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Fachartikel
06. April 2023

Schwammstadt

Mit mehr Grün zu höherer Lebensqualität

Graue Städte begrünen - das fördert die Biodiversität und vermag hohe Sommertemperaturen zu mildern. Zahlreiche Beispiele von Westschweizer und europäischen Städten zeigen auf, wie urbane Zentren vorgehen und was sich dadurch ändern könnte.
Paul Sicher, Stefan Hasler, Silvia Oppliger, 

Immer mehr Städte rüsten sich mit mehr Grün in Innenstädten gegen hohe Sommertemperaturen und andererseits auch zur besseren Bewältigung von Intensivniederschlägen.  Das Schwammstadtkonzept kommt in die Praxis, wie folgende Beispiele exemplarisch zeigen.

Westschweizer Städte setzten ehrgeizige Projekte zur Stadtbegrünung um

Die Städte Genf und Lausanne haben beiden ehrgeizige Zeile: Die Stadt Genf hat sich mit dem «strategischen Plan zur Begrünung» zum Ziel gesetzt, den Anteil der Bäume bzw. der Fläche der Baumkronen im Kanton bis 2050 auf 25 % zu erhöhen, Lausanne will gemäss «objectif canopée» bis 2040 30% seiner Fläche durch Baumkronen beschattet haben. In Genf ist vorgesehen, jährlich 80 neue Bäume (Kronendurchmesser von mindestens 8 Metern) und 20 weitere sehr grosse Bäume (Kronendurchmesser 21 Meter) zu pflanzen. Die Baumpflanzaktionen können entweder auf öffentlichen Strassen und Plätzen oder auf privatem Grund mit Anreizen gegenüber den Eigentümern erfolgen.

Dazu verwandelt die Stadt Genf Parkplätze in Mikrowälder. Gemäss einer Mitteilung von RTS beabsichtigt die Stadt Genf, 82 Parkplätze begrünen, um Wärmeinseln abzumindern. Ziel ist es, mit zusätzlichem Baumbestand die Begrünung auf dem dicht besiedelten Stadtgebiet zu erhöhen.

Die Stadt hat mehrere Orte identifiziert, die für eine Begrünung in Frage kommen. Ein Projekt in « Les Eaux-Vives, Rue de Villereuse » sieht den Abbau von 18 Parkplätzen vor, wodurch 360 m2 Asphalt entsiegelt werden. Der Boden wird begrünt und bietet Platz für 800 Setzlinge aus rund 30 verschiedenen Arten, wie die Stadt in einer Pressemitteilung bekannt gab.

Die Stadt Genf verfolgt eine ehrgeizige Politik zur Begrünung der versiegelten Flächen in der Stadt. Sie hat sich vor allem auf Parzellen der Stadt fokussiert, die privat genutzt werden. Es bieten sich insbesondere Parkplätzen an, welche der Stadt gehören. Bisher wurden 104 interessante Parzellen identifiziert.

Begrünen mildert Sommertemperaturen

Durch das Pflanzen von Bäumen in Städten können die hohen Sommertemperaturen gemildert werden. Eine in Manchester durchgeführte Studie ergab, dass im Vergleich zu einer unbeschatteten Betonfläche eine mit Bäumen beschattete Betonfläche die Hitze von 40° auf 28°C zu reduzieren vermag.

Die Temperaturen in den Städten sind aufgrund des Hitzeinsel-Effekts höher als in den umliegenden Vororten oder auf dem Land. Dieser macht sich im Hochsommer hauptsächlich in der Nacht bemerkbar: Tagsüber heizt sich die Stadt beispielsweise auf 34 Grad auf, während die Temperatur auf dem Land «nur» auf 30 Grad ansteigt. Auf Grund der in Beton und Asphalt gespeicherten Wärme kühlt sich die Stadt jedoch viel weniger rasch ab als das Umland, so dass der Temperaturunterschied in der Nacht bis zu 10 Grad Celsius beträgt. Es macht einen grossen Unterschied, ob man bei 28° Grad schläft oder bei 18 Grad!

Eine strategische Integration von grüner Infrastruktur in die Stadtplanung führt zu angenehmerem Klima während heisser Sommertage und zu einer nachhaltigeren und gesünderen städtischen Umgebung.

Barcelona schafft auf seinem Schachbrettgrundriss grüne «Superblocks»

Barcelona zeichnet sich durch wenig Grünfläche pro Einwohner aus. Das will die Stadt ändern. Mit sogenannten Superblocks werden bis zu neun Häuserblocks zusammengefasst. Innerhalb dieser Superblocks haben Fussgänger und Fahrradfahrer Vorrang, Strassen werden wo möglich redimensioniert. Kinder können hier spielen, Anwohner auf neu errichteten Parkbänken Kaffee trinken und plaudern. Bepflanzte Hochbeete, Blumenkübel und Bäumen prägen neu das Bild in diesen Superblocks. Autoverkehr ist auf den verbleibenden Einbahnstrassen nur mit 10 bis 20 km/h erlaubt. Die Folge: Die Strassen werden von Einwohnerinnen und Einwohnern als erweiterte Wohnzimmer genutzt.

 Barçelonas «Superblocks» schaffen Raum, Begegnungszonen und viel Platz für Familien und die ganze Bevölkerung.

Superblocks begünstigen die Existenz von kleinen Läden

Die Superblocks sind der Kernpunkt eines 2016 von der Stadtverwaltung entwickelten Konzepts. In den im gesamten Stadtgebiet entstandenen Superblocks ist das befürchtete Geschäftssterben ausgeblieben. Im Gegenteil: die Anzahl der lokalen Läden stieg sogar um 30 Prozent. Insgesamt plant Barcelona über 500 (!) Superblocks. Die Lebensqualität wird durch die Verminderung der Abgase, weniger Lärm und kühleren Temperaturen deutlich ansteigen. Mittlerweile interessieren sich weltweit auch andere Städte für dieses Konzept. So hat die Idee der Blocks auch das Zürcher Büro sa_partners aufgenommen in ihrer Vision der City of People (siehe Seite 14 «Superblöckli»).

In den Superblocks von Barcelona werden bis zu neun Häuserblocks zusammengefasst

 Beispiel Renens: Pflegekonzept für die Grünflächen

Die Gemeinde Renens bei Lausanne ist GRÜNSTADT SCHWEIZ und Energiestadt. Seit mehreren Jahren verfolgt sie ein differenziertes Pflegekonzept für ihre Grünflächen, um so die in den Parks vorhandene Artenvielfalt bestmöglich zu bewahren. Renens fördert die Biodiversität in der Stadt und kühlt gleichzeitig herunter: Die Stadt hat unter anderem das Blätterdach um 400 neu gepflanzte Grossbäume erweitert; zahlreiche Obstbäume wurden in den Parks der Stadt gepflanzt; sämtliche Kirschlorbeer- oder Thujahecken – Arten mit wenig Nutzen für Insekten – wurden entfernt. Die Massnahmen von Renens sind auf dieser Website beschrieben. Renens hat zudem eine flächendeckende Studie zum Entsiegelungspotential machen lassen.

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