Wie es fĂĽr die AuffĂĽhrung von Händels Wassermusik engagierte Musiker unterschiedlicher Gattung braucht, so braucht es fĂĽr die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips auf allen Planungsstufen und in allen Bereichen engagierte Fachleute. Das Echo auf den Abschluss der ersten Phase des Projektes und die Bereitschaft, sich fĂĽr eine zweite Phase im Netzwerk Schwammstadt zu engagieren, zeigt, wie gross die Motivation in der Schweiz ist, Regenwasser als eines der Leitmotive in der SiedlungsÂentwicklung zu verankern.
Die Netzwerkmitglieder als treibende Kraft und Multiplikatoren
Die Präsentationen an der Fachtagung zum Abschluss der ersten Projektphase, welche im Rahmen der Mitgliederversammlung des VSA in Freiburg stattfand (ein zusammenfassender Artikel der Fachtagung folgt in der A&G-Ausgabe 7/8-2025) zeigt, wie vielfältig und engagiert die verschiedenen Akteur\-innen das Thema Schwammstadt in die Umsetzung bringen. Dank der Bereitschaft der Mitglieder, sich auf andere Sichtweisen einzulassen, Fachpersonen aus anderen Disziplinen als Referent/-innen an eigene Fachveranstaltungen und Workshops einzuladen, sich bei Veranstaltungen anderer Mitglieder einzubringen und innerhalb ihrer angestammten Organisationen neue Netzwerke zu bilden, wird das Bewusstsein fĂĽr die NotwendigÂkeit der frĂĽhzeitigen, interdisziplinären Arbeit geschärft und die Hemmschwelle gesenkt. Dieser Mehrwert macht sich auch in der Anzahl Kooperationen zur Bereitstellung von unterstĂĽtzenden Werkzeugen fĂĽr die Planung bemerkbar.
Areale, die passende Ebene fĂĽr eine umfassende Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips
Die neuste Publikation aus dem Netzwerk Schwammstadt ist als Gemeinschaftsprojekt des VSA mit der «Antenne nachhaltige Quartiere» des Kantons Freiburg entstanden und steht sinnbildlich fĂĽr diese fachĂĽbergreifende Zusammenarbeit. Die daraus entstandene «Checkliste fĂĽr nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung in Quartieren» enthält wertvolle Hinweise, Fragestellungen und konkrete Indikatoren zur Regenwasserbewirtschaftung. Sie dient als unterstĂĽtzendes Werkzeug um Planer\-innen von neuen Arealen bei der Konzeption einer nachhaltigen RegenwasserbewirtschafÂtung zu begleiten. Die Arealstufe ist eine ideale Planungsstufe fĂĽr die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips, weil auf dieser Stufe eine ĂĽbergeordnete Betrachtung möglich ist, welche die gesamte Regenwasserkaskade vom Dach hin zur Landschaft mitdenkt. Die in der Checkliste enthaltenen Fragestellungen und Indikatoren können aber auch als DenkstĂĽtzen und Leitfragen fĂĽr kleinere Projekte wie z.B. Anpassungen an Bestandesbauten, angewendet werden. Mehrere AnwendungsÂbeispiele veranschaulichen die vorgeschlagenen Instrumente.
Multifunktionale Umgebungsgestaltung bietet kostengünstigen Schutz vor Oberflächenabfluss
Eines der Beispiele aus der neuen Checkliste ist das Écoquartier ancienne papeterie in Marly, das erste mit dem SEED-Label zertifizierte Quartier im Kanton Freiburg. Dieses Label wurde vom Schweizer Verein fĂĽr nachhaltige Quartiere entwickelt und legt besonders Wert auf blau-grĂĽne Infrastrukturen und die Förderung der Biodiversität. Es fordert einen nachhaltigen Umgang mit dem Regenwasser und schreibt unter anderem vor, dass 70% der Fläche der Retention von Regenwasser dienen mĂĽssen und einen Anteil nicht unterbauter Flächen von mind. 45%. Dieses Quartier zeigt exemplarisch, wie eine frĂĽhzeitige Betrachtung des Umgangs mit dem Regenwasser und der Zusammenarbeit von Landschaftsarchitekt/-innen, Ingenieur/-innen und Fachspezialist/-innen der GebäudeÂversicherung zur Umsetzung einer multifunktionalen und naturnahen Umgebungsgestaltung fĂĽhren können, welche nicht nur der Bewirtschaftung der gängigen Regenereignisse dient, sondern auch Schutz vor Oberflächenabfluss bei Starkregen bietet (siehe Box).
Anpassungen im Bestand und Vernetzung mit Architekt/-innen
Herausfordernder ist die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips bei Bestandesbauten, weil in diesem Fall viele bestehende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden und Eigentümer zum Handeln aufgefordert werden müssen. Der Fokus des Netzwerks Schwammstadt wird somit in den nächsten Jahren auf die Verstärkung der Tätigkeiten in diesem Bereich liegen mit der Durchführung eines nationalen Erfahrungsaustauschs zum Thema und der Sensibilisierung derjenigen Akteure, welche insb. im Bereich der Gebäudesanierungen erste Schritte umsetzen können (Berater/-innen für energetische Sanierungen, Architekt/-innen, u.ä.).
Neue Ausbildung «Koordinator/-in Schwammstadt»
Interdisziplinäre Planung bedeutet auch, Zielkonflikte auszudiskutieren und gemeinsam Lösungen und Zielbilder zu entwickeln. Es braucht Leute, welche diese Prozesse koordinieren und fähig sind, die Erkenntnisse daraus in die anderen Planungen einfliessen zu lassen, damit nicht bei jeder Planung die gleichen Zielkonflikte von Grund auf ausdiskutiert werden müssen. Der erste Ausbildungskurs für Schwammstadtkoordinator/-innen im Herbst 2025 bietet interessierten Fachleuten die Möglichkeit, sich für die interdisziplinäre und partizipative Zusammenarbeit mit Fokus Schwammstadt weiterzubilden und ein Netzwerk mit Gleichgesinnten aufzubauen. Der Kurs richtet sich insbesondere an Personen, welche innerhalb von Gemeinden oder Planungsteams eine koordinative Rolle wahrnehmen und das Schwammstadt-Prinzip als grundlegendes Element in die Planungen integrieren wollen. Nähere Informationen finden sich unter www.vsa.ch/FP-Schwamm.
Exkursionen 8.5.2025: Im Kanton Freiburg sind vorbildliche Schwammstadtareale in der Umsetzung
Im Anschluss an die Fachtagung in Freiburg hatten die Mitglieder des Netzwerks die Gelegenheit, unter kundiger FĂĽhrung zwei sich in Bau befindende Schwammstadt-Areale zu besichtigen.
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Beim Écoquartier ancienne papeterie in Marly wird der grösste Teil des anfallenden Regenwassers zurĂĽckgehalten und versickert. Multifunktionale Solar-GrĂĽndächer halten kleinere Regen zurĂĽck und dienen gleichzeitig der Stromproduktion. Die Umgebungsflächen sind soweit möglich sickerfähig gestaltet und auch die unterbauten Flächen wurden mit mind. 30 cm Erde ĂĽberdeckt und biodivers begrĂĽnt. Das von den versiegelten Flächen abfliessende Regenwasser und die Ăśberläufe der anderen Flächen bei Starkregen fliessen ĂĽber zwei zentrale Sickermulden, welche landschaftlich in die UmgebungsÂgestaltung integriert sind. Das Gebiet befindet sich in einem stark durch Oberflächenabfluss gefährdeten Bereich. Durch den frĂĽhzeitigen Einbezug der Fachspezialisten konnte das Thema in die Entwicklung der Umgebungsgestaltung integriert werden. Die beiden Mulden dienen bei Starkregen gemeinsam mit einem zusätzlichen grĂĽnen Graben als Abflusskorridor. Die Gebäudeeingänge befinden sich fast alle ĂĽber dem berechneten Wasserstand fĂĽr ein 300-jähirges Ereignis. Nur ein einziges Garagentor in einem 14ha grossen Areal musste mit einem entsprechenden hochwasserschutzgeprĂĽften Tor ausgestattet werden. Das Beispiel zeigt, dass ein Schutz vor Oberflächenabfluss landschaftlich gut eingebettet werden kann und auch den Umfang der notwendigen Objektschutzmassnahmen reduziert.
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Das Bluefactory-Areal am ehemaligen Standort der Cardinal-Brauerei in Freiburg ist mehr als ein reines Schwammstadtquartier. Aufgrund der bestehenden Bodenbelastung ist in diesem Areal keine Versickerung möglich. Das gesamte Regenwasser kann aber auch hier bis zu einem 300-jährigen Ereignis auf dem Areal bewirtschaftet werden. Bestehende alte Infrastrukturen wie die Pilettes-Quelle werden integriert, um überschüssiges Regenwasser zu speichern und nebst dem Regenwassermanagement sind auch Trenntoiletten geplant. Das Urin wird zur Herstellung von Dünger genutzt (Aurin), das Grauwasser aufbereitet und für die Toilettenspülung wiederverwendet und das fäkalienhaltige Abwasser wird in einer Wurmkompostierungsanlage aufbereitet.
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Herzlichen Dank an die fachkundige FĂĽhrung:
Marly: Agathe Caviale und Suzanne Galand von Interval Paysage Sà rl, Stéphane Giroud von sd ingénierie sa, Alexandre Mérillat von Triform SA, Guillaume Oehen von ECAB
Bluefactory: Virginie Dulucq und Fabio Burri von Bluefactory
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WeiterfĂĽhrende Informationen:
- Netzwerk Schwammstadt: sponge-city.info
- Checkliste: vsa.ch/check-rw
- Marly: Beispielblatt aus der Checkliste: vsa.ch/marly bzw. vsa.ch/ecoquartier
- Bluefactory: vsa.ch/bluefactory
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