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Fachartikel
27. Dezember 2017

Elementfrachten in ARA

Spurenelemente in Schweizer Abwasser

In einem landesweiten Screening wurden in 64 Schweizer Kläranlagen die aktuellen Konzentrationsbereiche und Frachten von Spurenelementen erfasst. Anhand dieser Werte wurde die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben überprüft sowie die gegenwärtigen durchschnittlichen Pro- Kopf-Elementfrachten und der ökonomische Wert der Elementfrachten berechnet. Bisher waren für viele Spurenelemente diese Kennzahlen nicht bekannt.
Bas Vriens, Andreas Voegelin, Stephan Hug, Ralf Kaegi, Michael Berg, Lenny Winkel, Andreas Buser, 

Spurenelemente sind für eine Vielzahl von Anwendungen in der Elektronik, Optik, Chemie sowie in der pharmazeutischen Industrie von grosser Bedeutung. Der weltweite Einsatz von Spurenelementen in Industrie- und (Hightech-)Konsumgütern hat sich in den letzten Jahrzehnten durch das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum enorm erhöht. Dies gilt nicht nur für klassische Spurenmetalle wie Nickel, Kupfer, Zink, Blei oder Cadmium, sondern auch für bisher wenig untersuchte Elemente wie zum Beispiel die Seltenen Erden, die Elemente der Platingruppe oder Niob, Tantal, Gallium, Germanium, Indium, Thallium und Tellur.
Abwasser ist ein Spiegel unserer Gesellschaft: Das Vorkommen anthropogener Spurenschadstoffe wie z. B. Pharmazeutika, Tenside oder Nanopartikel im Abwasser ist direkt auf ihren gesellschaftlichen Einsatz zurückzuführen. Weiter können auch Prozesse in der industriellen Verarbeitung, Produktherstellung sowie beim Recycling und Produktabbau zu Schadstoffemissionen ins (industrielle) Abwasser führen. Mit dem gegenwärtigen Anstieg der Einsatzmengen vieler Spurenelemente sind auch erhöhte Frachten dieser Elemente im Abwasser zu erwarten. Falls diese von Abwasserreinigungsanlagen (ARA) nicht vollständig zurückgehalten werden, resultieren auch erhöhte Umweltemissionen. Für zahlreiche Spurenelemente sind zurzeit jedoch nur begrenzt Daten zu deren Verhalten während der Abwasserreinigung verfügbar. Weiter mangelt es nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit an Informationen zu typischen Konzentrationen im geklärten Abwasser und den damit verbundenen möglichen Umweltauswirkungen. Zudem sind entsprechende Studien bisher oft beschränkt auf nur eine oder sehr wenige Kläranlagen sowie auf wenige Schwermetalle oder Edelmetalle. Quantitative Informationen über die aktuellen Konzentrationen der weniger bekannten Spurenelemente in Abwasserströmen sind also dringend erforderlich. Um diese Situation zu ändern, wurden zwischen Februar und März 2016 von 64 Kläranlagen in der Schweiz Faulschlammproben und Abflussproben gesammelt. Die beprobten Kläranlagen wurden sowohl nach ihrer geografischen Lage als auch nach der Anzahl der im jeweiligen Einzugsgebiet angeschlossenen Personen und Industrien ausgewählt, um eine für die Schweiz möglichst repräsentative Stichprobe zu erhalten.

Konzentrationsbereiche in Kläranlagen 

Die höchsten Elementkonzentrationen im Faulschlamm wurden mit ca. 10–100 g/kg (Trockenmasse) für Eisen, Phosphor und Calcium gemessen (Kohlenstoff wurde nicht gemessen, dürfte aber in höherer Konzentration vorliegen). Die hohen Eisen-Konzentrationen sind sehr wahrscheinlich auf die Verwendung von Eisen zur Phosphor-Fällung in vielen der untersuchten ARA zurückzuführen. Die tiefsten Konzentrationen (< 10–100 μg/kg) wurden für Spurenelemente wie Indium, Gold oder Lutetium gemessen, wobei die Konzentrationen einiger noch seltenerer Elemente wie Osmium, Iridium und Rhenium nicht quantifiziert werden konnten. In den ARA-Abflussproben wurden die höchsten Konzentrationen (10–100 mg/l) für Hauptelemente wie Natrium, Calcium und Schwefel gemessen und die tiefsten Konzentrationen (< 0,1–10 ng/l) für die Seltenen Erden und Elemente der Platingruppe. Auch in den Abflussproben konnten sehr seltene Elemente wie Osmium, Iridium, Thallium, Germanium oder Hafnium nicht zuverlässig quantifiziert werden. Zur Bestimmung der Konzentrationsbereiche dieser Elemente bräuchte es zusätzlich Messungen mit spezialisierten analytischen Verfahren. Die Streuung bzw. Verteilung der Konzentrationen ist in der Regel sehr schief: Einige Kläranlagen weisen Elementkonzentrationen auf, die den schweizweiten Medianwert um bis zu 100-mal übersteigen. Relativ erhöhte Schlammkonzentrationen wurden zum Beispiel für Gold, Indium, Kupfer, Platin, Rutenium, Rhodium, Zirkon, Palladium und Arsen gemessen. Deutlich erhöhte Gehalte im Abflussproben wurden unter anderem für Lithium, Chrom, Mangan, Zinn und Cadmium beobachtet. Viele dieser Ausreisser wurden durch Zusatzanalysen bestätigt, und es gab nur wenige Kläranlagen, in denen mehrere Elemente gleichzeitig angereichert waren. Obwohl diese (vielleicht nur vorübergehend) erhöhten Werte nicht die mittleren Einleitbedingungen repräsentieren müssen, deuten sie doch darauf hin, dass die entsprechenden Elemente aus verschiedenen Einzugsgebiet-spezifischen Quellen stammen.

 

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Pro-Kopf-Elementfrachten

Für jedes Element, das in mehr als der Hälfte der gemessenen Schlammproben detektiert werden konnte, wurde die einwohnergewichtete Pro-Kopf-Elementfracht berechnet. Dazu wurde die Summe der Elementfrachten der einzelnen ARA (Schlammkonzentration × Schlammproduktionsrate + Abwasserkonzentration × Abwasserabflussrate) durch die Summe der Anzahl angeschlossener Personen dividiert. Die daraus folgenden Pro-Kopf-Elementfrachten variieren von mehreren Gramm/Kopf/Tag für Hauptelemente wie Natrium, Calcium und Phosphor bis zu weniger als 10 Mikrogramm/Kopf/Tag für Spurenelemente wie Gold, Lutetium oder Indium. Die Frachten von (Ultra-)Spurenelementen wie Rhenium, Osmium oder Iridium sind höchstwahrscheinlich noch niedriger, konnten aber nicht quantifiziert werden.
Da in dieser Studie kommunale als auch industrielle Kläranlagen aus sowohl ländlichen wie auch städtischen Gebieten untersucht wurden, dürften die berechneten Elementfrachten insgesamt für die ganze Schweiz repräsentativ sein. Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass die in dieser Studie berechnete Pro-Kopf-Fracht für Phosphor (2,5 g/Kopf/Tag) gut mit früheren Studien übereinstimmt. Auch die berechneten Schwermetallfrachten entsprachen in etwa denjenigen, die für einzelne Kläranlagen sowie für Haushaltsemissionen berechnet wurden. Interessanterweise haben einige Spurenelemente wie z. B. Scandium, Yttrium, Lanthan, Niob, Silber, Gallium und Germanium beträchtliche Frachten, und einige der leichten Seltenen Erden weisen mit 0,1 und 1 Milligramm pro Kopf und Tag Frachten auf, die mit denjenigen der Schwermetalle Cadmium und Cobalt vergleichbar sind. Die schweren Seltenen Erden und andere eher exotische Elemente wie Tellur, Indium, Thallium und Tantal weisen dagegen wesentlich kleinere Frachten auf (bis zu 0,01 µg pro Kopf und Tag).

Fazit

Die Studie liefert die erste umfassende quantitative Erfassung der Konzentrationen von Spurenelementen im Faulschlamm und Ablauf von Schweizer Kläranlagen. Da die hydraulischen Dimensionen der untersuchten Kläranlagen gut dokumentiert sind, konnten aus den Daten Pro-Kopf-Elementfrachten und ökonomische Werte der Elementfrachten berechnet werden. Grösstenteils wurden die bestehenden gesetzlichen Vorgaben bzgl. Elementkonzentrationen in Schlamm und bzgl. Einleitbedingungen eingehalten. Auch wenn sich einzelne Spurenelemente nicht eindeutig quantifizieren lassen, können gesamtschweizerische Übersichtsstudien zur Risikobewertung von abwasserbürtigen Elementfrachten (z. B. Flusseinträge) sowie zur Abschätzung von Rückhaltungs- bzw. Eliminationsraten, sehr hilfreich sein. Dies gilt besonders dann, wenn räumliche Analysen und Informationen bzgl. der während der Abwasserreinigung vorliegenden chemischen Formen der Metalle herangezogen werden. Wir empfehlen daher, die zeitlichen Trends ausgewählter (prioritärer) Elemente im Rahmen einer langfristigen Überwachung zumindest periodisch zu quantifizieren.

 Der vollständige Artikel erscheint in der Januarausgabe von Aqua & Gas.

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