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27. Oktober 2022

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Das energiepolitische Dreieck

Bevölkerung und Wirtschaft sind auf Energie angewiesen. Erstere nutzen diese zu einem grossen Teil für die Wärmeerzeugung und Mobilität, Letztere für die Produktion und den Transport von Gütern und Dienstleistungen. Komfort und Wohlstand in Europa verdanken wir zu einem bedeutenden Teil den günstigen, bisher hauptsächlich fossilen Energieträgern. Dabei liegt der monetäre Preis für fossile Energie seit langem deutlich unter seinen ökologischen und weltpolitischen Kosten.

In der Schweiz gibt es ein Sprichwort, das heute etwas aus der Mode gekommen ist: Man kann nicht den Fünfer und das Weggli haben. Es geht auf eine Zeit zurück, als ein Brötchen noch 5 Rappen kostete und sagt lediglich aus, dass man nicht beides haben kann, sondern entweder auf das Brötchen verzichten oder den Fünfer hergeben muss. Verzicht ist aber nicht besonders populär und bezahlen sollen andere. Lieber spricht man heute von einer Win-Win-Situation. Alle behalten ihr Geld und niemand braucht zu verzichten.

Leider bewahrheitet sich das Schweizer Sprichwort dennoch immer wieder und scheinbare Win-Win-Situationen entpuppen sich als Falle. So ist es auch mit der Energie. Es gibt ein energiepolitisches Dreieck, dessen Eckpunkte mit «Preis», «Verfügbarkeit» und «Nachhaltigkeit» beschriftet sind. Die Fläche dieses Dreiecks bleibt kurz und mittelfristig gleich. Wird ein Eckpunkt verändert, hat das Auswirkungen auf mindestens einen anderen Eckpunkt. Soll die Energie nachhaltig sein, verringert sich ihre Verfügbarkeit und der Preis steigt. Das Szenario, in dem wir redundant verfügbare, nachhaltige Energie zu einem tiefen Preis haben, wird noch eine ganze Zeit lang auf sich warten lassen.

Dass es die sogenannten Win-Win-Situationen in der Energiewirtschaft zeitnah nicht gibt, werden wir diesen Winter und darüber hinaus deutlich zu spüren bekommen. Immerhin kann die gegenwärtige Energiekrise dazu beitragen, dass sich der Preis im energiepolitischen Dreieck zugunsten der Nachhaltigkeit verändert und mittelfristig auch die Verfügbarkeit von CO2-freien oder zumindest CO2-neutralen Energieträgern steigt. Dies kann aber nur gelingen, wenn auch hierzulande die ideologischen Grabenkämpfe beendet werden und wir auf jeden erneuerbaren Energieträger gleichermassen setzen – denn wir werden alle brauchen.

Damit im energiepolitischen Dreieck die Verfügbarkeit steigt, sind signifikante Investitionen notwendig. Das wird sich auf den Energiepreis auswirken und kurzfristig auch die Nachhaltigkeit reduzieren. Wir werden jetzt alle Optionen im In- und Ausland nutzen müssen – von Photovoltaik über Windräder und Wasserkraft bis hin zu erneuerbaren Gasen oder der Abwärmenutzung. Kurz- und Mittelfristig werden wir nicht um fossile Energieträger herumkommen, langfristig wird der gänzliche Umstieg auf erneuerbare, klimaneutrale Energie (wie auch immer diese bis dahin definiert sind) zu einem vernünftigen Preis gelingen.

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