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Fachartikel
02. Oktober 2025

Regenwasserbewirtschaftung

Pflanzenkohle entfernt urbane Schadstoffe

In blau-grünen Infrastrukturen übernehmen Boden und Substrat eine Schlüsselrolle beim Rückhalt urbaner Schadstoffe zum Schutz der Wasserressourcen. Pflanzenkohle, insbesondere nach Gasaktivierung, kann für Strassenablauf typische organische Schadstoffe effizient binden. Anhand experimentell bestimmbarer Sorptionsparameter lässt sich das Rückhaltevermögen einer durchflossenen Pflanzenkohleschüttung gut vorhersagen; ein Aufbau für Pilotversuche in Baumrigolen-Systemen mit Pflanzenkohlezusatz wird vorgestellt.
Anett Georgi, Xiangyu Ji, Katrin Mackenzie, Hauke Harms, Lukas Y. Wick, 

Blau-grüne Infrastrukturen, wie z. B. Versickerungszonen und Baumrigolen, spielen in Schwammstadtkonzepten eine wichtige Rolle zur Anpassung an den Klimawandel. Strassen- und Oberflächenabläufe sind allerdings durch stark schwankende Volumenströme (z. B. Starkregen) und chemische Belastungen gekennzeichnet, die natürliche Rückhalte- und Abbauprozesse (z. B. durch mikrobielle Transformation) überfordern und zur Verlagerung von Schadstoffen ins Grundwasser führen können. Die Ergänzung von Bodenfiltern durch kohlenstoffbasierte, hochporöse Materialien kann den Rückhalt von Schadstoffen insbesondere in Zeiten hoher Belastung verbessern. Im Idealfall können mikrobielle Prozesse organische Schadstoffe im Laufe einer nachfolgenden, kontinuierlichen und langsamen Schadstoff-Freisetzung transformieren und damit die Aufnahmekapazität der Adsorbenzien regenerieren. Für besonders persistente Schadstoffe, wie z. B. per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) muss hingegen ein langfristig wirksamer Rückhalt zur Vermeidung von Grundwasserkontaminationen gewährleistet werden.

Pflanzenkohle auf Holzbasis wird als nachhaltiges und kostengünstiges Sorptionsmittel betrachtet und wird inzwischen mit reproduzierbarer und hoher Qualität grosstechnisch hergestellt. In der Praxis wird Pflanzenkohle in Baumsubstraten bisher vorwiegend zur Verbesserung der Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit eingesetzt. Ihre Funktion für den Rückhalt von Schadstoffen wird hingegen bisher wenig berücksichtigt. Das Design von blau-grünen Infrastrukturen erfordert daher Prognosen zur kurz- und langfristigen Wirksamkeit von optimierten Substratgemischen bzw. -schichtungen um z. B. über die Notwendigkeit einer Rückholung beladener Substrate zu entscheiden. Notwendige Grundlagen hierfür sind vertiefte Kenntnisse zur Rolle physikochemischer Eigenschaften von Pflanzenkohle hinsichtlich der Aufnahme und Freisetzung von Schadstoffen durch reversible Sorptionsprozesse, die Bestimmung von Prozesskenngrössen sowie geeignete Prognosemodelle.

ZIELE UND VORGEHEN

In dieser Arbeit wurde das Sorptionsverhalten von vier typischen urbanen Schad-stoffen an unbehandelter Pflanzenkohle (BC) untersucht, die durch Pyrolyse aus Abfällen von Holzsägewerken hergestellt wurde. Gleichzeitig wurde auch die daraus hergestellte aktivierte Pflanzenkohle (BAC, nach Gasaktivierung bei hohen Temperaturen) untersucht.1 Darüber hinaus wurden frei zugängliche Softwarelösungen zur Modellierung des Schadstoffrückhalts getestet, indem die Vorhersagen mit Daten aus kleinskaligen Säulenversuchen verglichen wurden. Als Modellschadstoffe wurden auf Basis ihrer Relevanz sowie ihrer verschiedenen physikochemischen Eigenschaften Naphthalin (NAPH), Methyl-tert-butylether (MTBE), 1,3-Diphenylguanidin (DPG) und Perfluoroktansäure (PFOA) ausgewählt.

1 BC und BAC wurden von der Schweizer Firma Inkoh AG zur Verfügung gestellt.

ERGEBNISSE

Vergleich des Absorptionsverhaltens von BC und BAC im Batch-Versuch

Insgesamt ist die Vorhersage der Sorption von geladenen Molekülen wie DPG und PFOA auf Basis tabellierter Stoffdaten bisher schwer möglich, so dass die experimentelle Bestimmung von Sorptionsparametern erforderlich ist. Zunächst wurden in Batch-Versuchen operationelle Sorptionsisothermen für die untersuchten Schadstoffe an BC- und BAC-Partikeln mit einer für den Einsatz in Substratmisch-ungen üblichen Korngrösse von 1-2 mmnach sieben Tagen (168 h) Äquilibrierungszeit ermittelt. Figur 1 zeigt die daraus berechneten Sorptionskoeffizienten Kd als Verhältnis von Beladung auf dem Adsorbens (qe in µg/kg) und Konzentration in der Wasserphase (Ce in µg/l). Die Adsorptionskoeffizienten sind ein Mass für die Sorptionsleistung, die für alle untersuchten Schadstoffe durch die Aktivierung von BC zu BAC drastisch verbessert wurde. Diese Verbesserung geht weit über das auf Basis der Vergrösserung in der spezifischen Oberfläche (Faktor 2,4 von 375 m²/g auf 918 m²/g) zu erwartende Mass hinaus. Gleichzeitig zeigen sich erhebliche Unterschiede innerhalb der untersuchten Schadstoffe mit identischer Abstufung in der Sorptionsneigung für BC und BAC, was für ähnliche zugrundliegende Wechselwirkungen mit der Kohlenstoffoberfläche spricht. Die detaillierte Untersuchung der Adsorptionskinetik der Schadstoffe zeigte eine stark verzögerte Adsorption an BC gegenüber BAC, wie am Beispiel von NAPH in Figur 2 gezeigt ist. Das Erreichen des Sorptionsgleichgewichts erfordert ca. sieben Tage für BAC während die Adsorption an BC auch nach sieben Wochen noch weiter läuft. Die Ursache dafür ist in der Porengrössenverteilung zu sehen. Während das Holzpyrolyseprodukt BC ausschliesslich Mikroporen (< 2 nm) aufweist, führt die Aktivierung von BC zu BAC zur Erweiterung der Poren und einem signifikanten Mesoporenanteil (2-10 nm), der den Transport der Schadstoffe in das Partikelinnere drastisch erleichtert. Aus den experimentellen Daten wurden Oberflächendiffusionskoeffizienten (Ds) bestimmt, die charakteristisch für den Stofftransport in das Partikelinnere für ein Schadstoff-Adsorbens-System sind und als Eingangsparameter für die im kommenden Abschnitt diskutierten Modelle verwendet werden.

 

Schadstoffrückhalt in der durchströmten Schüttung

Die Softwaretools FAST 2.0 (2025)2 sowie AdDesignS (2025)3 sind online frei verfügbar und wurden ursprünglich zur Vorhersage von Durchbruchskurven von organischen Schadstoffen in wassergesättigten Schüttungen mit gekörnten Adsorbenzien entwickelt. In beiden Modellen wird die Kombination von Filmdiffusion durch den unbewegten Wasserfilm um die Partikel sowie die Intrapartikeldiffusion des Schadstoffs als relevante Schritte zugrunde gelegt. Als essentielle Eingabeparameter dienen die experimentell bestimmten Isothermenparameter sowie Ds-Werte (s. Abschnitt oben) für Schadstoff und Adsorbens. Damit können Durchbruchskurven für verschiedene Szenarien vorhergesagt werden, da alle weiteren Parameter vor allem durch die Prozessbedingungen und Eigenschaften der Schüttung bestimmt werden. Dies beinhaltet die Schadstoffkonzentration, die Flussrate des Wassers, die Dimension und das Feststoff/Wasser-Verhältnis der Adsorbensschüttung sowie die Korngrösse des Feststoffs. Hieraus können auch Filmdiffusionskoeffizienten über die Berechnung dimensionsloser Kennzahlen abgeschätzt werden.

2 FAST 2.0: Fixed-bed Adsorption Simulation Tool

3 AdDesignS: Adsorption Design Software for Windows (AdDesignS) Version 1.0

Um die Sorptionseigenschaften der C-basierten Adsorbenzien im Durchfluss über einen hohen Wasserdurchsatz (Anzahl an ausgetauschten Porenvolumina [PV]) zu untersuchen, wurden kleinskalige Säulenversuche (10 cm Säulen) mit einer Schütthöhe von 2,4 cm BC (0,6 g) eingebettet in eine Glaskugelschüttung am Eingang und Ausgang durchgeführt. Die für DPG an BC erhaltenen experimentellen Durchbruchskurven (Fig. 3, links) sind charakteristisch für eine schnelle Adsorption an der äusseren Oberfläche der BC-Körner, die eine sehr gute Abreinigung des Wassers in der Anfangsphase des Schadstoffzustroms bewirkt. Der langsame Abtransport der Schadstoffe ins Partikelinnere bedingt allerdings eine schnelle Abnahme der Reinigungsleistung innerhalb weniger Stunden (ca. 20 h bzw. 40 ausgetauschte PV). Dennoch bleibt eine langfristig verfügbare Aufnahmekapazität erhalten (Verhältnis von Abfluss- und Zuflusskonzentration Cout/Cin = 0,7). Beide Modelle (AdDesignS und FAST 2.0) können auf Basis der Isothermendaten sowie Ds-Werte aus dem Batchversuch den Verlauf des Durchbruchs prinzipiell gut vorhersagen, mit einer leichten Unterschätzung des kurzfristigen und Überschätzung des langfristigen Aufnahmevermögens. Für BAC wird aufgrund der besseren Sorptionsleistung über den Durchsatz von 500 ausgetauschten Porenvolumina ein konstanter Abreinigungsgrad von 70% für die BAC-Schüttung von nur ca. 3 cm vorhergesagt (Fig. 3, rechts), der Vergleich mit Säulenversuchen steht noch aus.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Die bisherigen Untersuchungen zeigten, dass das durch Gasaktivierung erhaltene Produkt (BAC) gegenüber der ausschliesslich durch Pyrolyse hergestellten holzbasierten Pflanzenkohle (BC) eine drastisch verbesserte Sorptionsleistung aufweist, was vor allem durch eine Aufweitung der Poren und verbesserte Zugänglichkeit des inneren Porenraumes der Körner zurückzuführen ist. Die beiden Modellierungstools konnten das Schadstoffrückhaltevermögen von Pflanzenkohle-Schüttungen im Säulenversuch anhand von operationellen Sorptionsisothermen und kinetischen Parametern gut beschreiben. Diese Modelle können Vorhersagen zum Schadstoffrückhalt für verschiedene Szenarien wie unterschiedliche Intensität von Starkregenereignissen und andere Schüttungseigenschaften (Korngrössen, Schütthöhe) für durchflossene Systeme liefern. Sie bieten somit potenziell Unterstützung bei der Planung und Optimierung von technischen Filtern zur Vorreinigung von Strassenabläufen oder Versickerungszonen, die stark mit Pflanzenkohle angereicherte Substratschichten enthalten. Hierzu besteht weiterer Forschungsbedarf. Gleiches gilt für das Zusammenspiel des Rückhalts der Schadstoffe an (aktivierten) Pflanzenkohlen im Boden und ihres langfristigen mikrobiellen Abbaus. Die unterschiedlichen Transportgeschwindigkeiten für die Schadstoffaufnahme in die Partikel könnte hier zu unterschiedlichen Wirkungen von reinen Pflanzenkohlen und gasaktivierten Produkten führen.

Aktuell werden auf dem UFZ-Campus Pilotversuche zum SchadstoffrĂĽckhalt in Baumrigolen mit 1 m3 Substrat und jungen Linden durchgefĂĽhrt. Dabei wurde die oberste Schicht (15 cm) als Mischung von Oberboden und BC bzw. BAC aufgebaut (Fig. 4).

Verwendete AbkĂĽrzungen

BAC - gasaktivierte Pflanzenkohle

BC - unbehandelte Pflanzenkohle

DPG - 1,3-Diphenylguanidin

MTBE - Methyl-tert-butylether

NAPH - Naphthalin

PFAS - per- und polyfluorierte Alkyl­verbindungen

PFOA - Perfluoroktansäure

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