeln. Es braucht Leute, welche diese Prozesse koordinieren und fähig sind, die Erkenntnisse daraus in die anderen Planungen einfliessen zu lassen, damit nicht bei jeder Planung die gleichen Zielkonflikte von Grund auf ausdiskutiert werden müssen. Der erste Ausbildungskurs für Schwammstadtkoordinator/-innen im Herbst 2025 bietet interessierten Fachleuten die Möglichkeit, sich für die interdisziplinäre und partizipative Zusammenarbeit mit Fokus Schwammstadt weiterzubilden und ein Netzwerk mit Gleichgesinnten aufzubauen. Der Kurs richtet sich insbesondere an Personen, welche innerhalb von Gemeinden oder Planungsteams eine koordinative Rolle wahrnehmen und das Schwammstadt-Prinzip als grundlegendes Element in die Planungen integrieren wollen. Nähere Informationen finden sich unter www.vsa.ch/FP-Schwamm.

Exkursionen 8.5.2025: Im Kanton Freiburg sind vorbildliche Schwammstadtareale in der Umsetzung

Im Anschluss an die Fachtagung in Freiburg hatten die Mitglieder des Netzwerks die Gelegenheit, unter kundiger FĂĽhrung zwei sich in Bau befindende Schwammstadt-Areale zu besichtigen.

 

Beim Écoquartier ancienne papeterie in Marly wird der grösste Teil des anfallenden Regenwassers zurückgehalten und versickert. Multifunktionale Solar-Gründächer halten kleinere Regen zurück und dienen gleichzeitig der Stromproduktion. Die Umgebungsflächen sind soweit möglich sickerfähig gestaltet und auch die unterbauten Flächen wurden mit mind. 30 cm Erde überdeckt und biodivers begrünt. Das von den versiegelten Flächen abfliessende Regenwasser und die Überläufe der anderen Flächen bei Starkregen fliessen über zwei zentrale Sickermulden, welche landschaftlich in die Umgebungs­gestaltung integriert sind. Das Gebiet befindet sich in einem stark durch Oberflächenabfluss gefährdeten Bereich. Durch den frühzeitigen Einbezug der Fachspezialisten konnte das Thema in die Entwicklung der Umgebungsgestaltung integriert werden. Die beiden Mulden dienen bei Starkregen gemeinsam mit einem zusätzlichen grünen Graben als Abflusskorridor. Die Gebäudeeingänge befinden sich fast alle über dem berechneten Wasserstand für ein 300-jähirges Ereignis. Nur ein einziges Garagentor in einem 14ha grossen Areal musste mit einem entsprechenden hochwasserschutzgeprüften Tor ausgestattet werden. Das Beispiel zeigt, dass ein Schutz vor Oberflächenabfluss landschaftlich gut eingebettet werden kann und auch den Umfang der notwendigen Objektschutzmassnahmen reduziert.

 

Das Bluefactory-Areal am ehemaligen Standort der Cardinal-Brauerei in Freiburg ist mehr als ein reines Schwammstadtquartier. Aufgrund der bestehenden Bodenbelastung ist in diesem Areal keine Versickerung möglich. Das gesamte Regenwasser kann aber auch hier bis zu einem 300-jährigen Ereignis auf dem Areal bewirtschaftet werden. Bestehende alte Infrastrukturen wie die Pilettes-Quelle werden integriert, um überschüssiges Regenwasser zu speichern und nebst dem Regenwassermanagement sind auch Trenntoiletten geplant. Das Urin wird zur Herstellung von Dünger genutzt (Aurin), das Grauwasser aufbereitet und für die Toilettenspülung wiederverwendet und das fäkalienhaltige Abwasser wird in einer Wurmkompostierungsanlage aufbereitet.

 

Herzlichen Dank an die fachkundige FĂĽhrung:

Marly: Agathe Caviale und Suzanne Galand von Interval Paysage Sàrl, Stéphane Giroud von sd ingénierie sa, Alexandre Mérillat von Triform SA, Guillaume Oehen von ECAB

Bluefactory: Virginie Dulucq und Fabio Burri von Bluefactory

 

WeiterfĂĽhrende Informationen:

- Netzwerk Schwammstadt: sponge-city.info
- Checkliste: vsa.ch/check-rw
- Marly: Beispielblatt aus der Checkliste: vsa.ch/marly bzw. vsa.ch/ecoquartier
- Bluefactory: vsa.ch/bluefactory

 

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