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Fachartikel
09. September 2025

Carbon Capture and Storage (CCS)

CO2-Transport

Ohne CO2-Abscheidung und -Einlagerung erreicht die Schweiz ihr ambitioniertes Ziel, bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäres auszustossen, nicht. Deswegen werden in Zukunft täglich viele Tonnen CO2 von Industrie- und Biogasanlagen zu den Lagerstätten transportiert werden. Die Erstellung eines Leitungstransportnetzes wird mit dem Hochlauf von CO2-Abscheideanlagen kaum Schritt halten können. In der ersten Phase dürfte das CO2 somit verflüssigt per LKW, Zug oder Schiff zu den Abnahmepunkten transportiert werden.
Ivo Reichenbach, Beat Kilcher 

Damit die Schweiz ihr Netto-Null-Ziel erreichen kann, keine Treibhausgase ab 2050 mehr zu emittieren, müssen CO2-Emissionen abgeschieden und anschliessend im Untergrund gespeichert werden (CCS). Während dadurch in geeigneten Industrieanlagen fossile CO2-Emmissionen verhindert werden, können durch die Abscheidung von biogenem CO2 wie zum Beispiel aus Biogasanlagen negative Emissionen erzielt werden.

Der Transport des abgeschiedenen CO2 dürfte in einer ersten Phase mit LKW, Zug oder auf dem Wasserweg zu möglichen Abnahmepunkten transportiert werden. Bezüglich eines CO2-Leitungstrassees verweist das italienische Energieunternehmen Saipem in einer Studie, erstellt im Auftrag des Verbands der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA), auf Synergien mit dem bestehenden Hochdrucktrassee der Erdgasindustrie [1]. Abklärungen hierzu sind noch im Gange.

Für die Umsetzung der CO2-Strategie des Bundes werden neue Tätigkeitsfelder und Technologien zum Einsatz kommen. Noch ist aber das Spektrum an Abklärungen, nicht vorhandenen reglementarischen Anforderungen und fehlenden Praxiserfahrung gross. Zudem bedarf es einen regen Austausch zur Zielerreichung. Viele Informationen sind zwar verfügbar, müssen aber zusammengetragen werden.

CO2-EIGENSCHAFTEN

CO2 ist geruchslos, unsichtbar, elektrisch nichtleitend und bei atmosphärischen Bedingungen gasförmig. Es wechselt seinen Aggregatszustand von gasförmig zu flüssig in Abhängigkeit von Temperatur und Druck, zum Beispiel bei einer Temperatur von 0 °C bei rund 35 bar (Fig. 1). Die Dichte von CO2 ist bei Standardbedingungen 1,98 kg/m3 und somit wesentlich schwerer als Luft. Das führt dazu, dass sich CO2 beim Austritt in Räumen und Senkungen ansammeln kann. Im Vergleich zu Methangas müssen für gleiche Volumenströme deutlich grössere Leitungsdimensionen eingesetzt werden, denn der Druckverlust steigt linear mit der Dichte. Mit der Verflüssigung von gasförmigem CO2 sinkt das Volumen um etwa den Faktor 500, der Wert ist ebenfalls abhängig von den genauen Druck- und Temperaturbedingen.

Da CO2 die effiziente Übertragung von Sauerstoff über das Blut nicht verhindert, ist CO2 kein chemisches Erstickungsmittel wie beispielsweise Kohlenmonoxid. In einer höheren Konzentration von 10 bis 15% Volumenanteil in der Luft kann CO2 gefährlich werden. Es verdrängt den Luftsauerstoff und kann innerhalb von wenigen Minuten zu Schwindel oder Bewusstlosigkeit führen. CO2 ist ein vielseitiges Hilfsmittel in der Lebensmittelindustrie, das für Frische, Haltbarkeit, Textur und spezielle Verarbeitungsschritte sorgt – und dabei meist rückstandsfrei und sicher eingesetzt werden kann. Auch ist es ein bewährtes Speziallöschmittel, das besonders dort eingesetzt wird, wo herkömmliche Löschmittel (Wasser, Schaum) ungeeignet oder zu schädlich wären. Es wirkt durch Sauerstoffverdrängung und Kühlung.

CO2-Quellen

Wo CO2 in grösserer Konzentration an-fällt, kann es am wirtschaftlichsten abgeschieden werden. Bei einer Mehrheit der in Betrieb stehenden CO2-Leitungsprojekten stammt das CO2 aus natürlichen Lagerstätten oder aus der Kohlevergasung. In der Schweiz soll das CO2 vorwiegend aus dem Rauchgas von bspw. Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) und Holzheizkraftwerken oder Biogasaufbereitungsanlagen abgeschieden werden.

Die Gasströme weisen eine unterschiedliche Zusammensetzung der Begleitstoffe auf (Tab. 1). Je nach CO2-Abscheideverfahren können im gasförmigen CO2 noch immer Spurenelemente vorhanden sein, welche korrosive Eigenschaften für eine Stahltransportleitung mit sich bringen. Aus der Rauchgasabscheidung ist mit Sauerstoff, NOx und SOx zu rechnen, aber auch bei Biogasaufbereitungsanlagen ist die Zusammensetzung und deren Abbauprodukte sehr detailliert zu klären.

Tab. 1 Auszug Beispiel Gaszusammensetzung eines flĂĽssigen CO2-Stroms [3].
  Produkt Einheit Grenze
Gaszusammensetzung      
  CO2 Mol. % > 95
  Ar, N2 Mol. % < 4
  H2 Mol. % < 1
Verunreinigungen      
  H2O ppm < 100
  O2 ppm < 10
  CO Mol. % 0,7
  NOx ppm < 1,5
  SOx ppm < 1
  Amine ppm < 1

Bereits kleinste Verunreinigungen im ppm-Bereich können dazu führen, dass das Gas nicht mehr in der Lebensmittelindustrie eingesetzt oder zur Tiefenspeicherung abgegeben werden kann. Für die Einlagerung im Beton reicht jedoch eine mindere Qualität aus.

CO2-Transport

Weltweit gibt es rund 8500 km CO2-Leitungen – vor allem in Nordamerika. Dort begann der Bau bereits in den 1970er-Jahren. In Europa werden erst wenige hundert Kilometer CO2-Leitungen betrieben. Vieles ist noch in der Planungs- und Realisierungsphase wie zum Beispiel das «Porthos»-Projekt in der Nordsee [4] (Fig. 2).

In der Schweiz sind aktuell die Kantone für die Bewilligung eines CO2-Leitungsprojektes zuständig [5]. Allerdings wird gehofft, dass sich die Kantone koordinieren werden, um eine einheitliche Praxis zu etablieren. Bei Leitungen über 5 bar ist davon auszugehen, dass sich die Vorgaben stark an der Rohrleitungsverordnung (RLV) und der Rohrleitungssicherheitsverordnung (RLSV) orientieren werden. Die Diskussionen diesbezüglich sind noch ausstehend. Projektspezifisch müssen die Auswirkungen der jeweiligen Leitungen betrachtet werden. Die Anzahl betroffener Anwohner, die Leitungslänge und der Leitungsdurchmesser können bei der Sicherheitsbeurteilung zu abweichenden Anforderungen an die Schutzmassnahmen im Vergleich zu den überregionalen Methanleitungen führen.

Nach der Bestimmung der Gasqualität mit der Begrenzung der Spurenelemente ist die Materialverträglichkeit der Leitung zu prüfen. Den Spurenelementen, den Abbauprodukten und deren Wechselwirkungen sind höchste Priorität zu schenken. Die mögliche Lochfrasskorrosion bei Schwarzstahlleitungen kann in kurzer Zeit zu lokalen Schäden und somit zum Leitungsausfall führen. Aufgrund der fast 2,5-fachen Dichte im Vergleich zu Erdgas und der tiefen Drucktaupunkte sind für längere Distanzen grosse Leitungsdurchmesser nötig. Leitungen für Drücke über 25 bar und einem Durchmesser von mehr als 250 mm können heute nur in Stahlausführung beschafft werden. Können Drücke bis 16 bar für die Leitung angewendet werden, kann das chemisch sehr beständige PE eine gute Alternative zur Stahlleitung bieten. Für höhere Drücke sind aktuell nur Rollenrohre mit einem Innendurchmesser von unter 120 mm erhältlich. Für grössere CO2-Volumen müssten somit mehrere Rohre parallel verlegt werden. Auch die Materialien der restlichen Installationen wie Messgeräte, Sicherheitsventile etc. müssen CO2-verträglich sein. Ebenso Betriebsmittel wie beispielsweise Schmierstoffe sind zu prüfen.

 

Vor allem bei Stahlleitungen ist ein CO2-Qualiätsüberwachungskonzept auszuarbeiten, das ein Auftreten von Wasser und Spurenelementen zuverlässig detektiert und die Weiterführung in die Leitung verhindert. Der Betrieb der Leitung wird mit den heutigen Hochdruck-Methanleitungen gemäss dem Rohrleitungsgesetz vergleichbar sein.

CO2-VerflĂĽssigung

Das CO2 wird auf einen Druck von bis zu 20 bar verdichtet und anschliessend auf –30 °C abgekühlt, so dass sich das Gas verflüssigt (Fig. 3). Für die Senkung des Sauerstoffanteils wird ein Stripper benötigt. Damit können die Anteile der nicht kondensierbaren Elemente möglichst auf null gesenkt werden. Durch die Strippung gehen bis zu 10% des CO2 verloren. Die Speicherung ist in standardmässig erhältlichen, isolierten Tanks möglich, die unter 25 bar betrieben werden.

Der Verflüssigungsprozess benötigt rund 180 bis 240 kW elektrische Energie pro Tonne CO2. Es ist also sinnvoll, stromintensive Prozesse bei einer preiswerten Stromquelle zu installieren. Müllverbrennungsanlagen produzieren mittels Dampfturbinen Strom und weisen deshalb beste Bedingung für die CO2-Abscheidung auf.

Leitungstransport - gasförmig oder flüssig?

Die konzentrierten CO2-Mengen sind vor allem im Rauchgas von Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken zu finden. Diese Anlagen verteilen sich über die gesamte Schweiz [1]. Bis zum Aufbau eines Leitungsnetzes und Übergabepunkten zum umliegenden Ausland werden noch mehrere Jahre benötigt. Wichtige Punkte wie die Zuständigkeit des Bewilligungsverfahrens, die Sicherung der Dienstbarkeiten und die Finanzierung sind bis heute noch nicht abschliessend geklärt. Der Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen verpflichtete sich, eine erste CO2-Abscheideanlage bereits bis zum Jahr 2030 in Betrieb zu nehmen [6].

Aufgrund des obigen Punkts ist anzunehmen, dass der Transport von CO2 in flüssiger Form sicherlich der planbarere Einstieg ist. Der Transport von flüssigem CO2 kann mit kleineren Leitungsdimensionen und weniger Druck-erhöhungsstationen umgesetzt werden.

Ein gasförmiger CO2-Transport wird zwangsläufig tiefere Leitungsdrücke aufweisen, wodurch auch die Sicherheitszonen kleiner definiert werden. Der Betrieb mit gasförmigem CO2 kann mit den heutigen Hochdruckleitungen verglichen werden. Es ist viel Erfahrung vorhanden. Nebst dem Energie- und Flächenbedarf für die Verdichterstationen ist auch die anzustrebende Linienführung entscheidend. Je mehr Personen von einem möglichen Havariefall betroffen sein könnten, desto höher sind die erforderlichen Sicherheitsmassnahmen festzulegen.

Unter Berücksichtigung der obigen Punkte wird schlussendlich der Entscheid, Leitungstransport gasförmig oder flüssig, unter dem wirtschaftlichen Aspekt gefällt.

Beispielprojekt KVA Linth

Die KVA Linth überprüfte im Rahmen eines Vorprojekts die Möglichkeit, nach der Verdichtung des CO2 auf dem Areal der KVA Linth, dieses im gasförmigen Zustand zum Bahnhofareal in Weesen zu transportiert (Fig. 4). Auf dem Bahnhofsareal ist die Verflüssigung und der Verlad des CO2 auf Bahnwagen angedacht. Die Machbarkeitsstudie befasste sich auch mit der benötigten CO2-Leitung für den Transport des gasförmigen CO2 von der KVA Linth bis zum BahnhofWeesen.

Eine vielversprechende Option für eine mögliche Leitungsführung ist in Figur 4 gezeigt, mit einem teilweisen Verlauf entlang der Autobahn [7]. Für die erdverlegte CO₂-Leitung wurden unter anderem Leitungsschutzmassnahmen untersucht. In den internationalen Normen [3] und Richtlinien [8] finden sich Massnahmen zum Verhindern von Rückströmungen und das Unterteilen der Strecke mittels Absperrarmaturen. Eine aussenliegende PE-Isolation der Stahlleitung und die Installation eines aktiven kathodischen Korrosionsschutzes verhindern die korrosiven Einwirkungen aus dem Erdreich und somit die Schwächung derLeitung.

Vor der Inbetriebnahme muss eine Stahlleitung mit einer detaillierten Zustandsaufnahme mittels intelligentem Molch bewertet werden. Um allfällige Veränderungen über die Jahre festzustellen ist diese Prüfung periodisch zu wiederholen und mit der Anfangsbetrachtung abzugleichen.

Fazit

Mit der CO2-Abscheidung bei Industrieanlagen werden fossile CO2-Emmissionen kompensiert, während durch die Abscheidung von biogenen CO2 in Biogasanlagen negative Emmissionene erzielt werden können. Dadurch ist das hochgesteckte Netto-Null-Ziel der Schweiz zu erreichen. Auch ist das in der Schweizer Industrie eingesetzte CO2 fossilen Ursprungs (30 000 t/a) durch biogenes CO2 zu ersetzen (Carbon Capture and Utilization, CCU). Dieser Bedarf könnte in Zukunft mühelos von KVAs gedeckt werden. Die Gasqualitätsanforderungen für die weitere Verwendung von CO₂, sei es in einem Tiefenspeicher oder in der Lebensmittelindustrie, sind sehr hoch und schwer zu erreichen.

Was die Transportmöglichkeit des CO2 zu den Lagerstätten anbelangt, liegt aktuell die Zuständigkeit von Leitungsbewilligung und Überwachung bei den Kantonen. Ein effizienter Bau über mehrere Kantone benötigt aber einheitliche Anforderungen an die Leitung, was Stand heute noch ausstehend ist. Die Saipem-Studie [1] weist auf Synergien für das mögliche nationale CO2-Leitungstrassee mit dem bestehenden Hochdrucktrassee der Erdgasindustrie hin. Auch diese Abklärungen sind noch im Gange. Ein gleichzeitiger Hochlauf der CO2-Abscheideanlagen und der Bau eines Leitungs-Transportnetzes mit Anschluss an europäische Netze ist kaum einzutakten. Somit wird in einer ersten Phase das CO2 punktuell verflüssigt und mit LKW, Zug oder auf dem Wasserweg per Schiff an mögliche Abnahmepunkte transportiert werden. Der physische CO2-Markt in der Schweiz wird sich in den verbleibenden 25 Jahren bis zum Netto-Null-Ziel 2050 extrem wandeln und viele neue Möglichkeiten bieten. Für die Produktion, den Transport und die Lagerung werden Innovationen und Investitionen von mehreren Milliarden nötig sein.

 

Bibliographie

[1] SAIPEM (2020): Pipeline System Routing Study

[2] Chengpeng Zhang et al. (2017): Characteristics of Clay-Abundant Shale Formations: Use of CO2 for Production Enhancement

[3] ISO 27917 (2023): Carbon dioxide capture, transportation and geological storage – Pipeline transportation systems

[4] https://www.porthosco2.nl/en/media/

[5] Bundesamt für Justiz BJ. (2024): Gutachten zur Bundeskompetenz betreffend Beförderung von CO2 und Nutzung des tiefen Untergrunds zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels

[6] VBSA / UVAK (2022): Vereinbarung betreffend der Reduktion der fossilen CO2-Emissionen aus der Abfallverbrennung und Umsetzung von Technologien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 in Schweizer Kehrichtverwertungsanlagen

[7] ZAR CO2 Kompetenzzentrum (2024): Tätigkeitsbericht 2024

[8] DNV-RP-J202 (2010): Design and Operation of CO2 Pipelines

Abkommen mit Norwegen zur CO2-Speicherung

Die Schweiz hat sich mit dem Klima- und Innovationsgesetz dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Dies in erster Linie durch die Verminderung der Emissionen. Schwer vermeidbare Emissionen, insbesondere aus der Zementindustrie, der Abfallverwertung, der Landwirtschaft und der Luftfahrt müssen mit Technologien zur CO₂-Entnahme und -Speicherung vermieden oder ausgeglichen und dauerhaft gespeichert werden. Weil das inländische Potenzial zur CO₂-Speicherung begrenzt ist, braucht die Schweiz eine Zusammenarbeit mit dem Ausland.

Im Rahmen seines Arbeitsbesuchs in Norwegen Mitte Juni 2025 hat Bundesrat Albert Rösti mit dem norwegischen Energieminister Terje Aasland ein Abkommen zur Speicherung von CO₂ unterzeichnet. Damit kann Schweizer CO₂ in Norwegen gespeichert werden. Auch können Negativemissionen zwischen den zwei Ländern staatlich anerkannt gehandelt werden.

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