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29. Oktober 2025

Meinungsbeitrag

«Auswertungen der VSA-Plattform Wasserqualität sorgen für Aufsehen»

Fipronil ist ein für Wasserlebewesen hochtoxisches Insektizid und Akarizid, das in der Schweiz seit 2014 nicht mehr als Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden darf.
Georg Odermatt 

Dennoch zeigen Untersuchungen der VSA-Plattform Wasserqualität, dass Fipronil das Pestizid mit den meisten Überschreitungen des chronischen ökotoxikologischen Qualitätskriterium (CQK) ist. In einzelnen Gewässern wurde das CQK während der gesamten Messperiode ununterbrochen überschritten. Wie ist das möglich, darf Fipronil in der Landwirtschaft doch seit über 10 Jahren nicht mehr eingesetzt werden?

Woher kommt das Fipronil?

Die Untersuchungen zeigen, dass Fipronil fast ausschliesslich über die Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in Gewässer eingetragen wurde: Alle untersuchten Gewässer mit ARA-Einleitungen sind über dem CQK belastet. Zudem wurde Fipronil in 100% aller Auslaufproben von fünf spezifisch durch die Eawag untersuchten ARA nachgewiesen; die Einträge erfolgen dabei kontinuierlich und unterliegen kaum Schwankungen.

Tatsächlich darf Fipronil als Biozid und Tierarzneimittel zurzeit noch verwendet werden. Dies liegt an den unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen: Während das Pflanzenschutzmittelrecht an die Zulassung Umweltanforderungen stellt, fehlt dies weitgehend in den Vorschriften zur Zulassung von Tierarzneimitteln.

Tierärzt/-innen empfehlen, Hunde und Katzen regelmässig beispielsweise mit «Frontline» (s. Abb.) zu behandeln. Dessen Hauptwirkstoff ist Fipronil. Damit werden die Haustiere vorbeugend gegen Parasiten wie Flöhe oder Zecken geschützt. Um einen kontinuierlichen Schutz zu gewährleisten, soll «Frontline» in der Regel alle 4 Wochen angewendet werden. Zudem soll die Anwendung das ganze Jahr über erfolgen, da Flöhe auch in beheizten Wohnungen aktiv sein können.

Auf Grund dieser Empfehlungen wird Fipronil ganzjährig in zigtausenden von Schweizer Haushalten als sogenannte «Spot-on»-Lösung zum vorsorglichen Schutz in den Nacken unserer Haustiere geträufelt.

Wie gelangt Fipronil in Gewässer?

Katzen sind wasserscheu und duschen nicht. Wie gelangt das Fipronil dennoch von den Tiernacken in die Kanalisation und über die ARA in unsere Gewässer? Die Antwort überrascht: Fipronil haftet nach dem Streicheln eines behandelten Tiers an den Händen, gelangt also durch den Kontakt via Tierhaare an unsere Kleider. Über das Waschen von Händen und Textilien gelangen kleinste Mengen an Fipronil in die ARA. In Einzelfällen wird Fipronil von badenden Hunden direkt in die Gewässer eingetragen; diese Einträge sind deutlich weniger relevant, dafür noch direkter.

Jede der untersuchten ARA leitet (je nach Grösse) pro Jahr nur zwischen 5 bis 20 g Fipronil in das Gewässer ein. Zum Vergleich: Ein Fingerhut fasst rund 5 ml, also 5 Gramm Flüssigkeit.

Bildlich gesprochen: Wenn man wenige Fingerhut Fipronil über das gesamte Jahr verteilt in den Auslauf einer mittelgrossen ARA «träufelt», verursacht man dadurch im Gewässer eine ununterbrochene Überschreitung des CQK! Wobei von «träufeln» keine Rede sein kann: Die oben erwähnten 5 g Fipronil entsprechen rund zwei Tropfen pro Woche, 20 g also ziemlich genau 1 Tropfen pro Tag.

Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:

  • Ist es nötig, die Tiere ganzjährig zu behandeln?
  • Ist es angesichts der extremen Gewässertoxizität sinnvoll, Hunde und Katzen vorbeugend zu behandeln, anstatt erst bei tatsächlichem Befall (zumal Frontline über 95 % der Flöhe innerhalb von 24 Stunden unschädlich macht)?
  • Gibt es Alternativprodukte?
  • Und ganz grundsätzlich: Wie konnte jemals ein Insektizid zugelassen werden, von dem ein Tropfen pro Tag genügt, um im Gewässer das Qualitätskriterium zu verletzten? (zur Erinnerung: Vor 2014 war Fipronil auch als Pflanzenschutzmittel zugelassen; ein Windstoss beim Ausbringen oder ein Regen, der das Mittel abschwemmt, genügte, um ein ganzes Gewässer zu schädigen).

Zu den genannten Zeckenschutzmitteln bestehen umweltfreundlichere Alternativen: Kokosöl oder ätherische Öle können auf das Fell aufgetragen werden – Flöhe und Zecken werden vom Geruch ferngehalten.

Die aktuelle Situation zeigt ein klares Vollzugs- und Regulierungsvakuum. Während hochtoxische Insektizide in der Landwirtschaft aus gutem Grund verboten wurden, gelangen dieselben Substanzen über den Umweg der Heimtierpflege unkontrolliert in unsere Gewässer – mit nachweisbaren ökologischen Folgen. Es ist daher höchste Zeit, das Zulassungsverfahren für Tierarzneimittel an jene Standards anzugleichen, die im Pflanzenschutz längst gelten.

Ein Vorstoss von Ständerat Jakob Stark machte diese Problematik bereits im September 2024 publik. Der Bundesrat erklärte sich jedoch lediglich bereit, eine Verschreibungspflicht zu prüfen. Es gilt zu hoffen, dass die neuen Erkenntnisse die zuständigen Behörden dazu bewegen, die Sache anzupacken.

In einer idealen – aber notwendigen – Welt würden Zulassungsbehörden aus diesen Erkenntnissen lernen: Hochtoxische Insektizide, von denen ein Tropfen genügt, um ein Gewässer über den Grenzwert zu bringen, sollten gar nicht erst zugelassen werden.

Meinungsbeitrag 
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