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Fachartikel
26. Mai 2025

Verein H2 Produzenten

Kantonale Aktivitäten im Bereich Wasserstoff

Die Produzenten von grünem Wasserstoff der Schweiz haben sich zusammengeschlossen, um an der Gestaltung einer klimafreundlichen Zukunft und der Dekarbonisierung des Energiesektors mitzuwirken. Der Verein der H2 Produzenten will die Etablierung der Wasserstoffproduktion in der Schweiz vorantreiben. Auf Basis einer Umfrage bei den Kantonen versucht der Verein, eine Übersicht über die kantonalen Aktivitäten im Bereich Wasserstoff zu erstellen, da eine solche Übersicht einen grossen Mehrwert für Akteure der Wasserstoffwirtschaft darstellt.
Nafissa Hannesen 

Die Kantone sind zentrale Pfeiler in der Schweizer Energiepolitik. Zusammen mit dem Bund sind sie für wichtige Teile der Energieversorgung zuständig. Im Jahr 2023 stellte der Verein der H2 Produzenten fest, dass gewisse Kantone konkrete Schritte zur Förderung einer Wasserstoffwirtschaft unternehmen, sei es durch die Aufnahme der Thematik in die kantonale Energiestrategie oder durch die finanzielle Unterstützung von Pilotprojekten, z. B. Tankstellen.

Warum eine Umfrage bei den Kantonen zum Thema Wasserstoff?

Eine Übersicht über alle Aktivitäten der Kantone auf dem Gebiet von Wasserstoff gibt es bis anhin allerdings nicht. Da eine solche Übersicht aber einen grossen Mehrwert für die Akteure der Wasserstoffwirtschaft darstellen würde, hat der Verein der H2 Produzenten 2024 eine Umfrage durchgeführt, um zu erfahren, welches derzeit die kantonalen Aktivitäten zum Thema Wasserstoff sind.

Die Umfrage umfasste folgende sechs Fragen zu Rolle, Massnahmen, Studien, Fördermitteln und weiteren Wasserstoff­aktivitäten:

  1. Welche Rolle spielt Wasserstoff in Ihrer aktuellen kantonalen Energiestrategie? (Falls keine vorgesehen, ist für die nächste Überarbeitung geplant, eine Rolle zu definieren?)
  2. Welche Massnahmen zur EinfĂĽhrung einer Wasserstoffwirtschaft sind auf kantonaler Ebene geplant?
  3. Gibt es Studien zur Rolle von Wasserstoff auf kantonaler Ebene oder sind solche geplant?
  4. Welche Fördermittel können derzeit für den Aufbau von Wasserstoffaktivitäten (Wasserstoff-Produktionsanlagen, Betankungsinfrastruktur, Industrie etc.) genutzt werden?
  5. Gibt es weitere Aktivitäten im Bereich Wasserstoff, die Sie uns mitteilen möchten?
  6. Welche Erwartungen haben die Kantone an die Branche (respektive an den Verein der H2 Produzenten) in Bezug auf Wasserstoff?

Die Antworten der Kantone wurden qualitativ ausgewertet, wobei teilweise Interpretationen notwendig waren. Dafür wurden zusätzlich öffentlich zugängliche Informationen über die Aktivitäten der Kantone herangezogen, wie Energie- und Klimastrategien und/oder Energie- und Klimaplanungen, Medienmitteilungen etc.

Die Rolle von Wasserstoff in den Kantonen

Das Thema Wasserstoff ist in den einzelnen Kantonen von unterschiedlicher Bedeutung. Die Antworten auf die erste Frage sind eine Momentaufnahme der Energie- und Klimaplanungen der Kantone. Sie zeigen, dass das Thema in vielen Kantonen an Fahrt aufgenommen hat und immer mehr an Bedeutung gewinnt. Für die Auswertung wurden die Antworten in die fünf Kategorien «Bedeutende Rolle», «Gewisse Rolle», «Wenig bedeutende oder keine Rolle» und «Frage in Überarbeitung» eingeteilt. Die Rolle von Wasserstoff in den einzelnen Kantonen gemäss Umfrageergebnissen ist in Figur 1 dargestellt.

Studien zum Thema Wasserstoff

In einigen Kantonen liefen respektive laufen aktuell Studien zum Thema Wasserstoff. Nachfolgend eine Ăśbersicht ĂĽber die laufenden, geplanten oder durchgefĂĽhrten Studien auf kantonaler Ebene:

Bern (2023)

Der Kanton Bern war Projektträger einer Studie zur CO2-freien Schifffahrt im Berner Oberland. Diese kam zum Ergebnis, dass wasserstoffbetriebene Fahrgastschiffe samt der Sicherstellung der Wasserstoffversorgung unter Berücksichtigung technologischer, versorgungstechnischer als auch wirtschaftlicher Aspekte umsetzbar scheinen.

Jura

Bezugnehmend auf eine kantonale Motion beschreibt der Kanton die Resultate einer Studie, die zur Entwicklung von Wasserstoff auf Kantonsgebiet durchgeführt wurde. Die Studie identifiziert zwei Arten von potenziellen Projekten, die das H2-Ökosystem kurzfristig fördern könnten: die Einrichtung von H2-Tankstellen und die Umsetzung eines Flexibilitätsprojekts, um das Potenzial einer saisonalen Speicherung von PV-Überschüssen in der Praxis zu evaluieren. Der Bericht regt zudem eine Kommunikations- und Werbekampagne für grünen Wasserstoff an.

Luzern (geplant)

Der Kanton Luzern hat in seiner Massnahmen- und Umsetzungsplanung «Klima und Energie 2022–2026» festgelegt, eine Strategie für die Dekarbonisierung der Gasversorgung zu erarbeiten und umzusetzen (Massnahme KS-E1.1). Die Strategie soll eine Analyse des Bedarfs an synthetischen Brenn- und Treibstoffen auf Kantonsgebiet umfassen, insbesondere an Wasserstoff und dessen Derivaten (potenzielle Verbraucher, Mengen, Einsatzmöglichkeiten).

Zudem wird der Kanton im Rahmen der Umsetzung der Massnahme KS-E2.3 aus dem Planungsbericht «Klima und Energie 2022–2026» die Rolle von Wasserstoff als Speichertechnologie (Power-to-X) untersuchen.

Neuenburg (2020)

Der Kanton Neuenburg hat eine Studie über eine erste Schätzung des H2-Potenzials bis 2035 für den Strassengüterverkehr und den Personenverkehr (Etude sur une 1ère estimation du potentiel H2 à l’horizon 2035 pour les secteurs du transport routier des marchandises et du transport de personnes) durchführen lassen.

Tessin 

Im Kanton Tessin wurden zwei Machbarkeitsstudien zu NET-Technologien (Negative Emission Technologies) durchgeführt, bei denen Wasserstoff eine wichtige Rolle spielt. Die erste Studie analysierte das Potenzial für die Umsetzung von NET-Technologien auf Kantonsgebiet, die zweite Studie analysierte die Machbarkeit einer Methan- oder Methanolsyntheseanlage auf dem Gelände der kantonalen Kehrichtverbrennungsanlage ICTR, wo bereits eine Baubewilligung für eine Wasserstoffproduktionsanlage erteilt wurde (Anlage noch nicht gebaut). 

Uri (2021-2022)

Die Auto AG Uri (eine konzessionierte Transportunternehmung mit Beteiligung des Kanton Uri) hat eine von der Neuen Regionalpolitik unterstĂĽtzte Studie zur PrĂĽfung des Einsatzes alternativer, umweltfreundlicher Antriebstechnologien durchgefĂĽhrt.

Förderungen

Mehrere Kantone erwähnen in ihren Antworten, dass eine Förderung im Rahmen von Pilotprojekten möglich sei. Einige Kantone haben sogar spezifische Massnahmen zur Förderung von Wasserstoff eingeführt. Nachfolgend einige Beispiele von kantonalen Fördermitteln, die im Rahmen von Wasserstoffaktivitäten genutzt werden können: 

Aargau

Der Kanton Aargau kann auch den Aufbau der Infrastruktur fĂĽr Wasserstoff- und fĂĽr Elektrofahrzeuge unterstĂĽtzen mit dem Ziel, die neuen Antriebskonzepte in der Anfangsphase so weit zu unterstĂĽtzen, dass sie am Markt als Alternative wahrgenommen werden.

Im Rahmen der Förderung von technologischen Pilotprojekten kann der Kanton Aargau innovative Initiativen zur umweltfreundlichen Erzeugung von Wasserstoff und dessen Anwendung mit fachlicher Begleitung, erleichterten Bewilligungen oder finanziellen Beiträgen unterstützen.

Grundsätzlich besteht mit dem Entwicklungsschwerpunkt Klima (ESP-Klima) die Möglichkeit zur Anschubfinanzierung von Projekten in den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassungen in Zusammenarbeit mit der Kantonsverwaltung.

Bern

Im Kanton Bern sind Machbarkeitsstudien für grosse Produktionsanlagen im Bereich erneuerbarer Energien förderberechtigt. Der Schwerpunkt der Machbarkeitsstudie muss auf der Nutzung erneuerbarer Energien liegen. Darin wird die technische Umsetzbarkeit unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Aspekten aufgezeigt. In diesem Bereich kann der Kanton Bern bis zu maximal 50% der anrechenbaren Kosten fördern.

Neuenburg

Der Kanton Neuenburg sieht im kantonalen Klimaplan 2023 eine Massnahme zur Förderung von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen für den Strassengüterverkehr vor (Plan Climat Cantonal 2023–2027, Mesure R8. Promouvoir l’hydrogène d’origine renouvelable pour le transport routier de marchandises).

Solothurn

Wasserstoffprojekte können individuell im Rahmen der Solothurner Verordnung zum Energiegesetz über Staatsbeiträge unterstützt werden. lm Vordergrund stehen Beiträge für Pilot- oder Demonstrationsanlagen. Es sind aber auch Beiträge für indirekte Massnahmen, wie Informationsveranstaltungen, Beratungs- und Auskunftsstellen, denkbar.

St. Gallen

Mit dem St. Galler Energiekonzept 2021–2030 wurde unter anderem das Tool der Pilot- und Demonstrationsprojekte für die Massnahmen SG-3 (Speicherung und Lastmanagement) und SG-12 (Erfolgreiche Mobilitätslösungen etablieren – neue Lösungen entwickeln und verbreiten) geschaffen. Die Pilot- und Demonstrationsvorhaben werden dabei technologieneutral von einer Fachkommission beurteilt. Innovative Wasserstoffprojekte in den Bereichen Speicherung und Mobilität können dementsprechend einen Antrag stellen. Der Fördermassnahme stehen 7 Mio. Franken bis 2030 zur Verfügung.

ZĂĽrich

Mit dem am 6. Februar 2023 vom Zürcher Kantonsrat bewilligten Rahmenkredit für das Förderprogramm «Infrastruktur für eine CO2-arme Mobilität» (vgl. Vorlage 5842) sollen Pilotanlagen für Wasserstofftankstellen mit einem einmaligen Investitionsbeitrag gefördert werden. Die unterstützten Projekte sollen im Rahmen einer Public-Private-Partnership ausgestaltet werden. Der Kanton fördert höchstens vier Pilotanlagen mit 30% der Investitionskosten bis zu einem Beitrag von 0,3 Mio. Franken pro Projekt.

Mit dem am 15. Mai 2023 vom Kantonsrat bewilligten Rahmenkredit 2023–2026 für Subventionen im Energiebereich (vgl. Vorlage 5876) stehen 13,5 Mio. Franken für die Unterstützung von Pilotprojekten, beispielsweise im Bereich der Herstellung, Speicherung und Verwendung von synthetischen Brenn- und Treibstoffen, zur Verfügung.

Weitere Aktivitäten

Mehr als die Hälfte der Kantone hat sich in ihren Energie- und Klimastrategien bzw. Energie- und Klimaplanungen mit Wasserstoff und Power-to-X auseinandergesetzt. Mehrere Kantone weisen auf Unsicherheiten zum erwarteten Potenzial und Bedarf hin. Ein Teil der Kantone nimmt nichtsdestotrotz eine Vorreiterrolle ein. Diese Kantone anerkennen, dass Wasserstoffinfrastrukturen und/oder -anwendungen auf Kantonsgebiet einen Beitrag zur Lösung ihrer energie- und klimapolitischen Herausforderungen leisten können, und erwägen oder planen vielfältige Massnahmen in diesem Bereich. Die Wahl der Massnahmen und der Schwerpunkte innerhalb der Wertschöpfungskette und den Anwendungen spiegeln die energie-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ausprägungen eines jeden Kantons. Mehrere Kantone nannten, dass sie auf der Grundlage der Wasserstoffstrategie des Bundes kantonale Schritte prüfen werden. Diese war zum Zeitpunkt der Durchführung der Umfrage noch nicht publiziert.

Nachfolgend eine Zusammenfassung von kantonalen Wasserstoffaktivitäten:

Basel-Landschaft: Bereich Produktion und saisonale Speicherung

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft wurde vom Parlament (Landrat) aufgefordert, eine Wasserstoffstrategie vorzulegen, die regional und grenzĂĽberschreitend abgestimmt und im Einklang mit der Strategie des Bundes ist.

Das Hochbauamt Basel-Landschaft plant im Werkhof Reinach, zusammen mit der bereits geplanten und bewilligten Installation einer PV-Anlage gleichzeitig eine kleinere Pilot- und Demonstrationsanlage «dezentrale Wasserstoffproduktion aus erneuerbarer Energie und Speicherung und Rückverstromung zum Eigenverbrauch» zu installieren. Mit der Pilot- und Demonstrationsanlage soll die Erprobung der neuen Technologie im Bereich der erneuerbaren Energieproduktion und saisonalen Speicherung für die kantonalen Bauten geprüft und die Markteinführung beschleunigt werden.

Bern: Bereich Mobilität

Die Wasserstofftankstelle in Grauholz wurde mit Hilfe des Kantons Bern, der GrundeigentĂĽmer ist, realisiert.

Freiburg: Bereich Bildung

Im Kanton Freiburg haben die Hochschule für Technik und Architektur und die Universität einen CAS zu Wasserstoff ins Ausbildungsangebot aufgenommen.

Genf: Bereich Bildung

Der Kanton Genf möchte die Ingenieur- und Berufsschulen der Romandie im Rahmen des Westschweizer Wasserstoffnetzwerks «Réseau H2» mobilisieren.

St. Gallen: Bereich Bildung Austausch

Der Kanton St. Gallen hat 2024 einen zweitägigen Wasserstoff-Summit «Grenzübergreifende Planung für grünen Wasserstoff» organisiert. Dabei trafen sich namhafte internationale Vertreter der Wasserstoffbranche.

Zug: Bereich Produktion

Im Rahmen der «Zuger Initiative zur Dekarbonisierung der Industrie» der Empa und des Tech Cluster Zug wird eine neuartige Pyrolyse-Technologie zur Wasserstofferzeugung aus Methan unter gleichzeitiger Bindung des Kohlenstoffs in Form eines Pulvers entwickelt und getestet. Der Kanton Zug beteiligte sich an der Initiative mit einem Beitrag von 1,72 Mio. Franken.

Erwartungen der Kantone an die Branche (bzw. den Verein der H2 Produzenten) in Bezug auf Wasserstoff

Die Erwartungen der Kantone an die Branche sind vielseitig und betreffen unterschiedliche Aspekte. Mehrere Kantone haben einen grossen Informationsbedarf zum Wasserstoffmarkt. Daher bedarf es einer verständlichen und transparenten Kommunikation sowie einer technologieübergreifenden Wissensvermittlung durch die Branche, womit einerseits die Potenziale von Wasserstoff aufgezeigt und diese in den Gesamtkontext der sektorenübergreifenden Energiewende eingeordnet werden. Andererseits sollten dabei auch die Herausforderungen thematisiert werden.

Bei Projekten sollte auf eine frühzeitige Einbindung bei der Planung, insbesondere im Hinblick auf Bewilligungsverfahren oder allfällige Förderungen von Produktionsanlagen und H2-Leitungen abgezielt werden. Eine gute Zusammenarbeit der Branche mit Bund, Kantonen und Gemeinden bei der Ausgestaltung der nötigen Rahmenbedingungen und der Umsetzung von konkreten Projekten ist anzustreben.

Weitere von den Kantonen formulierte Erwartungen an die Branche betreffen die Fokussierung auf spezifische Anwendungen sowie die BĂĽndelung der Interessen und Einflussnahme auf Bund und Regierung.

Ausblick

Der Bundesrat hat Ende 2024 die Wasserstoffstrategie für die Schweiz mit einem Katalog bereits bestehender wie auch neuer Massnamen vorgelegt. Ausserdem sind auf kantonaler Ebene zahlreiche Initiativen im Bereich Wasserstoff in Planung, in der Umsetzung oder bereits realisiert worden. Mehrere Kantone haben explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Aktivitäten auf diejenigen des Bundes abstimmen möchten. Der Verein der H2 Produzenten wird ihren Bericht als nächstes den Kantonen zur Stellungnahme unterbreiten. Es ist geplant, den finalen Bericht in diesem Jahr zu veröffentlichen.

Rückblick auf die Fachtagung von H2 Produzenten vom 27. März 2025

Vor vier Jahren wurde der Verein der H2 Produzenten gegründet mit dem Ziel, die Produktion von grünem Wasserstoff in der Schweiz voranzutreiben. Gerade in einer ersten Phase des Aufbaus einer Schweizer Wasserstoffwirtschaft ist die inländische Produktion zentral. Das war auch der Grundtenor einer Fachtagung im Anschluss an die diesjährige 5. Mitgliederversammlung des Vereins. Der Fokus dieser lag auf der nationalen Wasserstoffstrategie und auf den Aktivitäten der Kantone.

 

Im ersten Vortrag stellte Markus Bareit, Fachspezialist Sektorkopplung und Monitoring beim Bundesamt für Energie (BFE), die «Wasserstoffstrategie für die Schweiz» vor, die der Bundesrat im Dezember 2024 verabschiedet hatte. Aktuell sei die Nachfrage nach Wasserstoff eher klein und werde es wohl bis ungefähr 2035 auch bleiben. Sie lasse sich folglich mit inländischer Wasserstoffproduktion decken. Bareit sprach von Clustern respektive Wasserstoff- und Multienergie-Hubs, die nahe an Standorten des Verbrauchs entstanden oder entstehen werden, sodass die Transportwege kurz gehalten würden. Nach 2035 werde mit der Einbindung der Schweiz in den European Hydrogen Backbone (EHB) gerechnet. Mit dem leitungsgebundenen Import liesse sich dann die wachsende Nachfrage in der Schweiz decken. Bis dahin sollten auch eine inländische Netzinfrastruktur sowie eine gewisse Speicherkapazität im In- und Ausland zur Verfügung stehen.


Um Wasserstoff in der Schweiz voranzutreiben, braucht es Zusammenspiel aller Akteure

Weiter unterstrich Markus Bareit, dass die nationale Wasserstoffstrategie keinen Top-down-Ansatz darstelle. Umso wichtiger sei für die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen das Zusammenspiel aller Akteure, also Bund, Kantone, Energiebranche, Wirtschaft und Forschung. Er zählte die wichtigsten Massnahmen auf:

  • Förderung neuartiger Technologien mit 1,2 Mrd. Franken ĂĽber 6 Jahre, wie im Artikel 6 des Anfang Jahr in Kraft getretenen Klimaschutzgesetzes (KlG) vorgesehen
  • PrĂĽfung einer finanziellen Absicherung fĂĽr die Anbindung an Europa
  • Flächen fĂĽr Wasserstofftankstellen, vor allem an Nationalstrassen (analog zu den Schnellladestationen fĂĽr Elektrofahrzeuge heute)
  • Runder Tisch zum Thema Energiespeicher
  • Erarbeitung von Normen und Standards
  • Empfehlungen an die Kantone

Bareit wies zudem darauf hin, dass Stromspeicher und PtX-Anlagen ab dem 1. Januar 2026 von Rückerstattungen der Netznutzungsentgelte profitieren könnten. Voraussetzung dafür sei, dass der über PtG hergestellte Wasserstoff als Stromspeicher genutzt werde, d. h. eine Stromrückspeisung sei für die Rückerstattung notwendig. Anders sähe es bei P+D-PtX-Anlagen aus: Diese profitierten von einer Rückerstattung der gesamten Netznutzungsentgelte.

Wasserstoffaktivitäten in den Kantonen

Zunächst stellte Boris Bayer, Projektleiter Energieversorgung/Mobilität beim Amt für Umwelt und Energie (AUE), die Aktivitäten des Kantons Bern vor. In der letztes Jahr aktualisierten kantonalen Energiestrategie werde Wasserstoff vor allem in den Abschnitten zur Wärmeerzeugung sowie zur Mobilität genannt. Zurzeit werde ausserdem ein Energiekonzept entwickelt, das wiederum Grundlage ist für die Überarbeitung des kantonalen Richtplans. Wasserstoff werde auch in diesem Energiekonzept enthalten sein. Das AUE Bern sei daran, einen Masterplan Wasserstoff zu erarbeiten. Darüber hinaus nannte Herr Bayer für 2025/26 zwei weitere Projekte: erstens die Erstellung eines Leitfadens für die Bewilligung von H2-Produktionsanlagen. Dabei soll der vom Verein der H2 Produzenten im November 2023 veröffentlichte Genehmigungsleitfaden für den Bau und Betrieb von H2-Produktionsanlagen als Grundlage dienen und mit kantonsspezifischen Informationen ergänzt werden. Zweitens werde die kantonale Arbeitshilfe für Energieleitungen überarbeitet und um ein Kapitel zu Wasserstoffleitungen erweitert.

Anschliessend gab Susanne Michel (Lex Energia GmbH) einen Überblick über die Aktivitäten der Kantone im Bereich Wasserstoff. Dabei stützte sie sich auf eine Umfrage, die der Verein der H2 Produzenten im Jahr 2024 bei den Kantonen durchgeführt hatte und ergänzte die dort erhaltenen Antworten mit öffentlich zugänglichen Informationen zu den kantonalen Aktivitäten, wie Energie- und Klimastrategien oder Medienmitteilungen. Die meisten kantonalen Umsetzungen befänden sich im Bereich der Mobilität. Hierzu zählten z. B. die Förderung des Aufbaus einer Tankstelleninfrastruktur oder die Analyse von fossilfreien Antriebstechnologien im öffentlichen Verkehr. Mehr als die Hälfte der Kantone behandle das Thema Wasserstoff in ihrer Energie- respektive Klimaplanung, wie Susanne Michel weiter ausführte. Zur Umsetzung der Empfehlungen des Bundes seien jedoch noch weitere Anstrengungen nötig. Insgesamt sei auch eine enge Koordination zwischen Bund, Kantonen und Akteuren wichtig, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

Perspektive eines Hochdrucknetzbetreibers

Arthur Janssen, CEO des Gasverbunds Mittelland (GVM), nannte den Wasserstoff-Transit eine grosse Chance für die Schweiz, stellte aber auch die damit verbundenen grossen Herausforderungen dar. In Europa wird an vielen Pipelineprojekten konkret gearbeitet. Am Beispiel der H2med-Pipeline zwischen Portugal und Deutschland zeigte er die vielen benötigten Schritte bei der Planung und Finanzierung auf. In der Schweiz werde insbesondere beabsichtigt, eine der beiden bestehenden Transitgasleitungen auf Wasserstoff umzurüsten und in den Bereichen, in denen aktuell nur eine Transportleitung vorliege, um eine neue Wasserstoffleitung zu ergänzen. Anders als bei der Entwicklung des Gasnetzes gebe es derzeit keinen etablierten Markt für Wasserstoff. Ferner dauere die Umsetzung des Projekts Wasserstoff-Transit ca. 88 Monate ab dem Investitionsentscheid. Solange das Investitionsrisiko allerdings nicht aufgeteilt werde, gebe es auch keinen Investitionsentscheid.

Viele der Schwierigkeiten rund um das Thema Wasserstoff, mit denen Hochdrucknetzbetreiber wie der GVM konfrontiert sind, liessen sich in diesem Projekt erkennen, so Janssen: An erster Stelle stehe sicher die Huhn-Ei-Problematik des Wasserstoffhochlaufs, also die Schwierigkeit, gleichzeitig Angebot und Nachfrage auf einem neuen Markt zu schaffen. Ausserdem seien die Bedarfsprognosen mit vielen Unsicherheiten behaftet, die Wasserstoffproduktion sei zurzeit noch sehr teuer und das Risiko bei den unklaren politischen Rahmenbedingungen hoch. Arthur Janssens Fazit war: «Die Wasserstoff-Hype-Phase ist vorbei, momentan befinden wir uns in der Phase des Abfallens ins Tal der Enttäuschungen. Doch Wasserstoff wird kommen. Es gilt, am Ball zu bleiben!» Bum

 

Wechsel an der Vereinsspitze

An der 5. Mitgliederversammlung des Vereins der H2 Produzenten wurde der Vorstand gewählt und auch das Präsidialamt neu besetzt. Ab 1. Mai 2025 übernimmt Nafissa Hannesen das Präsidium. Sie ist Maschinenbauingenieurin und verfügt über 28 Jahre Erfahrung in der Industrie als Projektingenieurin, Qualitätsleiterin, Projekt- und Produktmanagerin in verschiedenen Industrien. Aktuell ist sie als Produktmanagerin für H2 bei Groupe E tätig. Zudem war sie bis anhin Geschäftsführerin des Vereins.

Neu wird Zoe Stadler, ebenfalls ab dem 1. Mai, Geschäftsführerin des Vereins. Sie ist Ingenieurin Energie- und Umwelttechnik und leitet eine Forschungsgruppe im Fachbereich Power-to-X am Institut für Energietechnik (IET) an der Ostschweizer Fachhochschule (OST).

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