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25. Juli 2025

Lösung für das Energie-Trilemma

Wie sicher ist unsere Energieversorgung?

Um die Energieversorgung der Zukunft planen zu können, brauchen Entscheidungsträgerinnen und -träger stichhaltige Zahlen und Fakten. Die Wissenschaft liefert bereits Modelle, um einerseits die Nachhaltigkeit und andererseits die Kosten von unterschiedlichen Energiesystemen miteinander vergleichen zu können. In einer im Mai veröffentlichten Studie haben Empa-Forschende nun auch ein Modell für die Berechnung der Versorgungssicherheit entwickelt.

Die Energiewende stellt Länder, Städte und Regionen vor Herausforderungen: So sollen möglichst CO2-neutrale Energiequellen genutzt werden, doch dürfen die Kosten für das Energiesystem nicht überborden und die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein, schreibt die Empa in einer Medienmitteilung. Diese drei Aspekte – Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit – bilden das sogenannte Energie-Trilemma. Die Nachhaltigkeit und die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Energielösungen lassen sich bereits heute mit zahlreichen Modellen quantifizieren. Anders sah es laut Empa bis jetzt bei der Energieversorgungssicherheit aus. «Die vorhandenen Modelle waren teilweise unklar, nicht anwenderfreundlich und nicht auf die heutigen Modellierungsmöglichkeiten ausgerichtet», sagt Matthias Sulzer, Leiter des Empa-Departements «Ingenieurwissenschaften». Gemeinsam mit Forschenden der Empa, der ETH Zürich und des «Lawrence Berkeley National Laboratory» in den USA soll Sulzer einen besseren Vorschlag für die Quantifizierung der Energieversorgungssicherheit ausgearbeitet haben. Dieser wurde im Mai in der Fachzeitschrift «iScience» veröffentlicht.

Die fünf Stufen der Versorgungssicherheit

Das Modell der Gruppe um Sulzer hat die Form einer Pyramide mit fünf Stufen. Für jede Stufe haben die Forschenden quantitative Indizes bereitgestellt.

Die unterste Stufe, Eigenproduktion, ist eine simple Energiebilanz: Wie viel Energie kann ein Land in einem Jahr aus eigenen Ressourcen produzieren, und wie viel verbraucht es?

Auf der zweiten Stufe geht es um die Autonomie, sprich: Wie viele Energieimporte sind über das Jahr verteilt notwendig, und wie sicher sind die Importwege?

Ab der dritten Stufe der Pyramide, der Systemadäquanz (sprich: ausreichende Systemkapazität), kommen dynamische Effekte hinzu. Hier werde mindestens stündlich festgehalten, ob der Energiebedarf zu jedem Zeitpunkt von irgendeiner Quelle gedeckt werden könne, so Mitautor Georgios Mavromatidis, Leiter des «Urban Energy Systems Laboratory» an der Empa.

Die vierte Stufe beschäftigt sich mit der Selbstversorgung: Kann das Land zeitweise ohne Importe auskommen?

Auf der obersten Stufe sprechen die Forschenden von vollständiger Autarkie; dabei kann das Land über das ganze Jahr (oder sogar länger) jederzeit von der eigenen Energieproduktion leben.

Obwohl die Stufen aufeinander aufbauen, sollten sie laut Mavromatidis alle gleichzeitig betrachtet werden. «Moderne Energiesysteme sind sehr komplex. Die Pyramide soll helfen, die verschiedenen Indizes richtig einzuordnen und Klarheit bei den Begrifflichkeiten zu schaffen», sagt der Forscher. Laut der Empa sei die wichtigste Stärke gegenüber bestehenden Modellen die Berücksichtigung der Dynamik auf den höheren Stufen. «Gerade erneuerbare Energiesysteme werden sehr dynamisch betrieben, denn Wind und Sonne sind nicht immer in gleichem Ausmass vorhanden», so Mavromatidis.

Mehr Sicherheit dank erneuerbaren Energien

Die Pyramide sei als ein erster Vorschlag zu verstehen, betonen die Forscher. Sie dient auch als Grundlage für weitere Diskussionen, Forschung und Verfeinerung der Indizes. Dennoch könne das Modell bereits heute zur Energieplanung eingesetzt werden. Dies demonstrierten die Forschenden in ihrer Studie am Beispiel der Schweiz. Sie nutzten die Pyramide, um die aktuelle Energieversorgungssicherheit in der Schweiz mit einem Zukunftsszenario für das Jahr 2050 zu vergleichen, welches sie bereits während einer vorangehenden Studie in Zusammenarbeit mit dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) modelliert hatten.

Die Analyse habe ergeben: Mit dem richtigen Einsatz von erneuerbaren Energien kann die Schweiz ihre Energieversorgungssicherheit in Zukunft sogar steigern. Dazu tragen gemäss Matthias Sulzer vor allem zwei Faktoren bei: die gesteigerte Diversifizierung von Energiequellen und die höhere Eigenproduktion.

Auch zusätzliche Speicher würden zur sicheren Energieversorgung beitragen, da dadurch Schwankungen überbrückt werden könnten. Dazu zählen indes nicht nur unsere Stauseen: «Thermische Speicher, in denen wir Industrieabwärme speichern und nutzbar machen können, sind ebenfalls bedeutend, genau so wie Batterien», erläutert der Forscher.

Autarkie kein Ziel, denn zu teuer

Autark wird die Schweiz im Zukunftsszenario der Forschenden nicht – das sei auch nicht unbedingt das Ziel, so Sulzer. «Hier kommt wieder das Energie-Trilemma ins Spiel», erklärt er. «Natürlich wäre es technisch möglich, in der Schweiz eine komplett autarke Energieversorgung aufzubauen. Sogar ein autarkes und nachhaltiges System wäre machbar – aber das würde dann die Kosten stark in die Höhe treiben.» Mit einem Mix aus Importen und Eigenproduktion, sowie aus unterschiedlichen Energiequellen, kann die Schweiz die Kosten, die Nachhaltigkeit und die Versorgungssicherheit unter ein Dach bringen.

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