Plattform für Wasser, Gas und Wärme
Fachartikel
05. Dezember 2025

Pulveraktivkohle-Screening für die Trinkwasserreinigung

Ermittlung der «besten» Aktivkohle

Viele Mikroverunreinigungen lassen sich mit Aktivkohle wirksam aus dem Trinkwasser entfernen. Allerdings divergieren die Reinigungsleistungen unterschiedlicher Aktivkohlen zum Teil sehr stark. Schüttelproben sind deshalb ein probates Mittel, um verschiedene Produkte realitätsnah zu testen und eine situationsspezifisch geeignete Aktivkohle mit hoher Reinigungsleistung zu ermitteln.
Roman Wiget, Florence  Bonvin, Joelle Seppey, 

Unerwünschte Rückstände im Trinkwasser, hohe Qualitätserwartungen von Konsumentinnen und Konsumenten sowie die schwierige politisch-regulative Eindämmung langlebiger mobiler Chemikalien führen zum vermehrten Einsatz von Aktivkohle in der Trinkwasseraufbereitung. Aktivkohle (AK) kann dank ihrer hochporösen Struktur und grossen inneren Oberfläche zahlreiche Farb-, Geruchs-, Geschmacks- und Inhaltsstoffe wirksam adsorbieren. Diese Eigenschaften machen sich Trinkwasser- wie auch Abwassersektor gezielt zunutze, um Problemstoffe zu eliminieren. Aktivkohle wird in verschiedenen Formen eingesetzt – als Granulat (GAK), Pellets oder Pulver (PAK). Während Granulat den Vorteil bietet, dass es thermisch regeneriert werden kann, haben Erfahrungen mit superfeinem Pulver (SPAK) gezeigt, dass Adsorptionsleistung und -kinetik umso effizienter ausfallen, je kleiner das Korn der Aktivkohle ist [1].

Nebst der Korngrösse hängt die Adsorptionsleistung stark von der Aktivierungsart und Porenstruktur der Kohle, den chemischen Eigenschaften der zu entfernenden Mikroverunreinigungen sowie der Wasser-Matrix ab. Eine Aktivkohle, die eine polare Substanz im Grundwasser effizient entfernt, ist nicht notwendigerweise für einen anderen Schadstoff in organisch belastetem Uferfiltrat geeignet.

Aktivkohle ist bewährt und weit verbreitet im Einsatz, weist jedoch auch erhebliche Umweltauswirkungen auf: Die Herstellung ist energieintensiv und verursacht beträchtliche CO2-Emissionen, deren Höhe je nach Rohstoff und Aktivierungsverfahren stark variieren kann. Damit wird die Aktivkohle – wo immer sie als eine der Hauptaufbereitungsstufen zum Einsatz gelangt – zum prozess-, kosten- und umweltrelevanten Faktor.

Die Suche der SWG nach der optimalen Aktivkohle

Die Seeländische Wasserversorgung SWG versorgt im Berner Seeland zwanzig Verbandsgemeinden und zahlreiche Vertragspartner mit jährlich über 3 000 000 m3 Trinkwasser. Dazu nutzt sie zwei Fassungsgebiete, wobei eines davon wegen intensiver Landwirtschaft stark durch Chlorothalonil-Metaboliten (m-CTL) belastet ist. Die belastete Grundwasserfassung in Worben stand seit 2020 bis vor kurzem ausser Betrieb, da hier die Konzentrationen des Metaboliten R471811 rund das Zwanzigfache des gesetzlichen Lebensmittelhöchstwerts erreichen.

Nach umfangreichen Pilotversuchen in den Jahren 2020 und 2021 ermittelte die SWG ein Aufbereitungsverfahren, das die gestellten Anforderungen erfüllt und die Chlorothalonil-Metaboliten wirksam und mit höchst effizientem Einsatz von Aktivkohle eliminiert: das SPAK-UF-Verfahren, das die Adsorption an superfeiner Pulveraktivkohle mit Ultrafiltration kombiniert [1].

Das Aufbereitungsverfahren war somit definiert. Aber noch war unklar, mit welcher Aktivkohle das SPAK-UF-Verfahren optimal betrieben werden kann. Die SWG machte sich deshalb gemeinsam mit der Firma Membratec auf die Suche nach einer geeigneten Aktivkohle mit situationsbezogen optimaler Reinigungsleistung bei gleichzeitig möglichst geringen Betriebskosten und Umweltemissionen.

Verschiedene Kohlenarten und ihre Umweltauswirkungen

Bei Aufbereitungsverfahren, wo die Aktivkohle eine der Hauptaufbereitungsstufen bildet, ist davon auszugehen, dass die Aktivkohle mehr als die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen (THG) verursacht, die während der Lebensdauer der Anlage entstehen. Daher ist die Wahl der Aktivkohle – punkto Adsorptionsleistung und Umweltauswirkungen – ein zentraler Faktor und Optimierungshebel.

Die verfügbaren Studien zu THG-Lebenszyklus-Analysen kommen zum übereinstimmenden Ergebnis, dass die Herstellung von Aktivkohle stets sehr energieintensiv und emissionsreich ist und ihr CO2-Fussabdruck ausserdem stark von den Ausgangsmaterialien abhängt [2–4].

Mangels Herstellerdaten war für die getesteten Aktivkohlen keine spezifische CO2-Bilanzierung möglich. Die Umweltemissionen wurden deshalb anhand von Literaturwerten abgeschätzt. Unterschiedliche Umweltemissionen ergeben sich hauptsächlich durch die jeweiligen Produktionsprozesse (Art der Verkohlung und Aktivierung, Energieträgermix, Rückgewinnung von Wärme oder Abgasen). Weniger stark zu Buche schlagen die Transportwege: Die Transporte (von Rohstoffen oder Fertigprodukten vom Produktionsort zum Verwendungsort) beeinflussen den gesamten CO2-Fussabdruck der Aktivkohle nur geringfügig.

Aktivkohle auf Stein- oder Braunkohlebasis, die sowohl historisch wie auch aktuell weit verbreitet war respektive ist, ist nicht sehr nachhaltig, da sie aus nicht erneuerbaren fossilen Rohstoffen stammt und eine energieintensive thermische Aktivierung erfordert (7–18 kg CO2 /kg AK).

Aktivkohle aus Kokosnussschalen oder anderen landwirtschaftlichen Rückständen hingegen hat geringe bis mittlere Auswirkungen (0,1–3 kg CO2 /kg AK). Diese Produkte valorisieren agroindustrielle Abfälle und sind nicht auf den Abbau fossiler Rohstoffe angewiesen.

Holz und Holzabfälle sind eine weitere Option: Durch Verkokung und Aktivierung lässt sich daraus eine Aktivkohle gewinnen mit einem ähnlichen Fussabdruck wie jene aus Kokosnuss, sofern das Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammt (0,1–3 kg CO2 /kg AK).

PAK-Screening mit einfachen SchĂĽttelversuchen

Dank VSA und Eawag sowie den umfangreichen Bestrebungen, mit einer vierten Klärstufe die Mikroverunreinigungen im Schweizer Abwasser zu reduzieren, wurden im Abwassersektor bereits Erfahrungen gesammelt und Vorgehensempfehlungen zur Ermittlung situativ geeigneter Aktivkohlen [5] entwickelt. Dabei stehen Schüttelversuche mit Pulveraktivkohle zur Entfernung gelisteter Abwasser-Leitsubstanzen im Vordergrund. Derartige Schüttelversuche (siehe Titelfoto) eignen sich auch für den Trinkwasserbereich und bilden die Grundlage der vorliegenden Vergleichsstudie verschiedener Pulveraktivkohlen (PAK-Screening).

Verwendetes Rohwasser und analysierte Mikroverunreinigungen

Im PAK-Screening der Seeländischen Wasserversorgung stand die Entfernung von Chlorothalonil-Metaboliten, namentlich R471811 und R417888, im Vordergrund. Als Rohwasser diente eine Mischung lokaler Grundwässer (25% aus der Fassung Worben und 75% aus dem Fassungsgebiet Gimmiz) mit rund 1 µg/l R471811. Darüber hinaus wurden in einigen Proben verschiedene andere Mikroverunreinigungen analysiert, die ebenfalls im Grundwasser zu finden sind.

Auswahl der Aktivkohlen fĂĽr das PAK-Screening

In der Herstellung von Aktivkohle stecken viel Know-how, Innovation und Betriebsgeheimnisse, weshalb es sich empfiehlt, bei der Wahl geeigneter Produkte die Aktivkohlelieferanten und -hersteller zu konsultieren. Tabelle 1 zeigt ausgewählte Firmen der Aktivkohlebranche, die im PAK-Screening der SWG involviert waren und für die Versuche kostenlose PAK-Muster zur Verfügung gestellt haben.

 

Tab. 1 Involvierte Anbieter von Aktivkohle mit Kontaktangaben. Einige Anbieter stellten mehr als eine PAK zur VerfĂĽgung.
Brenntag Schweizerhall AG
+41 58 344 80 00
water-treatment.ch@brenntag.com
www.brenntag.com
CarboTech AC GmbH
+49 201 2489 900
info@carbotech.de
www.carbotech.de
Carbon Activated GmbH
+49 231 5452 0734
info@activatedcarbon.com
www.activatedcarbon.com
Carbon Service & Consulting GmbH & Co. KG
+49 2424 20 123 00
info@carbon-service.de
www.carbon-service.de
Chemviron Carbon GmbH
+49 5273 366 400
info@chemviron.eu
www.chemviron.eu
Desotec Deutschland GmbH
+49 (151) 4633 2608
info@desotec.com
www.desotec.com
Dolder AG
+41 61 326 66 00
info@dolder.com
www.dolder.com
Donau Carbon GmbH
+49 69 401 16 50
info@donau-carbon.com
www.donau-carbon.com
Grand Activated sp. z o.o.
+48 693 39 18 21
zielinskib@grand-activated.pl
IMPAG AG
+41 43 499 25 00
info@impag.ch
www.impag.ch
Jacobi Carbons AG
+41 52 647 30 00
infoch@jacobi.net
www.jacobi.net
LSR Materials GmbH & Co. KG (Unicarb)
+49 2131 532 23 63
info@lsr-materials.com
www.lsr-materials.com
Niederer Schneider AG
+41 52 235 24 24
info@n-schneider.ch
www.n-schneider.ch
SIA Cabot Latvia
+371 6705 0700
www.cabotcorp.com
 


Für die präsentierte Methodik sind Muster von mindestens 100 g Pulveraktivkohle erforderlich. Die Muster sind bis zur Verwendung luftdicht verschlossen sowie trocken zu lagern und können auch als Rückstellproben zur Qualitätskontrolle späterer Lieferungen dienen [6].

Das PAK-Screening der SWG umfasste schliesslich 37 verschiedene Produkte in zwei Etappen. Es handelte sich um fossile und biogene sowie asiatische und europäische Aktivkohlen.

DurchfĂĽhrung des PAK-Screenings

Mit den ausgewählten PAK wurden Schüttelversuche durchgeführt, um einerseits die Adsorptionskapazität und andererseites die Adsorptionskinetik der einzelnen Aktivkohlen zu bestimmen.

Adsorptionskapazität

Die Adsorptionskapazität einer Aktivkohle ist ein wichtiger Faktor zur Bestimmung der Dosiermenge, die benötigt wird, um einen Schadstoff unter einen definierten Schwellenwert reduzieren zu können. Die Adsorptionskapazität ist sowohl material- als auch wasserabhängig. Sie wird ermittelt, indem das zu behandelnde Rohwasser 24 bis 48 Stunden lang mit unterschiedlichen PAK-Konzentrationen in Kontakt gebracht wird. Auf diese Weise lässt sich die Adsorptionsisotherme ermitteln.

Um die Adsorptionskapazitäten der ausgewählten Aktivkohlen zu vergleichen und gleichzeitig den Analyseaufwand zu begrenzen, wurden die Kontakttests mit einer einzigen PAK-Dosis durchgeführt. Die Dosis sollte weder zu niedrig noch zu hoch angesetzt werden, damit die Schadstoffreduktion durch die verschiedenen Aktivkohlen quantifiziert und verglichen werden kann. Gestützt auf Vorversuche erfolgten die Tests mit einer PAK-Dosis von 4 mg/l. Obwohl im Verfahren der SWG superfeines Pulver (SPAK) zur Anwendung kommt, wurde das Screening mit Pulver (PAK) durchgeführt, wie es von den Herstellern geliefert wurde und auf dem Markt verfügbar ist. Um bei der Schadstoffadsorption einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, wurde eine ausreichend lange Kontaktzeit von 24 Stunden gewählt.

Jede PAK wurde in demineralisiertem Wasser gelöst, wobei die Konzentration der Lösung anhand ihres Trockensubstanzgehalts eingestellt wurde. Die konzentrierte PAK-Lösung wurde anschliessend dem zu behandelnden Rohwasser zugegeben, worauf die Flaschen (250 ml) zur homogenen Durchmischung mittels Rollenmischer oder Orbitalschüttler kontinuierlich geschüttelt wurden. Nach 24-stündiger Kontaktzeit wurde die PAK durch Filtration über Spritzenfilter von der Lösung getrennt. Vor und nach diesem Vorgang wurden in den Proben jeweils der gelöste organische Kohlenstoff (DOC), der Spektraladsorptionskoeffizient bei 254 nm (SAK) sowie verschiedene Mikroverunreinigungen analysiert.

Adsorptionskinetik

Nebst der Adsorptionskapazität hat die Adsorptionskinetik einen entscheidenden Einfluss auf die reinigungsspezifisch erforderliche PAK-Dosis, da die Kontaktzeit zwischen Rohwasser und Aktivkohle in den üblichen Aufbereitungsverfahren viel zu kurz ist, um einen Gleichgewichtszustand zu erreichen. Die Adsorptionsgeschwindigkeit ist von der Partikelgrösse abhängig (bei kleineren Kohlepartikeln nimmt die Kinetik deutlich zu), aber auch von der Porositätsverteilung. Um diese Realität abzubilden, wurde das obige Experiment mit 26 PAK-Mustern und einer verkürzten Kontaktzeit von 30 Minuten wiederholt.

Tests mit SPAK

Schliesslich, um die Leistungsfähigkeit nach der Zerkleinerung des normalen Pulvers (PAK) zu superfeinem Pulver (SPAK) zu validieren, wurden vertiefte Tests mit SPAK und zwei Kontaktzeiten von 10 und 30 Minuten durchgeführt. Diese abschliessenden Tests erfolgten mit der leistungsstärksten Aktivkohle des ersten Screenings sowie einem erweiterten Analyseumfang (m-CTL, aber auch weitere Pestizide und PFAS).

Ergebnisse des PAK-Screenings

Reduktion der Mikroverunreinigungen 
Chlorothalonil-Metabolit R471811

Figur 1 zeigt, wie stark die verschiedenen Pulveraktivkohlen den Chlorothalonil-Metaboliten R471811 reduzieren konnten – bei einer PAK-Dosis von 4 mg/l und Kontaktzeit von 24 Stunden. Die Reinigungsleistungen der getesteten Aktivkohlen variierten signifikant: Zwischen der wirksamsten und der unwirksamsten Aktivkohle lag eine Differenz von über 80%. Die als Referenz dienende Aktivkohle, die bereits bei den vorangegangenen Pilotversuchen mit Granulat (GAK) die besten Ergebnisse erbracht hatte, lag auf Platz fünf.

Zwischen dem Rohstoff der Aktivkohle und ihrem Vermögen, R471811 zu adsorbieren, scheint keine Korrelation zu bestehen. Die Aktivkohlen mit den besten Adsorptionsleistungen stammen aus verschiedenen Rohstoffen: Holz, Steinkohle und Kokosnussschalen. Die Rangfolge der Aktivkohlen hinsichtlich ihres Reduktionsvermögens von R471811 ist nach 24 Stunden weitgehend identisch mit jener nach 30 Minuten. Dies lässt auf eine schnelle Adsorptionskinetik der leistungsstärksten Kohlen schliessen. Die beobachteten Unterschiede sind jedoch nach 30 Minuten weniger ausgeprägt als nach 24 Stunden. 

Andere Mikroverunreinigungen

Die für R471811 nach 24 Stunden ermittelte Rangfolge stimmt im Allgemeinen mit der Reduktion der anderen untersuchten Mikroverunreinigungen überein. Die Reduktion von m-CTL R417888, Desphenyl-Chloridazon, Methyldesphenyl-Chloridazon und Nicosulfuron UCSN liegt stets höher als jene von R471811 und ist (wegen den teils unter der Nachweisgrenze liegenden Konzentrationen im Rohwasser) nur teilweise quantifizierbar.

Wie in anderen Studien berichtet [7–8], weisen diese Stoffe eine stärkere Adsorption an Aktivkohle auf, was bestätigt, dass der m-CTL R471811 im vorliegenden Kontext ein geeigneter Indikator für die PAK-Bewertung ist.

Validierung mit SPAK

Die leistungsstärkste Aktivkohle des ersten Screenings wurde für weitere Tests ausgewählt. Dabei wurde sie zu superfeinem Pulver (SPAK) zermahlen, um ihre Adsorptionskapazität und ihre Adsorptionskinetik in dieser feineren Partikelform bewerten zu können. Durch das Mahlen reduzierte sich die mittlere Partikelgrösse von 17 µm auf 3 µm. Wie erwartet, beschleunigte diese reduzierte Partikelgrösse die Adsorptionskinetik: Die Reduktion von m-CTL R471811 erreichte nach 30 Minuten fast 70% verglichen mit etwa 40% durch die Pulveraktivkohle (PAK).

Leistungsindikatoren

Alle Ergebnisse wurden hinsichtlich der Korrelation zwischen der Reduktion von R471811 und anderen potenziellen Leistungsindikatoren ausgewertet.

SAK

Die Verringerung des SAK ist ein häufig verwendeter Indikator zur Abschätzung der Reduktion von Mikroverunreinigungen. Die Beziehung zwischen dem Rückgang des SAK und der verschiedenen Mikroverunreinigungen ist jedoch kohle- und wasserabhängig. Daher überrascht es nicht, dass die Korrelation zwischen dem SAK und der Schadstoffreduktion bei der Betrachtung aller getesteten Aktivkohlen nicht sehr hoch ausfällt (Fig. 2, links). Wird jedoch nur eine einzige Aktivkohle betrachtet, ist die Korrelation ausgezeichnet (Fig. 2, rechts). Damit bietet sich der SAK für die betriebliche Prozessüberwachung bestens an, da er (im Gegensatz zu Laboranalysen) online und realtime zur Verfügung steht.

Eigenschaften der Aktivkohlen

Die Jodzahl und die BET-Oberfläche wurden – wo vorhanden – aus den Datenblättern der Hersteller entnommen, wobei diese Werte nicht spezifisch für die in den Tests verwendeten Chargen gemessen wurden, sondern Durchschnittswerte darstellten.

Die Jodzahl gibt an, wieviel Iod eine bestimmte Aktivkohle adsorbieren kann. Da sich Iod stark von den Zielmolekülen dieser Studie unterscheidet, war zu erwarten, dass dieser Wert für Chlorothalonil-Metaboliten wenig aussagekräftig ist: Tatsächlich war die Korrelation zwischen der Jodzahl und der m-CTL-Reduktion sehr schwach (R2 = 0,08; Fig. 3).

Die BET-Oberfläche bemisst die spezifische Oberfläche einer Aktivkohle und gilt allgemein als Indikator für deren Adsorptionskapazität. Das vorliegende Screening ergab jedoch eine unerwartete inverse Beziehung: Die Schadstoffreduktion nahm mit zunehmender spezifischer Oberfläche ab (R2 = 0,36; Fig. 3). Möglicherweise erklärt sich dieser Trend dadurch, dass die verfügbaren BET-Werte nicht den tatsächlich getesteten Chargen, sondern Durchschnittwerten entsprachen.

Als letzte Eigenschaft wurde die Granulometrie untersucht, die mittels Laserdiffraktometrie für jede Kohle gemessen wurde. Die Korrelation zwischen der Partikelgrössenverteilung und der Schadstoffreduktion zeigte eine Abnahme der Eliminationsleistung mit zunehmendem mittlerem Durchmesser, obwohl die Beziehung schwach bleibt (R2 = 0,31; Fig. 3). Insgesamt sind die ermittelten Korrelationen nicht aussagekräftig genug, um die Schadstoffelimination einer Aktivkohle für den konkreten Fall abschätzen zu können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit situationsbezogener Schüttelversuche, um eine zielführende und belastbare Aktivkohle-Selektion treffen zu können.

 

Bewertungskriterien fĂĽr die Selektion der Aktivkohle

Die für die verschiedenen Aktivkohlen gemessenen Reinigungsleistungen liefern eine solide Grundlage zur Abschätzung der erforderlichen PAK-Mengen, um den jährlichen Wasserbedarf der SWG (3 Mio. m3) in der gewünschten Trinkwasserqualität sicherstellen zu können: Für alle getesteten Aktivkohlen liegt der prognostizierte Jahresverbrauch zwischen 12 und 1300 Tonnen Aktivkohle; bei einem Medianwert von 51 Tonnen. Dies widerspiegelt die hohe Variabilität der getesteten Aktivkohlen hinsichtlich ihrer R471811-Eliminationsraten.

Die enorme Bandbreite der benötigten Jahresmengen für die leistungsstärksten resp. die leistungsschwächsten Aktivkohlen verdeutlicht die zentrale Bedeutung einer systematischen PAK-Selektion: Eine hochwirksame Kohle ermöglicht eine sparsamere Dosierung, einen effizienteren Prozess und damit geringere Betriebskosten. Hinzu kommen die Umweltemissionen, die sich mit geringerem Mengenbedarf ebenfalls senken lassen. Um diese verschiedenen Aspekte zu berücksichtigen und zu bewerten, wurde eine multikriterielle Entscheidungsmatrix angewandt. Für jedes Kriterium wurden die Daten normalisiert (siehe Normalisierungsgleichung, Tab. 2) und anschliessend mit einem Gewichtungsfaktor (GF, Tab. 2) versehen, wodurch sich eine Rangfolge der getesteten Aktivkohlen ergibt. Im Fall der SWG wurde eine ausgewogene Gewichtung zwischen den wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien gewählt:

  • Betriebskosten: Schadstoffelimination (GF = 0,25) und Preis (GF = 0,25);
  • CO2-Fussabdruck: Schadstoffelimination (GF = 0,20), Rohstoff (GF = 0,25) und geografische Herkunft (GF = 0,05).

 

Tab. 2 Bewertung und Priorisierung der 37 PAK nach wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien.



Parameter R471811-Entfernung Kosten fĂĽr PAK Rohstoff Herkunft Ranking

Einfluss auf Betriebskosten & Umweltkosten Betriebskosten Umweltkosten
Gewichtungsfaktor (GF) 0.25 + 0.2 0.25 0.25 0.05
PAK ID





4 + ++ + - 1
1 +/- ++ + - 2
23 ++ -- + +

3

5 + - + ++ 4
14 +/- - + - 5
11 + +/- + - 6
31 + - + - 7
30 - + + - 8
21 -- ++ + - 9
12 - + + - 10
26 - + + - 11
32 -- + + - 12
19 --- ++ + - 13
20 + ++ - - 14
8 -- +/- + - 15
29 --- +/- + - 16
2 + ++ - - 17
27 --- + + - 18
13 + ++ - - 19
33 --- ++ + - 20
6 ++ -- - - 21
3 - ++ - - 22
7 --- +/- + - 23
9 -- +/- + - 24
10 ++ KA KA - 25
25 --- KA + - 26
18 --- KA + - 27
16 --- KA + - 28
17 --- KA + - 29
15 +/- KA - - 30
36 +/- KA KA - 31
22 --- KA + - 32
28 - KA - - 33
24 -- KA KA - 34
34 --- KA + - 35
35 -- KA KA - 36
37 --- KA KA - 37

 

 

R471811-Entfernung  Normalisierungswert (N)
>80% ++





60–70% +
50–60% +/-
40–50% -
30–40% --
<30% ---

 

Kosten 
<2.5 Euro/kg ++





2.50–3 Euro/kg +
3–3.50 Euro/kg +/-
3.50–4 Euro/kg -
>4 Euro/kg --
Keine Angabe KA

 

Rohstoff
Biogen + 1
Kokosnuss + 1
Holz + 1
Steinkohle - 0
Keine Angabe KA 0

 

Herkunft
Schweiz ++ 1
Europa + 0.75
Asien - 0

 

Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass Variationen der Gewichtungsfaktoren keinen signifikanten Einfluss auf die Rangfolge haben: Die vier bestklassierten Aktivkohlen blieben an der Spitze, was die Robustheit der erhaltenen Rangfolge unterstreicht.

Letztendlich entschied sich die SWG für eine aus Schweizer Holz hergestellte Aktivkohle und betreibt damit die Ende April 2025 eingeweihte SPAK-UF-Anlage. Die im PAK-Screening beobachteten guten Eliminationsleistungen haben sich im grosstechnischen Massstab bereits bestätigt [9].

Fazit

Aktivkohle ist ein leistungsfähiges Adsorptionsmittel, das zahlreiche Problemstoffe wirksam aus dem Trinkwasser entfernen kann (bspw. m-CTL R471811 und R417888 sowie viele mittel- und langkettige PFAS). Allerdings klaffen die stoffbezogenen Reinigungsleistungen unterschiedlicher Aktivkohlen stark auseinander, weshalb sich Schüttelversuche anbieten, um verschiedene Aktivkohlen direkt mit dem zu behandelnden Rohwasser zu testen und die situativ bestgeeigneten Aktivkohlen zu ermitteln.

Dadurch lassen sich nicht nur die Effektivität und Effizienz der AK-Reinigungsstufe steigern, sondern der Minderverbrauch ist direkt kostenwirksam und umweltrelevant, denn bei AK-Verfahren ist die Aktivkohle erfahrungsgemäss der dominante Faktor in der CO2-Bilanz.

Mittels multikriterieller Entscheidungsmatrix können Reinigungsleistungen, Kosten und Umweltemissionen verschiedener Aktivkohlen gegenübergestellt, gewichtet und eine entsprechende Rangfolge der bestgeeigneten Produkte abgeleitet werden. Im Fall der SWG gelangen dank dieser Vorgehensweise Verbesserungen bei der Reinigungsleistung und Prozesseffizienz sowie bei der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit des Verfahrens. Ausserdem verschafften die Versuche einen Überblick zu Alternativprodukten, die bei Lieferengpässen als Rückfallebene dienen können. Seit Ende April 2025 steht die SPAK-UF-Anlage der SWG in Betrieb und sorgt für einwandfreies Trinkwasser. Die bisherigen Betriebserfahrungen und Laboranalysen bestätigen, dass die gewählte Aktivkohle eine verlässlich hohe und effiziente Reinigungsleistung sicherstellt, welche die Sparsamkeit, Kosten und Umweltbilanz des Prozesses gleichzeitig optimiert.

 

Bibliographie

[1] Bonvin, F. et al. (2023): Charbon actif – une question de la taille? Étude comparative de procédés d’adsorption pour le traitement des métabolites du chlorothalonil. Aqua & Gas 12: 24–30

[2] Vilén, A. (2022): Comparative life cycle assessment of activated carbon production from various raw materials. Masters Thesis. https://aaltodoc.aalto.fi/server/api/core/bitstreams/03f19b92-e217-41a6-8738-d5eb41db0d5f/content

[3] Kim, M. et al. (2019): Analysis of environmental impact of activated carbon production from wood waste. Environmental Engineering Research 24(1): 117–126

[4] Gu, et al. (2019): Life cycle environmental and economic assessment of activated carbon from different feedstocks. Wood & Fiber Sci. 50(3): 229–243

[5] Böhler, M. (2019): Laborversuche zur Bestimmung der Reinigungsleistung von Pulveraktivkohle zur Entfernung von Mikroverunreinigungen auf Kläranlagen – Anleitung. Hrsg. VSA und EAWAG, download: wwww.micropoll.ch

[6] Rössler, A.; Meier, A. (2019): Praxiserfahrungen zum Einkauf und zur Qualitätssicherung von Pulveraktivkohle bei der kommunalen Abwasserbehandlung. Korrespondenz Abwasser, Abfall 2/2019: 125–132

[7] Hauret, A. et al. (2022): Traitement des métabolites du chlorothalonil. Aqua & Gas 6/2022: 50–59

[8] Merle, T. et al. (2022): Charbon actif et métabolites du chlorothalonil. Aqua & Gas 7/2022: 50–55

[9] Bonvin, F. et al. (2025): SCAP-UF: Innovation à Worben. Aqua & Gas 12/2025: 52–56

Dank

Herzlich danken wir Claudia Minkowski vom Amt für Wasser und Abfall sowie Matthias Ruff und Rico Ryser vom Gewässer- und Bodenschutzlabor des Kantons Bern für ihre vielfältige Unterstützung, Marc Böhler von der Eawag für seine wertvollen Hinweise, allen im Bericht erwähnten Partnerfirmen der Aktivkohlebranche, die mit Fachwissen, Empfehlungen und PAK-Mustern das PAK-Screening ermöglicht haben, sowie Fabrice Merz von Membratec für seine Mitwirkung bei den Laborversuchen.

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.