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27. November 2019

Klimaneutrale Stahlproduktion

Wasserstoff im Hochofen

Der Duisburger Stahlhersteller thyssenkrupp Steel startete eine Versuchsreihe zum Einsatz von Wasserstoff im laufenden Hochofenbetrieb. Es sind die bislang ersten Tests dieser Art. Sie dienen dem Ziel, die bei der Stahlherstellung entstehenden CO2-Emissionen nachhaltig zu reduzieren.

Beim klassischen Hochofenprozess werden für die Herstellung von einer Tonne Roheisen rund 300 Kilogramm Koks und 200 Kilogramm Kohlenstaub benötigt. Der Kohlenstaub wird im unteren Schachtbereich des Hochofens als zusätzliches Reduktionsmittel über 28 sogenannte Blasformen eingeblasen. Zum Versuchsstart wurde heute an einer dieser Blasformen am Hochofen 9 Wasserstoff injiziert. Damit beginnt eine Versuchsreihe, in der thyssenkrupp Steel den Einsatz von Wasserstoff schrittweise erst auf alle 28 Blasformen dieses Hochofens und ab dem Jahr 2022 dann auf alle drei weiteren Hochöfen ausweiten will. Der Vorteil: Während beim Einsatz von Einblaskohle CO2-Emissionen entstehen, entsteht beim Einsatz von Wasserstoff Wasserdampf. Somit können bereits an dieser Stelle im Produktionsprozess bis zu 20 Prozent CO2 eingespart werden.

Wasserdampf statt CO2

«Wir leisten hier Pionierarbeit», sagte Premal Desai, Sprecher des Vorstands von thyssenkrupp Steel Europe. «Die Nutzung von Wasserstoff ist der entscheidende Hebel für eine klimaneutrale Stahlproduktion.» Die Versuchsreihe sei ein weiterer wichtiger Schritt in der Transformation der Produktion, an deren Ende grüner Stahl stehen werde. 

Vom Labor in den Industriemassstab

Der Versuchsstart markiert auch den Übergang des Projekts in den industriellen Massstab. In den letzten Monaten wurden vorgelagerte Untersuchungen und Simulationsrechnungen durchgeführt. Mit dem Versuch im laufenden Hochofen wird das Projekt auf die nächste Ebene gehoben. «Wir wollen durch die Nutzung von Wasserstoff die Emissionen senken und gleichzeitig weiterhin Roheisen in gewohnter Qualität produzieren», erläutert Arnd Köfler, Produktionsvorstand von thyssenkrupp Steel Europe. «Gleichzeitig gilt auch: wir betreten mit der Versuchsreihe am Hochofen 9 technologisches Neuland. Es geht jetzt darum, den Betriebsablauf im Hochofen kontinuierlich zu analysieren und auszuwerten. Die Ergebnisse werden uns helfen, die Ausweitung des Wasserstoffeinsatzes auf alle 28 Blasformen des Hochofens gezielt anzugehen.»

Wasserstoff-Infrastruktur gewinnt an Bedeutung

Wasserstoff wird in den kommenden Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Klimastrategie von thyssenkrupp Steel sein. Nach der Umstellung der Hochöfen plant das Unternehmen ab Mitte der 2020er-Jahre den Aufbau von großtechnischen Direktreduktionsanlagen, die dann mit wasserstoffhaltigen Gasen betrieben werden. Der dort produzierte Eisenschwamm wird zunächst in den bestehenden Hochöfen eingeschmolzen, soll langfristig aber in Elektrolichtbogenöfen mit Hilfe erneuerbarer Energien zu Rohstahl verarbeitet werden.
Mit Air Liquide ist beim Einblasversuch ein Projektpartner an Bord, der über Expertise in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette von der Produktion über die Speicherung bis hin zur Entwicklung von Endverbraucheranwendungen verfügt. Gilles Le Van, Vorsitzender der Geschäftsführung von Air Liquide Deutschland: «Wasserstoff ist der Schlüssel zu Energiewende und industrieller Transformation gleichermassen. Dieses besondere Molekül kann beides sein: Grundstoff für die Wirtschaft und Medium zur Energiespeicherung und -rückgewinnung. Bei Air Liquide sind wir vom Potenzial einer weltweiten Wasserstoffwirtschaft überzeugt – und bringen mehr als 60 Jahre Erfahrung und Innovationskraft in diesem Feld in die gemeinsame Projektarbeit ein. So gestalten wir zusammen die Wasserstoffzukunft in Deutschland und tragen zum Erreichen der Klimaziele bei.»

Förderung durch Land NRW

Das Projekt wird im Rahmen der von der Landesregierung gestarteten Initiative IN4climate.NRW gefördert und vom Betriebsforschungsinstitut des VdEH (BFI) wissenschaftlich begleitet. Im April 2019 übergab die Landesregierung den Förderbescheid für die erste Testphase. 

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