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12. Januar 2024

Innovativer Fischleitrechen

Es «funkt» Am Herrentöbeli

Forschende der ETH Zürich entwickelten zusammen mit der SAK (St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG) einen innovativen Fischleitrechen mit Bypass zum bestmöglichen Schutz der Tiere beim Passieren von Wasserkraftwerksanlagen. Das neue System wird beim SAK Kraftwerk Herrentöbeli an der Thur zum ersten Mal im Feld getestet. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesamt für Umwelt (BAfU) unterstützt und hat grosses Potenzial zur Verbesserung des Fischschutzes. Im Erfolgsfall lässt sich das System auch bei grossen Kraftwerken installieren.

Seit 2017 testete die Versuchsanstalt für Wasserbau an der ETH Zürich im Rahmen eines Europäischen Forschungsprojekts ein neuentwickeltes Fischleitrechen-Bypass-System, welches den Schutz der Fische beim Flussabwärts-Passieren von Kraftwerksanlagen bedeutend verbessern soll. Nach intensiven Vorarbeiten haben die Fischereibiologen der Büros Fischwerk & unio – river sciences im Oktober 2022 die Feldarbeiten zur Wirkungskontrolle am Kraftwerk Herrentöbeli aufgenommen. Das Projekt der Wirkungskontrolle läuft bis Ende 2024.

Innovation fĂĽr die Fische

Als Wissenschaftlicher Leiter hinter dem Forschungsprojekt steht Prof. Dr. Robert Boes, Direktor der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) an der ETH Zürich. Der neuentwickelte CBR (Curved Bar Rack) Rechen zeichnet sich durch eine spezielle Stab-Krümmung aus, die im Wasser Druckunterschiede erzeugen. Fische erkennen dies als Hindernis und schwimmen dem Rechen entlang in einen sicheren Bypass, um flussabwärts abzusteigen. Die Installation eines CBR-Fischleitrechen-Bypass-Systems am Kraftwerk Herrentöbeli an der Thur ist ein Novum in der Schweiz, wie er sagt: «Zum ersten Mal wird ein solcher Fischleitrechen unter realen Bedingungen. an der Pilot- und Demonstrationsanlage Herrentöbeli getestet. Der Rechen wurde eigens im Rahmen dieses Pilotprojekts weiter optimiert. Die zukünftigen hydraulischen und fischbiologischen Messungen am Kraftwerk werden zeigen, ob die guten Erfahrungen mit der Fischleitung unter Laborbedingungen auch auf die Bedingungen an diesem Kraftwerk übertragbar sind. Im Erfolgsfall käme dieses neuartige System auch für den Fischschutz an vielen weiteren – auch grossen Wasserkraftwerken – in der Schweiz und im Ausland in Frage.»

Fischbewegungsmuster enträtseln

Unterstützend markierten die Biologen hunderte Fische mit RFID-Sendern, der sogenannten PIT-tagging-Methodik. Mit den zusätzlichen Daten der Funkempfänger und Mikrochip-Sender-Systeme erhofft man sich, das komplexe Puzzle der Fischbewegungen im Kraftwerksbereich zu enträtseln. Die Daten der Fischbewegungsmuster dienen wiederum der Wirkungskontrolle und Bewertung des neuen Leit- und Fischschutzsystems. «Video- und PIT-Anlage funktionieren dabei weitgehend autonom und werden von unseren Büros ferngewartet», beschreibt Fischereibiologe Chris Pardela das System. Erste Datenanalysen sind vielversprechend. Der neue Fischabstieg wird von den Tieren gut angenommen und genutzt. Eher überraschend konnten mittels Video-Technik neben Bachforellen und Groppen auch Äschen und sogar Hechte dokumentiert werden.

Bund als Innovationstreiber

Im Jahr 2011 trat das neue Gewässerschutzgesetz des BAFU in Kraft, das Massnahmen zur Wiederherstellung der Fischwanderung in Schweizer Flüssen vorschreibt. Rund 700 Querbauten müssen aufgrund der Gesetzesanpassung ökologische saniert werden. Die Massnahmen der einzelnen Kraftwerke werden vom Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen überprüft und finanziell unterstützt. Mit dem aktuellen Fischleitrechen-Forschungsprojekt entsteht eine neue, optimierte Lösung für den Fischschutz und die Fischleitung. Das BAFU begleitet und unterstützt aufgrund des internationalen Einsatzpotenzials das Feldforschungsprojekt der ETH Zürich und der SAK.

Erklärung zu PIT-tagging-Methodik

PIT-tagging (Passive Integrated Transponder) steht für die Markierung von Versuchstieren mit RFID-Transpondern. Dabei werden den Fischen Mikrochips eingesetzt, die auch in der Heimtierregistrierung, etwa bei Hunden oder Katzen, Verwendung finden. Mittels Antennen können die ohne Batterie und nur mittels Induktion sendenden Chips dann Auskunft über Zeitpunkt und bestimmte Positionen, beispielsweise einer Passage im Kraftwerksbereich, über einzelne Individuen liefern. Wanderwege und Dauer oder Verzögerungen lassen sich so über ein Kraftwerk hinweg dokumentieren.

Erklärung zu Fisch-Video-Monitoring

Nach jahrelanger Erfahrung und hunderttausenden gezählten Fischen in Fischaufstiegshilfen, kommt am Kraftwerk Herrentöbeli auch erstmalig das Video-Zählsystem der Monitoring-Experten von unio – river sciences an einem Fischabstieg in der Schweiz zum Einsatz. Die semi-automatische Fischdetektion und -erfassung liefert hochauflösende Bilder und Erkenntnisse in Echtzeit, ohne die Fische dabei zu beeinträchtigen oder gar zu schädigen. Neben der eigentlichen Zählung der wandernden Fische ermöglicht das System auch detaillierte Verhaltensanalysen, die – so die Erwartungen – zur Optimierung zukünftiger Fischabstiegshilfen dienen können.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt und Feldversuch am Kraftwerk Herrentöbeli finden Sie unter: https://www.sak.ch/ueber-sak/projekte/eth-fischleitrechen-herrentoebeli.

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