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Fachartikel
20. März 2017

Merkblatt zur Rückflussverhinderung

Trinkwasserschutz auf dem Bauernhof

Den einwandfreien Schutz des Trinkwassers auf Betrieben und Anlagen der Landwirtschaft und des produzierenden Gartenbaus aufzuzeigen, ist das Ziel eines neuen SVGW-Merkblattes. Der Bauernverband sieht Probleme bei der Umsetzung des Merkblattes.
  

Betriebe der Landwirtschaft und des Gartenbaus sind wie die Wasserversorger Lebensmittelhersteller. Sie alle unterliegen strengen Hygieneanforderungen. Doch im Gegensatz zu Wasserversorgern produzieren die anderen Betriebe nicht nur Lebensmittel, sondern sie bieten auch ein Umfeld, in dem im Trinkwasser unerwünschte Kleinstlebewesen prächtig gedeihen.

Damit diese nicht die eigenen Lebensmittel oder gar die Trinkwasserversorgung gefährden, hat der SVGW in Zusammenarbeit mit der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes, Agroscope, das neue Merkblatt «Rückflussverhinderung in Betrieben der Landwirtschaft und des produzierenden Gartenbaus» verfasst, das dieses Jahr in Kraft tritt. Am Beispiel eines Milchwirtschaftsbetriebs beschreibt es die verschiedenen Trinkwasserverwendungszwecke und davon ausgehend, die Verschmutzungsgefahren sowie die unterschiedlichen Rückflussverhinderungsmassnahmen, die notwendig sind, um eine Kontamination der Wasserversorgung zu verhindern.

Kompromiss wegen Lebensmittelrecht

Konkret bedeutet das beispielsweise, dass das neue Merkblatt für Milchgewinnungs- und Milchlageranlagen einen Rückflussverhinderer in der Form eines Systemtrenngerätes der Bauart BA verlangt. Eine Trennstation, bestehend aus einem freien Auslauf des Trinkwassers in einen offenen Behälter mit nachgeschalteter Druckerhöhungsanlage, wird in diesem Fall nicht eingefordert. Der Grund ist die Verordnung über die Hygiene bei der Milchproduktion, gemäss der das Wasser für die Reinigung und für das Nachspülen der Anlagen explizit Trinkwasserqualität aufweisen muss. Insofern stellt die Anforderung im Merkblatt einen Kompromiss dar, bei dem zwar den Anforderungen des Lebensmittelrechts an die Milchproduktion Genüge getan wird, der grösstmögliche Schutz der Trinkwasserinstallation jedoch nicht eingefordert wird.
Den gleichen Kompromiss findet man bei den Melkständen, wo die Verunreinigungsgefahr aufgrund der hier auftretenden tierischen Ausscheidungen noch grösser ist. Weil jedoch auch hier das Gesetz für die Reinigung der Zitzen und der Melkbecher Trinkwasser verlangt, fordert das Merkblatt wiederum nur ein Systemtrenngerät der Bauart BA. Um das Risiko trotzdem möglichst tief zu halten, dürfen die im Melkstand von der Decke herunterhängenden Schläuche den Boden nicht berühren, die Brausen sowie Schläuche müssen leicht zu reinigen sowie sauber sein und sie müssen periodisch überprüft werden.

 

Die Gefahr lauert im Tränkewasser

Anders sieht die Situation bei den Reinigungsgeräten für den Stallbereich aus. Hier hält das Merkblatt fest, dass die Schlauchventile und Druckreinigungsanlagen nur über eine zentrale Trennstation mit freiem Auslauf des Wassers versorgt werden dürfen. Diese Vorgabe gilt auch für Tiertränken. Denn einerseits verlangt die Tierschutzverordnung bei Tieren, dass sie genügend Wasser erhalten, dieses aber nicht Trinkwasserqualität aufweisen muss. Andererseits gilt Tränkewasser als besonders gefährliche Flüssigkeit. Dieses kann nämlich direkt durch den Kot oder Speichel der Rinder sowie indirekt durch die Luft verschmutzt werden. Zudem können Stagnation, Erwärmung und Zudosierung von Medikamenten oder Masthilfsmitteln die Wasserqualität vermindern.
Ein freier Auslauf ist auch erforderlich, wenn Trinkwasser in Regenwasserbecken geleitet wird. Eine weitere potenzielle Gefährdung des Trinkwassers besteht in der Landwirtschaft und im Gartenbau, wenn ein Chemika­lienzumischgerät für die Bewässerung angeschlossen wird. Hier verlangt das Merkblatt ein Systemtrenngerät Bauart BA. Bei der Bewässerung ist zusätzlich zu beachten, dass jeglicher Bezug von der öffentlichen Wasserversorgung, seien es Schächte oder Hydranten, über einen von der Versorgung gelieferten Wasserzähler zu erfolgen hat. Das Merkblatt geht ausserdem auf die Situation ein, wenn ein privater Versorger noch zusätzlich Wasser von der öffentlichen Versorgung bezieht (vgl. Artikel. Eine kritische Verbindung)

Auch zur Sensibilisierung

Der SVGW hat mit dem neuen Merkblatt die Grundlagen gelegt, um Trinkwasserinstallationen in Landwirtschaftsbetrieben sowie die privaten Wasserversorgungen und die öffentliche Wasserversorgung umfassend vor einer Verschmutzung zu schützen. Es soll auch Planer und Betriebseigentümer auf die Problematik aufmerksam machen und sie für den Trinkwasserschutz sensibilisieren.
Für Neubauten und grössere Erneuerungsarbeiten gilt das Merkblatt per sofort. In diesen Fällen ist die sanitäre Installation nach dem aktuellen Stand der Technik gemäss der Richtlinie W3 und dem Merkblatt sowie nach den gültigen Vorschriften der Wasserversorgung zu planen und auszuführen.
Bei bestehenden Anlagen lautet die Empfehlung dagegen, im Rahmen einer Installationskontrolle eine Bestandesaufnahme durchzuführen, um das Risiko einer Trinkwasserverschmutzung abzuschätzen. Werden massive Abweichungen zu den gültigen Standards festgestellt, sodass Hygiene und Sicherheit nicht mehr gewährleistet sind, müssen die Installationen angepasst werden.

«Rolls-Royce»-Lösung

Ob die vorgesehene Form der Umsetzung zum Tragen kommt, bezweifelt der Schweizerische Bauernverband (SBV). Alexandra Cropt, zuständig für Energie und Umwelt beim SBV, meint, dass die Behörden das Merkblatt benutzen könnten, um auch dort Änderungen zu verlangen, wo gar keine Probleme bestünden. «Der Bauernverband ist der Ansicht, dass das Merkblatt nur die «Rolls-Royce»-Variante zulässt und andere, kostengünstigere oder auch praktikablere Lösungen nicht berücksichtigt.» Cropt bemängelt zudem, dass das Merkblatt zu wenig praxisnah sei. Es berücksichtige beispielsweise nicht die unterschiedlichen landwirtschaftlichen Produktionsrichtungen.
Aus Sicht des Bauernverbands ist Wasser aber eine wertvolle Ressource. «Dabei benötigt die Landwirtschaft nicht nur Wasser in ausreichender Menge, sondern auch in guter Qualität», sagt Alexandra Cropt. Darum begrüsse der Bauernverband im Grundsatz Massnahmen zum Schutz der Wasserqualität und das Ziel des Merkblattes. Und die Bauernverbandsvertreterin bietet zum Schluss eine Zusammenarbeit an für den Fall, dass Revisionen oder die Erweiterung des Regelwerks vorgesehen sind.
Die Umsetzung des Merkblattes zeigt also ein gewisses Konfliktpotenzial. «Trotzdem ist der SVGW der vollen Überzeugung, dass das Merkblatt verhältnismässig und zielführend ist», sagt Bereichsleiter Wasser, André Olschewski. So seien die bestehenden Bauten nicht betroffen, sondern nur neue und grössere Umbauten. Die Mehrkosten seien unwesentlich grösser und die Trinkwassersicherheit könne nun durch die konsequente Umsetzung der W3 erhöht werden.

Merkblatt bereits bemerkt worden

Dass das Merkblatt bereits die Praxis beeinflusst, zeigt sich andernorts. So schlug gemäss der Installations­kontrolle der St.Galler Stadtwerke ein Sanitär bereits Ende letzten Jahres bei einem Neubauprojekt für einen Stall vor, die neuen Vorgaben zu berücksichtigen.

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