Das Limmattaler Regiowerk Limeco betreibt in Dietikon eine Kehrichtverwertungsanlage (KVA) und eine Abwasserreinigungsanlage (ARA). Als Ergänzung von KVA und ARA ging im März 2022 die erste Power-to-Gas-Anlage (PtG-Anlage) im industriellen Massstab in Betrieb. «Industriell» bedeutet in dem Zusammenhang, dass die Anlage die ca. 160–200 Normkubikmeter (Nm3) Klärgas verwertet, die in der ARA stündlich anfallen. Früher wurde das Gas in Blockheizkraftwerke geleitet und zur Stromproduktion genutzt. Die neue Anlage verwandelt das Klärgas und KVA-Strom zu Biomethan, das ins lokale Gasnetz eingespeist wird (Fig. 1 und 2).
Bau und Betrieb der PtG-Anlage waren ein mutiger Schritt. Synthetisch produziertes Biomethan ist bei nachhaltig orientierten Gaskunden zwar ein begehrtes Gut, allerdings gab es von Beginn an keine Garantie fĂĽr die Wirtschaftlichkeit des neuartigen Verfahrens. Initiiert durch Swisspower, spannte Limeco deshalb mit acht weiteren kommunalen Energieversorgungsunternehmen zusammen (Box). Die Partner schulterten gemeinsam das wirtschaftliche Risiko der neuen Anlage.
Seit langem wird in den Faultürmen von ARA Klärschlamm vergärt und daraus der Energieträger Klärgas (Rohbiogas) hergestellt. Rohbiogas besteht ca. zu zwei Drittel aus energetisch nutzbarem Methan. Der Rest ist hauptsächlich Kohlendioxid (CO2). Da es aus der Atmosphäre entzogen ist, gilt es als klimaneutral. Im Rohbiogas enthalten, wird das CO2 entweder den Blockheizkraftwerken zugeführt oder mittels einer CO2-Abscheidung vom Rohbiogas abgetrennt. In beiden Fällen wird das CO₂ wieder an die Umwelt abgegeben. Soweit der gängige Umgang mit CO2 auf ARA.
Anders in Dietikon: Dort verwandelt (methanisiert) eine PtG-Anlage das im Rohbiogas enthaltene CO2 in den Energieträger Methan. Dazu wird das komprimierte Rohbiogas zusammen mit Wasserstoff in einen mit Klärschlamm gefüllten Bioreaktor geleitet (Fig. 3). Der Klärschlamm enthält anaerobe Mikroorganismen (Archaeen). Diese verwandeln das CO2 zusammen mit dem Wasserstoff in Methan. Durch diesen Umwandlungsprozess, biologische Methanisierung genannt, entsteht synthetisches Methan. Je nach CO2-Gehalt im Rohbiogas kann mit einer PtG-Anlage bis zu 50% mehr Biomethan produziert werden. Vor der Einspeisung ins Gasnetz muss das Methan von Ammoniak-, Schwefel- und Wasserstoffrückständen gereinigt werden, um die geforderte Gasqualität zu erreichen (Fig. 4).
Der Wasserstoff, der in der PtG-Anlage in Dietikon eingesetzt wird, stammt aus einem Elektrolyse-Prozess, bei dem Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten wird. Dafür werden zwei PEM-Elektrolyseure mit je 1,25 MW elektrischer Leistung eingesetzt (Fig. 5). Angetrieben werden sie mit Strom, der in der KVA aus der Verbrennungswärme mittels Dampfturbine und Generator erzeugt wird.
Die PtG-Anlage hat einen Wirkungsgrad von ungefähr 50%. Von dem erneuerbaren Strom, der für die Produktion von Wasserstoff eingesetzt wird, wird also rund die Hälfte in Methan umgesetzt. Die andere Hälfte wird teilweise als Wärme genutzt oder geht als Umwandlungsverluste verloren.
Wenige Monate nach dem Produktionsstart war die PtG-Anlage mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Im Herbst 2022 drohte nach dem russischen Überfall auf die Ukraine eine Strommangellage. Deshalb entschieden die Kooperationspartner, den KVA-Strom vollständig ins Netz einzuspeisen und die PtG-Anlage im Winterhalbjahr 2022/23 vorübergehend abzuschalten. Im März 2023 nahm sie den Betrieb wieder auf. Nach und nach konnte die Produktion hochgefahren werden, wobei immer wieder «Kinderkrankheiten» auftraten, wie sie für eine Demonstrationsanlage nicht untypisch sind. Um die Erfahrungen mit der neuen Anlage auszuwerten, wurde während der ersten zwei Betriebsjahre ein Monitoring-Projekt realisiert. Dieses wurde von Limeco durchgeführt, von Swisspower und dem Ingenieurbüro Rytec begleitet. Das Bundesamt für Energie unterstützte das Projekt finanziell aus dem Pilot- und Demonstrationsprogramm. Ende 2024 wurde es mit zwei Schlussberichten abgeschlossen (Fig. 6, 7 und 8).
Die PtG-Anlage produziert im Vollbetrieb jährlich 1,8 Mio. Nm3 Biomethan; dies entspricht einer Energiemenge von 18 GWh bzw. dem Bedarf von 2000 Haushalten. Durch die vorsorgliche Abschaltung im Winter 2022/23, technisch bedingten Stillstandzeiten und Umbauarbeiten ab Februar 2024 stammen die vom Monitoring erfassten Betriebserfahrungen hauptsächlich aus dem Zeitraum April 2023 bis Januar 2024. «Wir konnten mit der Anlage demonstrieren, dass die Produktion von Biomethan aus dem CO2 der ARA sowie Strom der KVA im industriellen Massstab funktioniert», fasst Limeco-Projektleiter Thomas Di Lorenzo ein Hauptergebnis des Monitoringprojekts zusammen.
Eine Schlüsselkomponente der Anlage ist der Bioreaktor. Er verwandelt das im Rohbiogas enthaltene CO2 unter Zugabe von Wasserstoff in synthetisches Methan. Für diesen sogenannten Methanisierungsprozess gibt es unterschiedliche technische Lösungen. Limeco hat sich bei der Anlage in Dietikon für die biologische Methanisierung entschieden, bei dem die Mikroorganismen das Kohlendioxid und den Wasserstoff zu Methan umwandeln. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass das Rohbiogas ohne Vorbehandlung in den Bioreaktor geleitet werden kann.
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Die biologische Methanisierung wurde bis anhin erst in Pilotanlagen erprobt. In Dietikon kam sie erstmals im grossen Massstab zum Einsatz. Limeco entschied sich fĂĽr das Methanisierungsverfahren BiON. Dieses war von microbEnergy, damals einer Tochter des deutschen Heiztechnikkonzerns Viessmann, entwickelt worden und wird unterdessen vom Cleantechunternehmen Kanadevia Inova Schmack vertrieben.
«In unserer Anlage funktioniert die Methanisierung zuverlässig und robust», sagt Di Lorenzo. Im Projektschlussbericht heisst es dazu: «Stimmen die Rahmenbedingungen (Temperatur, Druck, Rührleistung, stöchiometrisches Einbringen der Gase), kann der Prozess beinahe beliebig ohne Qualitätsverlust im Einspeisegas gestartet und gestoppt werden. Wurde die biologische Methanisierung einmal über mehrere Stunden betrieben, ist ein «Standby» von bis zu 72 Stunden möglich. Steht der Methanisierungsprozess länger als 72 Stunden, müssen der Schlamm bzw. die sich darin befindenden Archaeen auf unter 40 °C abgekühlt werden, um sie zu inaktivieren. Bleibt der Bioreaktor für einige Tage gekühlt stehen, kann er wieder auf Temperatur gebracht und der Prozess erneut gestartet werden.»
Das einzige grössere Problem, das im Bioreaktor auftrat, war die Bildung von Schaum, der den nachgeschalteten Ammoniakwäscher zu verschmutzen drohte. Diese Gefahr wurde mit einer angepassten Druckregelung verringert. Dass es bei der Demonstrationsanlagen immer wieder zu Betriebsunterbrüchen kam, liegt nicht am Prozess der biologischen Methanisierung, sondern an anderen Anlagenkomponenten, wie der Schlussbericht festhält: «Insbesondere das Elektrolysesystem mit Wasseraufbereitung und DeOxoDryer (Wasserstoffreinigung) waren bisher die Hauptursache für längere Stillstände.»
Die technischen Mängel sind mit ein Grund, dass die Anlage in den ersten Betriebsjahren weniger wirtschaftlich lief als geplant. So sollte die Anlage kostendeckend arbeiten, indem die acht beteiligten Stadtwerke das Biomethan zu einem Preis von durchschnittlich knapp 12 Rp./kWh abnehmen (um es als nachhaltiges Biogas zu einem etwas höheren Preis an ihre Kunden verkaufen zu können). Hohe Strommarktpreise, Wartungskosten (insbesondere für die Elektrolyseure), Stillstandzeiten und weitere Faktoren liessen die Produktionskosten ansteigen. Die Energieversorger haben sich jedoch dazu bereit erklärt, das Biomethan zu einem höheren Preis abzunehmen, damit die Kosten der PtG-Anlage vollständig gedeckt sind.
Vor diesem Hintergrund suchen Limeco und ihre Partner nach neuen Ansätzen, um die Wirtschaftlichkeit der PtG-Anlage zu verbessern. Eine Idee geht dahin, die Methanisierungsanlage hauptsächlich in den Sommermonaten zu betreiben, weil mit dem geplanten massiven Zubau von Solarstrom tiefe Strommarktpreise für den Betrieb der Elektrolyseure erwartet werden. Im Winterhalbjahr hingegen wird bei hohen Stromkosten auf die Methanisierung verzichtet und «nur» das im Rohbiogas enthaltene Biomethan genutzt. Zu dem Zweck wurde im Frühjahr 2024 die PtG-Anlage mit einer Membran erweitert, die das CO2 aus dem Rohbiogas abscheidet. Seither wird auf die Methanisierung verzichtet, wenn der Strompreis für die Wasserstoffherstellung zu hoch ist. Mit diesem saisonalen Betriebsmodus soll künftig ein durchschnittlicher kostendeckender Preis von unter 15 Rp/kWh möglich werden, wie der Projektschlussbericht festhält.
Im Rahmen des BFE-Projekts wurde ferner die Nutzung der PtG-Anlage zur Bereitstellung von Regelleistung untersucht. Regelleistung wird von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid benötigt, um das landesweite Stromnetz zu stabilisieren, wenn vorübergehend zu viel bzw. zu wenig Strom produziert wird. Eine im Herbst 2023 durchgeführte Messkampagne hat bestätigt, dass die in Dietikon installierte PtG-Anlage Regelleistung im Umfang von rund 1 MW bereitstellen könnte. Das im Verbund mit der KVA berechnete Regelleistungspotenzial wurde von den Projektträgern auf 4,5 MW beziffert. Hierzu würde die Produktion der PtG-Anlage immer dann kurzzeitig zurückgefahren, wenn Swissgrid zusätzlichen Strom benötigt. Da Swissgrid die Vorhaltung von Regelleistung finanziell entschädigt, besteht hier eine zusätzliche Einnahmequelle. «Das ist für uns eine interessante Option, die wir allerdings erst wahrnehmen können, wenn die Anlage stabil läuft und mit einem Zwischenspeicher für Wasserstoff ausgerüstet ist», sagt Di Lorenzo.
AuskĂĽnfte erteilt Men Wirz, men.wirz@bfe.admin.ch. Er ist verantwortlich fĂĽr das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts fĂĽr Umwelt BFE.
www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=47372
Wenn Haushalte von ihrem Gasversorger Biogas beziehen, handelt es sich in der Regel um Gas aus der Vergärung organischer Abfälle. Das Gas ist somit biogenen Ursprungs. Chemisch betrachtet sind Biogas und das aus fossilen Quellen stammende Erdgas nahezu identisch; beide bestehen überwiegend aus der Kohlenstoff-Wasserstoff-Verbindung Methan (CH₄). Bei der Verbrennung von Erdgas wie auch wird die Atmosphäre mit klimaschädlichem Kohlendioxid belastet. Allerdings wurde bei Biogas der Kohlenstoff zuvor aus der Atmosphäre in den biogenen Stoffen gebunden. In diesem Sinne belastet Biogas nicht zusätzlich, sondern gilt als klimaneutral.
Das Gas, das mit der PtG-Anlage in Dietikon eingespeist wird, besteht genau betrachtet aus zwei Quellen: Zu zwei Dritteln handelt es sich um Biomethan, das bei der Vergärung von Klärschlamm entsteht. Das verbleibende Drittel wird aus biogenem CO2 und Wasserstoff hergestellt. Der mit KVA-Strom hergestellte Wasserstoff wird als erneuerbar eingestuft. Vor diesem Hintergrund kann man das Endprodukt der PtG-Anlage in Dietikon als Biogas oder als erneuerbares Gas bzw. als grünes Gas bezeichnen. Will man betonen, dass dieses Gas aus dem Energieträger Methan besteht, ist auch die Bezeichnung Biomethan geläufig, so wie sie in diesem Artikel verwendet wird.
Ist das Endprodukt des Methanisierungsprozesses gemeint, wird der Zusatz synthetisch verwendet, um es von dem im Rohbiogas enthaltenen Biomethan abzugrenzen.
Der Begriff Power-to-Gas (PtG) steht für die Umwandlung von Strom in Gas (z. B. Methan): Mit einem starken Ausbau von Photovoltaik und Windkraft kann überschüssiger Strom dank PtG im Sommer in Form von Methan oder Wasserstoff gespeichert und im Winter genutzt werden. Dies setzt voraus, dass die Schweiz zukünftig über grössere Gasspeicher verfügt. Die Wirtschaftlichkeit von Power-to-Gas-Anlagen hängt primär vom Preis des eingesetzten Stroms und vom aktuellen Gaspreis ab.
Limeco – Regiowerk im Limmattal
Energie Wasser Bern, Energie ZĂĽrichsee Linth AG, Eniwa AG, Industrielle Betriebe Interlaken, Gasversorgung Dietikon, Gasversorgung Schlieren, St. Galler Stadtwerke und SWL Energie AG
Swisspower AG – Schweizer Stadtwerke-Allianz
Thomas Peyer, Swisspower AG
Fabian Blaser und Rafael Osswald, Rytec AG
Thomas Di Lorenzo und Niclas GĂĽndel, Limeco
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