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28. September 2022

Vorsorglicher Ressourcenschutz

Jede Lösung hat ihren Preis

An der SVGW-Fachtagung «Vorsorglicher Ressourcenschutz» kamen Bund und Kanton genauso wie Landwirte und Wasserversorger zu Wort. Anhand urbaner und ländlicher Beispiele wurden Sorgen und Nöte, aber auch Lösungen und Erfolge vorgestellt. Dass jede Lösung ihren Preis hat, darin waren sich alle einig. Und auch darin, dass der Ressourcenschutz beim Konsum beginnt. Somit sind alle betroffen und gefordert – nicht nur Landwirtschaft und Wasserversorgung.

(Ank) Über 80% des Trinkwassers werden aus Quell- oder Grundwasser gewonnen, dieses kann fast naturbelassen abgegeben werden. Damit dies auch so bleibt, braucht es den vorsorglichen Ressourcenschutz. Und dabei sind alle gefordert – nicht nur die Landwirtschaft, die oft zuerst und allein genannt wird. Also auch Politik, Industrie und letztlich die ganze Gesellschaft, denn Konsumenten sind wir alle. Konsumentinnen, die makellose Äpfel kaufen, wirkungsvolle Medikamente einnehmen und gleichzeitig Trinkwasser in höchster Qualität und ausreichender Quantität fordern.

Ein Gesellschaftsprojekt

An der SVGW-Fachtagung im Kongresshaus Biel Ende August wurde Ressourcenschutz aus unterschiedlichen Blickrichtungen betrachtet. Bund, Kantone, Gemeinden, Wissenschaft, Landwirte und Wasserversorgung – sie alle kamen zu Wort, verdeutlichten ihre Situation, erzählten von Herausforderungen und von Erfolgen, präsentierten mögliche Lösungen und stellten Forderungen – gesetzliche, politische und finanzielle.

Die Tagung machte es deutlich: Ressourcenschutz ist ein Gesellschaftsprojekt. Auch die volkswirtschaftliche Entwicklung sei abhängig vom Ressourcenschutz, sagte Rolf Meier, der als Moderator durch das dichte Programm führte. Dazu nannte der Leiter des Fachbereichs Wasser Stichwörter wie Bevölkerungswachstum, integrales Wassermanagement oder Lebensmittelindustrie. Alles bedinge qualitativ einwandfreie Ressourcen in ausreichender Verfügbarkeit.

Eine Frage von Zeit und Geld

Auch Jacques Brera, Leiter Services Industriels von Morges, betonte den grossen wirtschaftlichen Wert des Grundwassers, dessen Schutz aber auch viel Geld koste, z. B. die Entschädigungen für die Landwirte bei Nutzungseinschränkungen in den Schutzzonen. Geld ist das eine, Zeit und Geduld das andere. Denn zuerst seien die Landwirte zu überzeugen, weniger intensive Landwirtschaft zu betreiben oder ihren Betrieb sogar neu auszurichten.

«Den Dialog mit den Landwirten suchen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen und Informationen austauschen», das alles sei nötig, sagte Brera. Nur so konnten im Grundwasser von Morges in 30 Jahren die Nitratwerte mehr als halbiert werden. Selbst die Probleme mit Chlorothalonil-Metaboliten oder mit weiteren Schadstoffen seien klein in der Gegend, da sich die Landwirtschaft dort schon länger grundlegend geändert habe.

Uns nicht die Zukunft verbauen

Ausgehend von den 18'000 Grundwasserfassungen im Land, verfügt eine Schweizer Gemeinde im Schnitt über sechs Fassungen, rechnete der Sektionschef Gewässerschutz vom Bundesamt für Umwelt BAFU, Michael Schärer, vor. Diese sehr dezentrale Wasserversorgung habe grosse Vorteile, berge aber ein grosses Klumpenrisiko. So muss das Grundwasser einer kleinen Wasserversorgung eigentlich schon fast Trinkwasserqualität aufweisen – umso wichtiger also der vorsorgliche Ressourcenschutz.
«Man lebt dort, wo es Wasser hat», sagte Schärer und verwies dabei aufs dicht besiedelte und intensiv genutzte Mittelland mit seinen ergiebigen Grundwasserressourcen. Diese Kombination habe gewisse Konsequenzen für den Grundwasserschutz. 1970 wurde das Konzept der Schutzzonen eingeführt, Zuströmbereiche kamen um die Jahrtausendwende hinzu. Die Instrumente wurden geschaffen, trotzdem wurde teils weitergebaut. Nicht im grossen Stil, aber mal da ein Tunnel, mal dort eine neue Strasse – peu à peu «wurden die Schutzzonen angefressen», so Schärer. Mit dem Resultat, dass gute Fassungsstandorte bereits verloren gingen, während gleichzeitig die freien Flächen für neue zusehends kleiner werden. Deswegen gelte es, uns heute nicht die Zukunft zu verbauen. Scherrer appellierte eindringlich: «Grundwasser genügend schützen und für die kommenden Generationen keine Hypotheken aufbauen!»

«Ein Gesetz einzuführen, ist eine gute Sache, aber es muss auch umgesetzt werden», konstatierte Schärer und machte so den Übergang zu den Vollzugsdefiziten. Um diese bei Schutzzonen zu beheben, wurde die Grundwasserschutzverordnung, kurz GSchV, revidiert. Der SVGW hat dazu eine Stellungnahme mit Anpassungsvorschlägen eingereicht.

Weitere Aspekte wie Raumplanung, Methoden zur Berechnung der Zuströmbereiche, die zunehmende energetische Nutzung des Grundwassers sowie politische Rahmenbedingungen und politische Geschäfte wie die Motion Zanetti, die Auswirkungen aufs Landwirtschafts- und auch aufs Chemikaliengesetz haben wird, rundeten das breite Spektrum des ersten Themenblocks «Vorsorglicher Ressourcenschutz» ab.

Finanzielle Mittel können helfen

David Brugger vom Bauernverband und Landwirt Daniel Weber beleuchteten den Ressourcenschutz und die komplexe Agrarpolitik aus ihrer Warte. «Ressourcenschutz fängt beim Konsum an», stellte David Brugger vom Bauernverband gleich zu Beginn seines Referats fest. Der Markt habe gewisse Zielvorgaben, und Produkte mit Flecken oder Schäden seien schlicht nicht verkäuflich. Er präsentierte die Landwirtschaft als Teil der Lösung, betont aber, dass jede Lösung ihren Preis habe. So müssten die Nutzungseinschränkungen fair entschädigt werden. Schliesslich betreffen die Zuströmbereiche teils beste Ackerflächen, und ein Verzicht auf gewisse Pflanzenschutzmittel hätte sinkende Erträge zur Folge.

Es geht auch anders

Biolandwirt Alfred Jud belegte mit eindrücklichen Vorher- und Nachherbildern, wie der Boden mit «guter» landwirtschaftlicher Praxis wesentlich verbessern werden kann – und das in der Linthebene. Dazu kommt viel Kompost für den Humusaufbau zum Einsatz. Zudem lockert Jud den Boden und bearbeitet diesen grundsätzlich schonend. Des Weiteren empfiehlt er Pflanzenkohle einzubringen, den Boden immer zu begrünen und grossen Wurzelraum zu fördern. Mit diesem Humusmanagement hat er im Zuströmbereich einen selbstregulierenden Boden erreicht, auf dem z.B. Kartoffeln ohne Einsatz von Pflanzenschutz gedeihen.

Isabelle Butty vom Kanton Neuenburg zeigte, wie in der Gemeinde Valangin ein Zuströmbereich für beide Seiten – Landwirtschaft wie auch Wasserversorgung – erfolgreich ausgeschieden wurde. Zu den Erfolgsfaktoren zählen Kenntnisse über die Verschmutzungsquellen, gute Kommunikation, agro-ökonomische Studien, Verständnis für die Ertragseinbussen bei den Landwirten, gemeinsames Entwickeln von Massnahmen, Kontrollen inkl. Messungen, ob diese Wirkung zeigen, und natürlich Entschädigungen für die Landwirte.

Balance zwischen Schutz und Nutzung

Im urbanen Raum hat man weniger mit intensiv betriebener Landwirtschaft zu tun, dafür mit verdichteten Siedlungsräumen, Strassenabwasser und vermehrter Nutzung des Untergrundes, was ein Ausscheiden der Schutzzonen nach Vorgaben der Grundwasserschutzgesetzgebung von vornherein verunmöglicht. Adrian Auckenthaler vom Amt für Umweltschutz und Energie Basel-Landschaft stellte deshalb keine erfolgreiche Ausscheidung des Zuströmbereichs vor, sondern das Risikomanagement in eben diesem Bereich. Dieses beginnt bei der Klassierung der Risiken: qualitativ (Stoffeinträge), quantitativ (Hoch-/Niedrigwasser) und nutzungsbedingt (z.B. Wärmenutzung). Gemindert werden kann das Risiko durch ein zweites hydrologisches Standbein resp. Vernetzung unter den Wasserversorgern. Wie wichtig dabei die risikobasierte Selbstkontrolle der Wasserversorger ist, schilderte Oliver Schmidt vom Gemeindeverband WUL. Aus Sicht eines Wasserversorgers sprach er über die Risiken und über die oft fehlenden wirksamen Hebel, mit diesen umzugehen.

Alle sind gefordert

Zum Abschluss versammelten sich alle Referentinnen und Referenten auf dem Podium, um sich den Fragen aus dem Publikum zu stellen. Fazit der Diskussion: Vollzugsdefizite müssen angegangen werden, dazu braucht es praktikable Lösungen. Zudem sind beim Grundwasserschutz alle betroffen und gefordert – nicht nur die Landwirtschaft, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Umso wichtiger ist somit die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten.

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