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22. November 2018

Nationalrat

Wenn der letzte Gletscher (ver)schwindet ...

SP-Nationalrätin Silva Semadeni aus dem Kanton Graubünden hat in der Wintersession eine Interpellation eingereicht, mit der sie vom Bundesrat Auskunft über den Zustand der Schweizer Gletscher haben möchte.

Die Klimaerwärmung schreitet schneller voran als bis jetzt vorausgesagt. «Die Wissenschaftler sagen, es sei bereits fünf nach zwölf», meint SP-Nationalrätin Silva Semadeni in ihrer Interpellation: «Die Schweiz reagiert eben sehr empfindlich auf die Klimaerwärmung!»

Im Alpenraum sei im Vergleich zum globalen Mittel die Erwärmung zurzeit rund doppelt so stark. Die besorgniserregenden Konsequenzen des Klimawandels würden gerade im Berggebiet immer deutlicher. «In der Klimapolitik», so die Bündnerin, «wird trotz Pariser Vertrag von politischem Versagen gesprochen.»

Virulente Nutzungskonflikte?

Welche Lehren zieht der Bundesrat also für die Schweiz und insbesondere für den Alpenraum aus dem Hitzesommer 2018? Könnten gewisse Regionen in der Schweiz unbewohnbar werden? Und wenn ja, unter welchen Umständen? Auf diese und weitere Fragen hätte die SP-Nationalrätin gerne Auskunft vom Bundesrat. Zum Beispiel: Welche Folgen werden durch den Rückgang der Gletscher bis 2050 für den Wasserhaushalt in der Schweiz erwartet? Welche Wassernutzungskonflikte werden bis dann zunehmend virulent? Und welche Massnahmen haben Bund und Kantone getroffen, um schwerwiegende Veränderungen früh zu erkennen?

Auswirkungen von Hitze und Trockenheit?

In seiner Stellungnahme auf die Interpellation der Nationalrätin, meint der Bundesrat, dass der Sommer 2018 nach 2003 und 2015 «schweizweit betrachtet der drittwärmste und das Sommerhalbjahr, also April bis September, gemäss vorläufigen Auswertungen des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie das wärmste und regional das niederschlagsärmste seit Messbeginn» gewesen sei. Einen Bericht zur klimatologischen Einordnung des Sommers 2018 werde Meteo Schweiz zudem noch vor Ende 2018 veröffentlichen.

Für «fundierte Aussagen zu den Auswirkungen von Hitze und Trockenheit», so der Bundesrat sei es hingegen noch zu früh. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) werde aber eine Analyse der Auswirkungen von Hitze und Trockenheit auf Mensch und Umwelt erarbeiten und im Jahr 2019 veröffentlichen.

Bedeutende Veränderungen

Der Klimawandel, so heisst es in der Antwort des Bundesrates weiter, habe eben auch in der Schweiz «bedeutende Veränderungen» zur Folge. Der Bericht Brennpunkt Klima Schweiz der Akademien der Wissenschaften Schweiz zeige hierzu die erwarteten Auswirkungen auf. Selbst wenn es gelinge, den globalen Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen, sei damit zu rechnen, dass die Schweizer Gletscher bis Mitte Jahrhundert im Vergleich zu 2000 um rund die Hälfte abschmelzen würde und dass der Permafrost weiter auftaue. «Dies wirkt sich auf den Wasserkreislauf und - je nach Geologie – auch auf die Hangstabilität aus», erklärt der Bundesrat.

Extremereignisse seien jedoch «ein natürlicher Bestandteil des Klimas in den Alpen». Die Gefahrenprävention in der Schweiz schütze dabei Siedlungen, Verkehrswege und Infrastrukturen im Alpenraum. Doch selbst modernste Schutzkonzepte könnten «keine absolute Sicherheit gewähren» und gewisse Gebiete könnten in Folge des Klimawandels unbewohnbar werden.

Neues Abflussregime

In vergletscherten Einzugsgebieten werde das Schmelzwasser über die nächsten Jahre für leicht höhere Abflussmengen sorgen. Der weitere Rückgang der Gletscher werde aber dazu führen, dass der Schmelzwasseranteil und die Abflussmengen langfristig sinken würden, auch wenn der zusätzliche Schmelzwasseranteil im Vergleich zu den Niederschlagsmengen klein sei. «Die Wassernutzung durch Wasserkraft, Landwirtschaft und Umweltökologie, so der Bundesrat weiter, «wird sich aber bestimmt auf ein neues Abflussregime einstellen müssen.

Im Rahmen des schweizerischen Gletschermessnetzes «Glamos» würden die Veränderungen der Gletscher im Schweizer Alpenraum jährlich gemessen. Das Permafrost-Monitoring «Permos» überwache dabei systematisch den Zustand und die Veränderungen des Permafrosts in den Schweizer Alpen. Instabile Hänge würden basierend auf Satellitenradardaten überwacht. Und in gefährdeten Gebieten sorgten Frühwarnsysteme vor Ort für mehr Sicherheit.

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 61 sei zudem die Informationsplattform «drought.ch» zur Früherkennung von Trockenheit entwickelt worden. Und schleichende Veränderungen in der Biodiversität würden vom entsprechenden Monitoring der Schweiz erfasst.

Über sechzig Massnahmen zur Anpassung

Der Bundesrat habe im Jahr 2012 den ersten Teil seiner Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz mit Zielen, Herausforderungen und Handlungsfeldern und im Jahr 2014 als zweiten Teil einen Aktionsplan für die Jahre 2014 bis 2019 mit über sechzig Anpassungsmassnahmen verabschiedet.

Der zweite Aktionsplan für die Periode 2020 bis 2025 sei ausserdem in Vorbereitung. Die Koordination zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden erfolge dabei einerseits im Rahmen der Sektorpolitik, andererseits finde jährlich eine Koordinationskonferenz zwischen Bund und Kantonen statt, an der die Anpassungsstrategien abgeglichen würden. «Die Erarbeitung von Wissensgrundlagen für die Anpassung an den Klimawandel», so schliesst der Bundesrat seine Stellungnahme, «wird zudem im Rahmen des National Centre for Climate Services (NCCS) koordiniert.» So seien den letzten vier Jahren «neue Klimaszenarien für die Schweiz» erstellt und im November 2018 veröffentlicht worden. Umfassenden Schätzungen der Kosten des Klimawandels bis 2050 lägen aber keine vor.

 

 

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