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22. September 2025

Fachtagung zur Stickstoffelimination

Die Abwasserbranche krempelt die Ärmel hoch

Unter dem Motto «Stickstoff leicht gemacht» trafen sich am 16. September über 120 Fachleute zur Fachtagung des VSA, um Herausforderungen und Lösungen der Stickstoffelimination in Abwasserreinigungsanlagen (ARA) zu diskutieren. Vertreten waren Mitarbeitende von ARA, Behörden, Planungsbüros, Ausrüstungsfirmen und aus der Forschung.
Simon Bitterwolf 

Noch in diesem Jahr soll die Vernehmlassung des revidierten Gewässerschutzgesetzes mit den neuen Anforderungen für die Einleitung von Stickstoff aus ARA starten. Fabian Soltermann (BAFU) hielt sich mit den konkreten Vorgaben noch bedeckt, denn diese werden erst in der Verordnung festgelegt, welche 2028 in Vernehmlassung gehen soll. Dennoch ist allen klar, dass die kommenden Jahre grosse Aufgaben für die Abwasserbranche mit sich bringen werden. Zahlreiche ARA werden Massnahmen für eine Erhöhung der Stickstoffelimination treffen müssen, um die negativen Umweltfolgen der Stickstoffeinträge zu reduzieren. Dass hier Handlungsbedarf besteht und die technischen Möglichkeiten vorhanden sind – das stellte Soltermann bereits im Eröffnungsvortrag klar. Derzeit halten in der Schweiz rund 80 ARA die gesetzlichen Anforderungen zur Einleitung von Ammonium nicht ein. Zudem überschreiten mehr als die Hälfte der ARA den Richtwert für die Einleitung von Nitrit. Auch die durchschnittliche Stickstoffelimination in Höhe von rund 50 % entspricht nicht dem technischen Stand und liegt deutlich hinter dem, was in Deutschland und Österreich erreicht wird.

Michael Thomann (FHNW) eröffnete den technischen Teil der Tagung mit einer Übersicht über die Verfahren und den allgemeinen Voraussetzungen für eine Stickstoffelimination. Am Beispiel der erzo ARA (Oftringen) zeigte er, wie das Potenzial von verschiedenen Verfahren im Voraus simuliert werden kann, um für den Ausbau einer ARA die bestmögliche Betriebsweise zu finden.

In zwei Vortragsblöcken wurde anschliessend vorgestellt, wie die Stickstoffelimination auf unterschiedlichen ARA bereits erhöht werden konnte. Die präsentierten Praxisbeispiele deckten eine grosse Verfahrensvielfalt ab:

  • ARA Briglina: Die Kapazität der ARA soll mit einer Membranfiltration erhöht werden. Mit der geplanten Dosierung von Aktivkohle wird diese gleichzeitig als Mikroverunreinigungsstufe dienen. Mittels einer dynamischen Simulation wurden die Beckeneinteilung und deren Betriebsweise optimiert.
  • ARA Glarnerland: Die ARA hat vor einigen Jahren den Betrieb auf granulären Belebtschlamm umgestellt und betreibt zudem eine Rücklaufbehandlung (Anammox).
  • erzo ARA: Mit einer dynamischen Regelung der Belüftung und weiteren Optimierungen (u.a. Ammonium-Analyzer, höheres Schlammalter, Trennwände) wurde die Leistung der Biologie bereits erheblich verbessert.
  • ARA Birs: Mit einer Nitrat-Gradientenregelung und dem Einbezug der Wetterprognose wurde der Betrieb der SBR (Sequence Batch Reactor) optimiert.
  • ARA Thunersee: Mit dem intermittierenden Betrieb der Biologie und einer Rücklaufbehandlung (Anammox) erreicht die Anlage bereits eine hohe Stickstoffelimination. Weitere Optimierungen (u.a. Verkleinerung Vorklärbecken, Zulaufdosierung) werden geprüft, stossen wegen Substratlimitierung aber an ihre Grenzen.
  • Gruppenklärwerk Memmingen (D): Die Kaskadendenitrifikation erlaubt eine flexible Betriebsweise und kann auch die zukünftigen Anforderungen der EU-Richtlinie erfüllen. Die Rücklaufbehandlung im SBR-Verfahren entlastet die Hauptstufe erheblich.
  • Rückgewinnung von Stickstoff: Adriano Joss (Eawag) stellte die Verfahren Membranstrippung und Luftstrippung vor, mit denen Stickstoff aus den Rückläufen rückgewonnen werden kann und verglich diese mit dem Anammox-Verfahren hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Umweltnutzen.

In seinem Abschlussvortrag resümierte Eberhard Morgenroth (ETH/Eawag) die Möglichkeiten zur Erhöhung der Stickstoffelimination. Er gab aber auch zu bedenken, dass diese nicht umsonst zu haben sei und sich auch Zielkonflikte abbilden könnten: höhere Kosten, komplexere Systeme, grössere ARA, höherer Energiebedarf und weniger Biogas. Umso wichtiger sei es, dass wir von den gezeigten Beispielen und auch den Erfahrungen im Ausland lernten. Morgenroth betonte, dass wir als Branche uns glücklich schätzen können, so aktiv die Zukunft gestalten zu können.

Der Nutzen für die Umwelt wird gross sein, wie Soltermann zu Beginn erläuterte: Deutliche Senkung der Treibhausgasemissionen der Abwasserreinigung, Entlastung der Gewässer von fischtoxischem Ammonium und Nitrit und die Verminderung der Überdüngung von Küstengewässern und Seen.

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