Die Schweiz soll ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen, als durch natürliche und technische Prozesse wieder aus der Atmosphäre entfernt werden können. Viele Kantone und Gemeinden haben zeitlich noch ambitioniertere Netto-Null-Ziele beschlossen. Auch Versorgungsbetriebe haben ihren Beitrag zu leisten.
Das Leitungsnetz macht ca. 80% der Assets eines Versorgungsunternehmens aus. Naheliegenderweise lassen sich somit Verminderungspotenziale von Treibhausgasen vor allem im Rohrleitungsbau ausmachen. Schon bei der Planung und Ausführung können nachhaltige Materialien, grabenlose Einbauverfahren und effiziente Baumaschinen berücksichtigt werden. Aber auch nach der Ausführung können durch den ressourcenschonenden Umgang mit Wertstoffen die Kreisläufe geschlossen werden. Dies gilt insbesondere für den zirkulären Umgang mit Abfällen von Rohrabschnitten bzw. Leitungsabfällen von temporären Leitungen oder aus dem Rückbau. Dabei eignen sich besonders Kunststoffrohre für die stoffliche Wiederverwertung durch mechanisches Recycling.
Mit der Abfallverordnung VVEA [1] schreibt das BAFU vor, dass Bauabfälle aus Kunststoff, die durch mechanisches Recycling stofflich verwertbar sind, auf der Baustelle möglichst sortenrein zu trennen sind. Bauabfälle von Polyethylen-Rohren zählen zu dieser Kategorie.
Rohrleitungen aus Polyethylen (PE) verzeichnen seit Jahrzenten enorme Zuwachsraten, da sie ökonomisch und ökologisch besonders leistungsfähig sind. Die robusten und langlebigen PE-Rohre sind sicher und zuverlässig und überzeugen durch ihre zugfesten und dichten Schweissverbindungen. PE-Rohre sind seit den 1960er-Jahren in der Schweiz für Druckrohre in der Gas- und Wasserversorgung im Einsatz und haben heute eine Nutzungsdauer von über 100 Jahren (Fig. 1). Folglich kann eine Kreislaufwirtschaft mit grösseren Mengen an PE-Rohren aus dem Rückbau erst ab 2060–2080 erwartet werden.
Trotzdem können Polyethylen-Abfälle von Bauabschnitten, temporären Leitungen und aus dem vorzeitigen Rückbau bereits heute einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten. Die Ergebnisse einer Pilotstudie haben gezeigt, dass bei einer Gemeinde mit 20 000 Einwohnern rund zwei Tonnen PE-Rohrabfälle aus dem Leitungsbau pro Jahr anfallen. Diese Abfälle sind gut rezyklierbar, sofern sie separat gesammelt werden.
Aktuell wird jedoch der Grossteil der Bauabfälle aus Polyethylen-Rohren nicht stofflich rezykliert, sondern in Kehrrichtverbrennungsanlagen (KVA) thermisch verwertet. Grund hierfür ist, dass es einfach und bequem ist, alle unterschiedlichen Abfälle auf einer Baustelle in einer gemischten Mulde zu sammeln, vom Entsorgungsunternehmen abholen zu lassen und es in der KVA zu entsorgen.
Prinzipiell stehen unterschiedliche Verwertungsstufen mit unterschiedlichem Umweltnutzen zur VerfĂĽgung. In der Verwertungspyramide nimmt der Umweltnutzen von oben nach unten ab (Fig. 2).
Das Recycling von Kunststoffen, insbesondere von grossen Mengen einheitlichem Material, ist bedeutend ökologischer als eine thermische Verwertung. In einer Studie der Firma Carbotech AG im Auftrag des BAFU [2] wurden die verschiedenen Verwertungsverfahren bezüglich dem Energieaufwand und den Treibhausgasemissionen gegenübergestellt. Dabei ergaben sich für eine Tonne Polyethylen gegenüber der thermischen Verwertung in der KVA die in Tabelle 1 gelisteten Ergebnisse. Die Werte verdeutlichen, dass das Recycling von Kunststoffabfällen der energetischen Verwertung vorzuziehen ist, da einerseits die sogenannte graue Energie, die zur Herstellung des Kunststoffs benötigte Energie, gebunden bleibt und andererseits die CO2-Emissionen deutlich geringer ausfallen.
1 Tonne PE | Energie (in Liter Erdöl-Äquivalente) | CO2 (in Tonnen CO2-Äquivalente) |
Mechanisches Recycling | –940 | –3,1 |
Auch aus finanziellen Aspekten schneidet das mechanische Recycling gegenüber der Verbrennung in der KVA meist besser ab. Übliche Abgabekosten (ohne Transport) in der KVA betragen ca. 120–160 Franken pro Tonne. Je nach Sortenreinheit der Abfälle, nach Region und Distanz zum Verwertungsbetrieb ist ein mechanisches Recycling meist kostengünstiger als die Verbrennung.
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Bei der Neuinstallation von PE-Rohrleitungen fallen üblicherweise folgende Fraktionen als Wertstoffe/Bauabfälle auf der Baustelle an, die separat zu sammeln sind:
Diese Materialen können gemeinsam in einem der Menge und Platz angepassten Gebinde gesammelt werden. Die Sammlung muss nicht zu 100% korrekt sein, sondern kann nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt werden.
Ein schweizweites Netz von Sammelstellen ermöglicht eine schnelle und einfache Logistik für den Recyclingprozess. Auf der Website des Verbands Kunststoff-Rohre und -Rohrleitungsteile wird das aktuelle Sammelstellennetz für Kunststoffrohre auf einer Karte abgebildet (Fig. 3).
Nachdem die verschiedenen Fraktionen der PE-Bauabfälle (z. B. PE-HD-Rohre, PE-HD-Späne und PE-LD-Folien) gesammelt, sortiert und vorgereinigt wurden, werden sie mithilfe von Schreddern zerkleinert. In einer Waschanlage werden die zerkleinerten Teile erneut gereinigt und in einem Schwimm-/Sink-Prozess bzgl. Sortenreinheit von anderen Materialien/Kunststoffen separiert und gewaschen. Kleinere Erdanhaftungen (besenrein) sind somit unproblematisch.
Anschliessend werden diese Kleinstteile in der Anlage getrocknet und einer Schmelz-Extrusionsanlage zugeführt. Das daraus hervorgehende hochwertig Sekundärmaterial (Regranulat) wird dann für die Fertigung neuer Produkte genutzt (Fig. 4). Der häufigste Anwendungsbereich von PE-Regranulaten sind PE-Kabelschutzrohre, die eine Lebensdauer von 60-80 Jahren aufweisen.
Der Einsatz von Recycling-Material in Druckrohrleitungen für die Trinkwasserversorgung (Hygiene), für die Gasversorgung (Risiko) oder niedertemperierte Fernwärme-/Fernkälte-Leitungen (Risiko) ist gemäss EU-Normen (EN1555. EN12201) und SVGW-Richtlinien (G2, W4, F2) nicht möglich.
Mit dem Einsatz des Recycling-Materials in Kabelschutzrohren besteht aber eine naheliegende Anwendung, die mit dem Gütesiegel c+s® abgesichert ist und bereits seit Jahrzehnten praktiziert wird.
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[1] Abfallverordnung VVEA – SR 814.600: Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen, Stand 1. Januar 2024, speziell Art. 17 Absatz 1 Bst. D
[2] Dinkel, F. et al. (2012): Ökologischer Nutzen des PE-Folien-Recyclings Schweiz (Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe). Bericht 282.10 der Carbotech AG in Kooperation mit InnoPlastics Schweiz im Auftrag des BAFU
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Die Initiative Swiss Plastic Pipe Recycling setzt sich für eine nachhaltige Zukunft ein, indem gebrauchte Kunststoffrohre recycelt und wiederverwertet werden. Ihre Mission ist es, die Umwelt zu schützen und gleichzeitig die Qualität und Langlebigkeit der recycelten Materialien zu gewährleisten. |
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Mit dem kürzlich publizierten Merkblatt GWF10002 stellt der SVGW einen Praxis-Leitfaden zur Verfügung, um das stoffliche Recycling von Polyethylen-Bauabfällen zu praktizieren und so einen nachhaltigen Umgang mit endlichen Ressourcen zu wahren. Das Merkblatt steht im SVGW-Shop zum Download bereit: |
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