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27. Juni 2024

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Die Schweiz im post-faktischen Zeitalter

Wenn es um die Zukunft der Schweiz geht, dürfen Partikularinteressen, persönliche Meinungen oder gar Gefühle nicht objektiven Fakten vorgezogen werden. Es ist bedenklich, wenn in einer parlamentarischen Debatte eine individuelle Wahrnehmung als Argument gegen den wissenschaftlichen Konsens verwendet wird. Wenn wir uns nicht einmal mehr über Fakten einigen können, ist jede Diskussion zwecklos und lösungsorientierte Kompromisse werden verunmöglicht.
Martin Sager 

Jüngst war im Tages-Anzeiger zu lesen, dass Mitte-Nationalrat und Präsident des Bauernverbandes Markus Ritter, keine Biodiversitätskrise erkennen könne. Es gebe seit den letzten 30 Jahren mehr Störche, Rotmilane, Luchse, Biber, Wölfe und Honigbienen. Demgegenüber hält die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) fest, dass die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten bedroht sind. Es ist legitim, wenn sich der Bauernverband gegen mehr Ökoflächen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen als Lösungsweg gegen die Biodiversitätskrise ausspricht. Gefährlich wird es, wenn die Ablehnung damit begründet wird, dass entgegen faktenbasierter Evidenz die akute Gefährdung der Biodiversität schlicht in Abrede gestellt wird. Während von der Seite der Landwirtschaftsvertreterinnen und -vertreter im Parlament gerne darauf hingewiesen wird, dass die Gegenseite von Agrarwirtschaft keine Ahnung habe und entsprechend inhaltlich nicht kompetent sei, wird gleichzeitig bei der Beurteilung der Biodiversität die eigene Wahrnehmung über die wissenschaftliche Analyse gestellt.

Egal, ob es um den Klimawandel oder die Corona-Pandemie geht: Immer öfter wird die persönliche Wahrnehmung oder die eigene Meinung wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen vorgezogen. Wir leben offenbar in einer post-faktischen Ära, in der Informationen und Argumente nur dann akzeptiert werden, wenn sie den bestehenden Überzeugungen, Gefühlen oder Interessen entsprechen. Es ist bedenklich, wenn selbst Parlamentarierinnen und Parlamentarier Lösungen nicht faktenbasiert diskutieren, ihre Entscheide einzig auf den Schutz von Partikularinteressen ausrichten und die Argumentation auf der persönlichen Wahrnehmung abstützen. Das verunmöglicht einen Dialog und damit eine Lösungsfindung. Dabei haben wir dringende Probleme zu lösen. Doch wie wollen wir beispielsweise die Belastung des Grundwassers mit Nitrat und Pestizidrückständen reduzieren, wenn grundsätzlich in Abrede gestellt wird, dass die Landwirtschaft hauptsächlich für die Fremdstoffeinträge ins Grundwasser verantwortlich ist, obwohl die verfügbaren Daten eine deutliche Sprache sprechen? Wie sollen Lösungen zum Klimawandel entwickelt werden, wenn eine Seite entgegen der überwältigenden Mehrheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Klimawandel leugnet? Wenn gesicherte Fakten grundsätzlich in Frage gestellt werden, wie wollen wir die real vorhandenen Probleme lösen?

Wenn es um Trinkwasser geht, hat der SVGW die Expertise und das Fachwissen, um faktenbasiert Lösungen zu entwickeln. Als Fachverband bieten wir Hand für den Dialog. Voraussetzung für eine Diskussion ist aber, dass Fakten akzeptiert werden, auch solche, die unangenehm sind oder der persönlichen Wahrnehmung widersprechen.

Interview mit NR Markus Ritter

Link: Sendung «10 vor 10» vom 11. Juni 2024

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Kommentare (1)

Roland Brunner am 03.07 2024 um 08:35

Postfaktische Schweiz?

Die Schweiz im post-faktischen Zeitalter? Zum Glück nicht die Schweiz, sondern "nur" Bauernpräsident Markus Ritter und die Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Schweiz und das Volk zu vertreten. Die Mehrheit der Schweiz vertraut wohl immer noch den Fakten - und dem SVGW. Denn mit unserem wichtigsten Lebensmittel, dem Trinkwasser, sollten wir keine post-faktischen Experimente machen.

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